Toronto Pearson Airport, und es ist noch einiges an Zeit zu überbrücken. Gelangweilt bummele ich die endlose Reihe von Geschäften entlang und sinniere, wer diesen Plunder eigentlich kauft. Es sind die immer gleichen Produkte, die die Flughäfen der Welt so austauschbar machen: Irgendwelche Telefonhüllen und -adapter, merkwürdig protzig aussehende Uhren und grässliche Krawatten mit Paisley-Mustern, die eher an schleimig umherkriechende Amöben denn an die eigentlich historisch mal gemeinten Dattelpalmensprosse erinnern und sich so in ihrer Anmutung den fettigen Haaren und den schwabbelnden Bäuchen ihrer ungepflegten und gestressten Träger anpassen… Puh!
Mittendrin ein kleines Pub – das Mill Street Pub at Pearson, wie es sich nennt.
Die Mill Street Brewery, zu der dieses Pub gehört, war 2002 in Toronto gegründet worden und entwickelte sich recht rasch und recht erfolgreich. Als zunächst noch unabhängige Brauerei errang sie diverse Titel als Best Toronto Microbrewery und als Canadian Brewery oft he Year. Innerhalb von vier Jahren war sie aus ihrem ursprünglichen Standort im historischen Distillery District Torontos herausgewachsen und verlegte die Produktion nach Scarborough, während am alten Standort ein Brewpub eingerichtet wurde.
2015 machte dieser Erfolg die großen Investoren aufmerksam, und so wurde die Mill Street Brewery vom Labatt-Konzern aufgekauft – einer Großbrauerei, die ihrerseits wieder zum Fast-Weltmonopolisten ABInBev gehört. Aus dem in der Szene so anerkannten und beliebten, handwerklich gebrauten Bier wurde plötzlich Fabrikbier. Auch wenn sich Rezepte und Produktionsmethoden nicht geändert haben mögen, so gibt es doch viele Bierliebhaber in der Region, die die Biere der Mill Street Brewery nun nicht mehr goutieren.
Noch vor Übernahme durch den Bierkonzern hatte die Mill Street Brewery bereits in 2011 im Terminal 1 des Toronto Pearson Airport ihr Pub eröffnet und war damit die erste Microbrewery in Kanada mit einem eigenen Ausschank auf einem Großflughafen.
Einige Minuten stehe ich jetzt schon mit meinem schlauen Telefon in der Hand vor dem Pub und habe mich in der Geschichte der Brauerei festgelesen. Rechts oben in der Ecke des kleinen Bildschirms schlägt die Uhr um auf 12:00 Uhr. Es ist Mittagszeit. Und immer noch viel Zeit bis zum Abflug zu überbrücken. Hunger habe ich zwar noch keinen, dazu war das Hotelfrühstück zu deftig, aber jetzt zum Mittagsläuten ein Bier zu trinken, das wäre schon was. Ich gehe also ins Pub hinein.
„Help yourself, no seating today”, begrüßt mich eine freundliche Dame und winkt mich weiter. Ich gehe an die Theke, suche mir einen Barhocker, und während ich noch meine Tasche unter mir verstaue, stellt mir der Barmann ein kleines Probierglas vor die Nase: „Unser West Coast IPA. Probier mal!“
Eine nette Masche. Jeder Gast bekommt, wenn er sich setzt, gleich mal ein winziges Probiergläschen vor die Nase gesetzt. Wenn auch nur jeder fünfte sich danach irgendwie im Unterbewusstsein verpflichtet fühlt, ein großes Bier derselben Sorte zu bestellen, dann hat sich das Ganze schon gelohnt.
Ich nehme den kleinen, angebotenen Schluck, und auch wenn mir die milchige Trübe des Biers nicht gefällt, schmeckt es mir doch ordentlich. Kräftig herb, mit soliden und kernigen Hopfennoten, dazu ein leicht fruchtiger, aber auch ein bisschen kräuteriger Geruch. Gar nicht so verkehrt. 6,6% Alkohol? Ach, na wenn schon. Gleich im Flieger kann ich ein paar Stunden dösen. Auf geht’s also, ich nehme davon ein Pint!
Hm, bin ich jetzt gerade auf die Werbemasche des Barmanns reingefallen, oder habe ich mich wirklich frei entschieden, dieses Bier zu bestellen? Innerlich grinse ich in mich hinein. Wie leicht bin ich eigentlich zu manipulieren?
Aber eigentlich ist es schon okay. Die Atmosphäre hier im Pub ist für eine Flughafenkneipe sehr angenehm. Für jeden seiner Gäste hat der Barmann einen kessen Spruch auf den Lippen, er ist fix, aufmerksam und merkt genau, wer es jetzt mit dem Bezahlen eilig hat, weil der Flieger dann doch nicht auf ihn wartet. Insofern gibt es genug zu schauen, genug mit den Nachbarn an der Theke zu erzählen und herumzualbern.
Rund zehn Zapfhähne zähle ich zu meiner Linken, jeder verziert mit einem riesigen, bunten Kunstharz-Taphandle. Ob wirklich an allen Hähnen auch Biere hängen, oder ob manche jetzt nur Platzhalter sind, weiß ich nicht, aber zumindest ein halbes Dutzend verschiedene Biere gibt es hier schon. Dazu deftiges Essen, serviert von zwei energischen Damen, die mindestens genauso schnell und aufmerksam sind wie der Barmann.
Eine Flughafenkneipe, mehr eigentlich nicht. Aber eine mit einer guten Bierauswahl, betrieben von einer ehemals unabhängigen Kleinbrauerei und mit einer guten Atmosphäre. Um hier eine Wartezeit zu überbrücken, eigentlich genau das richtige. Merk‘ ich mir, falls ich mal wieder im Toronto Pearson Airport zu viel Zeit haben sollte.
Das Mill Street Pub at Pearson ist täglich von 05:30 bis 23:30 Uhr geöffnet; kein Ruhetag. Neben den Bieren bietet es klassische und deftige Pub-Speisen. Zu erreichen ist es, da hinter der Sicherheitskontrolle gelegen, nur für Fluggäste, die vom Terminal 1 abfliegen.
Mill Street Pub at Pearson
6301 Silver Dart Drive
Mississauga
ON L5P 1B2
Kanada
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