Jeder kennt sie. In jeder Stadt gibt es sie, auch in kleineren Städten und auf dem Lande. Kneipen, Bars, Etablissements, in die niemals auch nur ein einziger Schein Tageslicht fällt. Einrichtungen, die rund um die Uhr künstlich beleuchtet sind, und bei denen man unmittelbar nachdem man sie betreten hat, das Gefühl für die Uhrzeit, für Tag und Nacht verliert. Hier herrscht immer die gleiche Atmosphäre.
Meistens handelt es sich bei solchen Einrichtungen um Spielhöllen oder um Bars mit zwielichtigem Ambiente, die viel lichtscheues Gesindel anziehen. Bunte Leuchtreklamen außen, und drinnen dann schummriges Lichts, Billardtische, Spielautomaten, und an der Theke hocken Typen von der Sorte, wie sie halt immer dort hocken.
die Schaufenster sind mit quietschgrüner Heineken-Reklame verklebt
Die Brot & Spiele City in Graz scheint genau in dieses Raster zu passen. Die Schaufenster sind mit quietschgrüner Heineken-Reklame verklebt, es wird mit interactive Games geworben, die Rollläden der Fenster oberhalb des Eingangs sind fest verschlossen. Rotlichtbezirk hinter grüner Reklame?
Nicht ganz – denn ein kleiner Reklameständer vor dem Eingang lockt, recht unauffällig, mit more than 130 beers und dem Spruch Friends of beer meet here.
die Bier-Kühlschränke stehen Spalier
Na, dann geben wir uns doch einmal einen Ruck und gehen hinein. Gleich von Anfang an laufe ich Spalier an einer Reihe von Kühlschränken, randvoll gefüllt und sauber sortiert mit Bieren aus aller Welt. Knallbunt und quietschgrün bemalt, man könnte Augenkrebs bekommen. Dann, nach mehreren kleinen Vorräumen, der große Saal. Ein halbes Dutzend Billardtische, linker Hand zwei knallbunt ausgeleuchtete Theken. Diesmal in leuchtendem Orange. Auf dem riesigen Fernseher läuft ein Motorradrennen, davor, ich muss zweimal hinschauen, ich glaube es sonst nicht, nein, eben nicht eine Horde von Kuttenträgern in dicken Lederkombis, sondern zwei Familien mit Kindern und Großeltern. Der Kontrast könnte größer nicht sein. Offensichtlich motorradbegeisterte Familien, die hier, während der Übertragung des Rennens, ihr Sonntagsessen zu sich nehmen, und sich auch direkt nach der Siegerehrung wieder trollen.
Rund um die Billardtische eine Handvoll Jugendliche. Bunt gefärbte Haare, Piercings, alles okay. Nur die zwei auf obercool machenden, höchstens zehn, elf Jahre alten Jungs, die am Billardtisch posieren, fallen auf. Die würden andernorts noch nicht mal in die Kneipe hineingelassen werden …
der Thekenbereich in leuchtendem Orange
Ja, aber was ist nun mit dem Bier?
Zwischen den beiden Theken ein Spiegelschrank mit ein paar belgischen Bieren, auch ein paar Trappisten sind dabei. Das ist doch schon mal in Ordnung. Und in den Kühlschränken am Eingang war ja auch schon einiges zu sehen.
Ich schnappe mir die Bierkarte und fange an, zu blättern. Die schiere Zahl 130, mit der draußen geworben wird, glaube ich sofort. Viele altbekannte Sachen sind dabei. Eine solide Auswahl guter europäischer und amerikanischer Biere. Aber keine Exoten. Wer auf der Suche nach dem ultimativen Bierkick hierher kommt, wird enttäuscht sein; wer hingegen gute und typische Vertreter der Bierstile der Welt sucht, wird sich freuen.
Die freundliche Barfrau kommt schon zum zweiten Mal vorbei, wundert sich, dass ich immer noch am Blättern bin. Ich entscheide mich für ein Gusswerk Nicobar India Pale Ale. Bestes österreichisches Brauhandwerk, ein gutes und solides Bier.
Gusswerk Nicobar India Pale Ale
Zum Essen? Es gibt eine riesige Auswahl an Burgern, die man sich wahlweise mit einer oder mit zwei Hackfleischscheiben („Pattys“) belegen lassen kann. Ich nehme den Aussi-Burger, mit ordentlich Speck, Zwiebeln und einer undefinierbaren, nur leicht scharfen Soße. Was daran australisch sein soll, erschließt sich mir nicht, aber er schmeckt, und die Portion ist riesig.
Tja, gutes Bier in etwas merkwürdiger Atmosphäre, lautet mein Fazit heute. Nichts Dolles vom Fass, aber eine Bierkarte mit vielen richtig leckeren Flaschenbieren. Wenn man mal in der Gegend ist, und schnell noch ein gutes Bier sucht, jederzeit gerne. Die Spielhallenatmosphäre kann man ja ausblenden und sich nur auf das Bier konzentrieren.
Aber ganz ehrlich: Gäbe es die vielen Biere hier nicht, diese Kneipe wäre nichts für mich. Nicht nur wegen der dominanten Heinekenreklame und den grellen Farben neongrün und orange, sondern auch wegen der schummrigen, zwielichtigen Atmosphäre und den so gar nicht dazu passenden Gästen. Weiß der Teufel, was solide Familien, aber auch ein älteres Pärchen an dieser pseudo-verruchten Atmosphäre finden?
Die Brot & Spiele City ist montags bis freitags von 10:00 Uhr bis 02:00 Uhr morgens geöffnet, sonnabends und sonntags erst ab 13:00 Uhr. Durch die Lage am Rand der Fußgängerzone ist sie problemlos zu Fuß erreichbar; ein großes Parkhaus befindet sich gerade 100 m entfernt.
Brot & Spiele City
Mariahilferstraße 17
8020 Graz
Österreich
Ganz offensichtlich hat der Schreiber in der Fülle des Angebots die 15 verschiedenen Fassbiere übersehen wie z.B. Drunken Sailor v. Crew Republik, Peter Pale and Mary von Mikeller, Anchor Steam Beer oder das Fladerant aus derSteiermark. Also in Zukunft Augen auf!!!
Danke für den Hinweis – werde beim nächsten Mal im Augenkrebs verursachenden grün-orange Geschummer noch genauer hinschauen und auch die Kellnerin noch genauer befragen.
Aaaber: Drunken Sailor, Peter, Pale & Mary und Anchor Steam sind jetzt nicht wirklich exotisch, oder? Die gibt’s ja selbst in Deutschland mittlerweile… Das Fladerant, das, hingegen, hätte mich in der Tat sehr interessiert. Schade drum…
VQ