Gulating Ølutsalg Byhaven
Trondheim
NOR

Trondheim am späten Vormittag. Wir haben den Morgen damit verbracht, die Sehenswürdigkeiten der Stadt abzulaufen, und dann festgestellt, dass die Trondhjem Mikrobryggeri erst um 15:00 Uhr öffnet, unser Schiff aber vorher bereits ablegt, und so laufen wir halt gemütlich und ohne festes Ziel wieder in Richtung Hafen. Vor uns taucht ein kleines Einkaufszentrum auf, und wir überlegen, ob wir uns nicht eine Flasche Cola kaufen oder vielleicht ein kleines Café entdecken, wo wir uns noch einen Moment gemütlich hinsetzen können.

Meistens sind Cafés und kleine Restaurants entweder im Obergeschoss oder im Tiefgeschoss eines Einkaufszentrums. Ein Obergeschoss gibt es hier nicht, also fahren wir mit der Rolltreppe runter in den Keller und … laufen direkt auf ein Bierfachgeschäft zu: Gulating Ølutsalg Byhaven. Was für eine Überraschung!

Misstrauisch äugt mich meine holde Ehefrau an: „Das ist doch jetzt inszeniert, Deine Überraschung! Das hast Du doch bestimmt wieder von langer Hand geplant, hier ‚zufällig‘ ein Biergeschäft zu entdecken.“ Nein, ist es diesmal nicht. Da es offiziell nicht erlaubt ist, eigenen Alkohol mit an Bord des Schiffs zu nehmen, hatte ich mir vor unserem Landgang gar nicht erst die Mühe gemacht, Onkel Google zu fragen, ob es in Trondheim ein Biergeschäft gebe. Ich sehe, wie das Misstrauen nur langsam nachlässt. Kopfschüttelnd und stirnrunzelnd folgt mir meine bessere Hälfte aber, als wir trotz des festen Vorsatzes, nichts zu kaufen, mal in den kleinen Laden hineingehen.

Gulating Ølutsalg Byhaven, Trondheim, Bier in Norwegen, Bier vor Ort, Bierreisen, Craft Beer, Bottle Shop
Blick in den pedantisch aufgeräumten kleinen Laden

Vom ersten Moment an bin ich fasziniert. Sorgfältig aufgeräumt und sortiert, mit viel Liebe dekoriert und pedantisch ausgerichtet stehen die unterschiedlichsten Biere in den einfachen Holzregalen. „Jetzt mit dem Auto hier sein und viel Platz im Kofferraum haben“, denke ich und schlendere zwischen den Regalen hin und her.

„May I help you?”, hören wir eine Stimme. „Kann ich Euch helfen?”

Unbemerkt war der Eigentümer des kleinen Lädchens aus dem Hinterraum gekommen und durch seinen dichten Bart grinst er uns freundlich an. „Eigentlich ja, und dann doch wieder nein“, lautet meine kryptische Antwort, und ich erzähle ihn von unserem Interesse, aber eben auch davon, dass eigener Alkohol an Bord nicht erlaubt sei.

„Ach, das macht nichts, dann seht Euch einfach mal so um. Ich heiße übrigens Tommy!“

Gulating Ølutsalg Byhaven, Trondheim, Bier in Norwegen, Bier vor Ort, Bierreisen, Craft Beer, Bottle Shop
Sich umsehen? Das lassen wir uns nicht zweimal sagen!

Tommy Holen Helland hat den kleinen Bierladen in 2015 in der Trondheimer Mathall eröffnet, musste dann aber relativ rasch wegen der Schließung der Halle in das Einkaufszentrum Byhaven umziehen. Hier hat der Gulating Ølutsalg Byhaven nun seine endgültige Bleibe gefunden, direkt neben einem Spezialitätengeschäft und einem Sushi-Imbiss.

Leider müsse er aus steuerrechtlichen Gründen und wegen des norwegischen Alkoholmonopols seine Auswahl auf Biere bis maximal 4,7% Alkohol beschränken, erzählt Tommy. Nur diese Biere gälten als Lebensmittel, alles darüber sei Alkohol und dürfe nur über die Vinmonopolet-Läden des norwegischen Gesundheits- und Fürsorgeministeriums verkauft werden. Aber die Brauereien wüssten das, und so habe sich in Norwegen eine Craftbier-Szene entwickelt, die ganz erstaunliche Bierstile mit immer genau 4,7% Alkohol produzieren würde. Ein India Pale Ale, also ein eigentlich recht kräftiger Bierstil, mit nur 4,7%? Bitte sehr, hier stünde eins. Ein kräftiges Stout? Gebe es auch, mit genau 4,7%. Wir könnten eine Bierreise durch die Stile der Welt machen, ohne dabei die magische Alkoholgrenze zu reißen, lacht er.

Gulating Ølutsalg Byhaven, Trondheim, Bier in Norwegen, Bier vor Ort, Bierreisen, Craft Beer, Bottle Shop
die 4,7%-Grenze scheint die Auswahl kaum zu beschränken

Staunend wandern wir an den Regalen entlang. Er hat recht – trotz der aus deutscher Sicht etwas merkwürdig wirkenden Beschränkung finden sich hier beeindruckend viele unterschiedliche Biere. „Na, ein Russian Imperial Stout oder einen klassischen deutschen Doppelbock wirst Du aber nicht im Angebot haben“, albern wir herum, aber Tommy bleibt ungerührt. „Das nicht gerade, aber es gibt schon Biere, die den Grundgeschmack auch dieser starken Spezialitäten aufgreifen und mit 4,7% abbilden wollen“, erzählt er ganz ernsthaft.

Meine Frau und ich schauen uns an. Also, irgendwie… Wir können ja jetzt schlecht gehen, ohne noch etwas zu kaufen. Tommy hat uns mit seinen Erzählungen so richtig Appetit auf ein gutes Bier gemacht. „Ach, komm, der Rucksack ist blickdicht, und wenn wir nicht gleich zwanzig große Flaschen kaufen, merkt das doch keiner, wenn wir ein paar Biere an Bord schmuggeln“, ermuntert mich meine Frau. Tommy grinst: „Mit 4,7% ist das doch sowieso kein Alkohol, sondern nur ein Lebensmittel!“

„Du hast recht, Tommy. Wir leben schließlich derzeit in Bayern, und da gilt Bier als Grundnahrungsmittel, nicht als Alkohol, und darauf werden wir uns berufen, wenn wir erwischt werden!“

Ein echtes Risiko, erwischt zu werden, besteht natürlich überhaupt nicht, und ein paar Flaschen einfaches Bier werden sicherlich sowieso geduldet sein – es geht beim Alkoholverbot sowieso eher um das ziellose auf der Kabine Besaufen. Insofern finden wir für uns ein paar ganz feine Spezialitäten, zum Beispiel ein Farmhouse Ale, also ein Saison, und ein kräftiges, tiefschwarzes Stout.

Gulating Ølutsalg Byhaven, Trondheim, Bier in Norwegen, Bier vor Ort, Bierreisen, Craft Beer, Bottle Shop
wer möchte, kann sich Bier auch im Growler mitnehmen

Es sind am Vormittag noch keine weiteren Kunden im Laden, insofern haben wir noch viel Zeit, uns zu unterhalten. Tommy erzählt von seiner Bierliebhaberei, ich von meinem Blog. „Tja, schreiben über Bier ist für mich schwierig“, seufzt er, „denn ich muss aufpassen, dass das nicht als Werbung für den Bierladen verstanden wird. Das wäre nämlich verboten – für Alkohol darf nicht geworben werden.“ Und so hat Tommy auch nur einen Mikroblog bei Instagram, tommys_olblogg, der keinerlei Verbindung zu seinem Geschäft aufweist. Aber immerhin.

Vorsichtig verstauen wir unsere Flaschen im Rucksack. Eine kleine, völlig unerwartete Ausbeute.

Tommys kleiner Bierladen Gulating Ølutsalg Byhaven gehört zu einer größeren Gruppe, die 25 Bierläden und ein paar Pubs in Norwegen betreibt. Er ist montags bis freitags von 10:00 bis 20:00 Uhr, sonnabends nur bis 18:00 Uhr geöffnet; sonntags ist zu. Vom Hauptbahnhof Trondheims aus geht man nur einmal in Richtung Süden über die Fjordbrücke und dann sieht man das Einkaufszentrum Byhavn schon, in dessen Keller sich der kleine Laden befindet.

Bilder

Gulating Ølutsalg Byhaven
Olav Tryggvasons Gate 28
7011 Trondheim
Norwegen

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*


Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.