Hell’s Basement Brewery Inc.
Medicine Hat
CAN

Rudyard Kipling, der Autor des Dschungelbuchs, bereiste einst Kanada und besuchte unter anderem eine Stadt mit dem wunderlichen Namen Medicine Hat. Eine Stadt inmitten der Prärie, die ihren Namen dem Platzmangel auf einer zeitgenössischen Landkarte verdankt. Hier lebten einst indigene Menschen, deren Medizinmann eine Kopfbedeckung aus Adlerfedern („Saamis“) getragen hat – den Hut des Medizinmanns, Medicine Man’s Hat. Der Zeichner der Landkarte hatte nicht genug Platz, und so wurde aus dem Ort Medicine Man’s Hat einfach nur Medicine Hat.

Die Siedlung entstand, weil man hier einst ein großes Gasvorkommen entdeckt hatte, und vorübergehend dachte man dann sogar darüber nach, die Stadt in Gasburg umzubenennen. Kipling gefiel dieser Gedanke überhaupt nicht, und in einem seiner Reiseberichte schrieb er 1910 „And don’t you ever think of changing the name of your town. It’s all your own and the only Hat of its kind on earth.“ Es blieb also bei dem Namen Medicine Hat.

Aber die Stadt trägt auch noch einen informellen Namen, nämlich Hell’s Basement, der Keller der Hölle. Auch diesen Namen hat sie Rudyard Kipling zu verdanken, der nämlich angesichts der Tatsache, dass die Stadt auf riesigen, brennbaren und oft auch abbrennenden Gasvorräten gründet, in seinen Notizen bemerkte: „This part of the country seems to have All Hell for a basement, and the only trap door appears to be in Medicine Hat.“

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klare Ansage

Hell’s Basement – der Spitzname der Stadt ist auch der Name der Brauerei, vor der ich gerade steht. Die Hell’s Basement Brewery Inc. ist die älteste Brauerei der Stadt, „immerhin“ drei Monate älter als die Medicine Hat Brewing Company, in der ich gestern zu Gast war.

2016 ist die Brauerei eröffnet worden, und sie befindet sich in einem Gewerbegebiet zwischen dem Trans-Canada Highway und dem kleinen Flughafen der Stadt. Die mit dunkelgrauem Stein verkleidete Wand der simplen Halle ist mit einer großen, leuchtend grünen Hopfendolde verziert, deren zentrale Spindel die Form des 65 m hohen größten Tipis der Welt hat, des Saamis Teepee – dem Wahrzeichen der Stadt. Ein paar hölzerne Biertische und -bänke stehen vor der Brauerei, aber jetzt, in der noch sengenden Nachmittagssonne des 24. Juli 2019, verkriechen sich die Gäste lieber im angenehm klimatisierten Taproom im Inneren der Halle.

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die Hopfendolde mit dem Tipi als Spindel

Eine kleine Theke gleich hinter dem Eingang lädt zum ersten Hinsetzen ein. Ein Blick auf die schwarze Kreidetafel: Elf bis dreizehn verschiedene Gebräue kann man hier probieren – je nachdem, ob man den Cider und das alkoholfreie Rootbeer mitzählt oder nicht. Natürlich gibt es hier, wie fast überall in den Kleinbrauereien Nordamerikas, Tasting Boards, und so bestelle ich mir zunächst eine Auswahl von vier Bieren zur Probe.

Den Anfang macht das Huruhuru, ein New Zealand Pale Ale mit 5,2% Alkohol. Gehopft mit neuseeländischem Hopfen präsentiert es angenehme und ungewöhnliche fruchtige Aromen für Nase, Zunge und Gaumen. Ein schöner Auftakt. Bitte gerne weiter so.

Bier Nummer 2 ist ein fünfprozentiges Blond Ale namens Boxcar Comforts. Ist es wirklich nicht so überzeugend oder ist es nur der Gegensatz zum Huruhuru, das durchaus Maßstäbe gesetzt hat? Ich empfinde es als etwas muffig und dumpf und bin gar nicht zufrieden.

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Bierprobe mit Tipi im Hintergrund

Das dritte Bier überzeugt dann aber wieder. Ein 6,6%iges India Pale Ale mit dem Namen All Hops for a Basement ist kräftig gehopft, bietet fruchtige und leicht kräuterige Aromen für die Nase und eine kernige Bittere für die Zunge und den Gaumen. Schön! Seine fast schon orange leuchtende Farbe lässt es in dem kleinen Probiergläschen fast wie eine Grapefruit-Limonade wirken.

Das letzte Bier der ersten Runde heißt einfach nur Polly’s. Ein Pale Ale V 4.0, ergänzt die Bierliste und lässt mich mit dieser Bezeichnung ratlos zurück. Die vierte Version eines Pale Ales? Oder was ist damit gemeint? Fünf Prozent Alkohol, schöne kräuterige Hopfenaromen und eine nicht zu kräftige, aber stets präsente Bittere gefallen und ergeben eine hohe Durchtrinkbarkeit. Ein Bier, von dem ich ohne zu zögern auch zwei oder drei große Gläser trinken könnte.

Ein zweites Tasting Board mag ich mir noch gönnen. Der Arbeitstag war anstrengend, die Hitze hat mir durchaus zugesetzt, da darf ich mich mit noch ein paar kleinen Gläschen belohnen.

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Tasting Board

Es wird etwas exotischer. Lemon Verbena, ein Infused Pale Ale mit nur 4,3% Alkohol, überrascht mit frischen, zitrusartigen und leicht kräuterigen Aromakomponenten. Spritzig, leicht und erfrischend – ein schönes Sommerbier.

Das Fruit Bat, ein ganz leicht säuerlich-frisches Raspberry Ale, strömt intensive Himbeeraromen aus, die mir das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen. Ebenfalls nur 4,3% Alkohol, und ebenfalls ein schönes Sommerbier. Eine feine Erfrischung zum Feierabend.

Es bleibt fruchtig. Das Denali Llama, ein Mega-Hopped Pineapple Pale Ale, bezieht seine Aromen allerdings ausschließlich aus den verwendeten Hopfensorten. Fünf Prozent Alkohol hat es, weist intensive Ananas-Aromen auf, erweist sich auf der Zunge und am Gaumen aber eher als harzig, denn als fruchtig. Ein schöner Gegensatz zwischen Geruch und Geschmack, allerdings einer, der nach den beiden erfrischenden Frucht- und Sauerbieren etwas zu erdig wirkt. Ein schönes Bier, aber in der Reihenfolge völlig deplatziert und damit leicht abfallend.

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Tap Handles

Mal sehen, ob das achte und letzte Bier wieder frischer und sommerlicher wird. Der Name, Strawberry Feels Forever, macht Hoffnung. Ein Wheat Ale mit fünf Prozent Alkohol ist es, und in der Tat: Die Erdbeer-Aromen sind sehr präsent. Und auch wenn hier ebenfalls die Aromen vorrangig aus dem Hopfen und den Estern der Hefe, nicht aber aus echten Früchten stammen, ist es durch seine Spritzigkeit sehr angenehm und erfrischen. Fein.

In der Summe also ein sehr schöner Reigen von gut trinkbaren und erfrischenden Bieren – wenn man vielleicht mal vom Blond Ale absieht.

Ich setze mich noch einen Moment an die Theke, und wie es immer so ist. Man kommt ins Gespräch und es bedarf keiner langen Überredung, um doch noch ein weiteres Bierpröbchen zu bestellen. Also, dann nehmen wir doch das Thema Ananas noch einmal auf! Pineapple Yard nennt sich das 6,2%ige Milkshake IPA, und erneut erlebe ich den Kontrast zwischen fruchtig-frischen Ananasnoten im Aroma und einer eher soliden, wenig fruchtigen, dafür aber recht kernigen Bittere auf der Zunge. Nicht übel.

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plötzlich stehen wir im Sudhaus

Wir erzählen und kommen von Hölzchen auf Stöckchen, und plötzlich finde ich mich mit Headbrewer, der Barfrau und ein paar anderen Gästen im Sudhaus wieder. Die schmucke und recht große Edelstahlanlage (immerhin rund 30 hl), die langen Reihen von silbrig glänzenden ZKGs, eine kleine, nur rund 50 l fassende Pilotanlage, um neue Rezepte zu testen, das Malzlager mit Säcken aus zahlreichen verschiedenen Mälzereien weltweit, die vielen Hopfensäcke – im Eiltempo laufen wir einmal durch die große Halle, und ich bin beeindruckt. Wir haben zwar nicht allzu viel Zeit, denn der Taproom ist gut besetzt, und die Gäste haben Durst, aber Headbrewer und Barfrau zeigen uns alle Winkel, bevor sie uns freundlich wieder zurück an die Bar bitten. Ein zwar kurzer, aber sehr herzlich und freundlich präsentierter Rundgang.

Na gut, nach diesem Spaziergang habe ich mir noch ein letztes, ein allerletztes Bierpröbchen verdient. Dann muss aber wirklich Schluss sein – im Hotelzimmer wartet auf meinem Laptop noch ein bisschen Arbeit auf mich. Das Brown Ale mit dem Namen Ryes against the Machine bildet also für heute den Abschloss. 6,3% Alkohol, ein paar ganz dezente brotige Aromen und ein recht voller, fast schon etwas mastiger, malziger Geschmack prägen das Bier. Nicht mein Lieblingsbierstil, aber dennoch sehr ordentlich gebraut.

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im „Maschinenraum“ des Taprooms

Ein schöner Brauereibesuch, und ich wundere mich einmal mehr, dass Kleinbrauereien, die in irgendeinem Gewerbegebiet versteckt liegen, doch so viel Gäste haben. Zufällig kommt man hier ganz gewiss nicht vorbei, klassische Laufkundschaft gibt es hier nicht. Aber viele Menschen kommen nach der Arbeit mit dem Wagen noch auf ein oder zwei Biere und vielleicht einen kleinen Imbiss vorbei, bevor es endgültig nachhause geht. Es scheint gut zu laufen.

Der Taproom der Hell’s Basement Brewery Inc. ist täglich von 12:00 bis 21:00 Uhr, sonntags von 13:00 bis 17:00 Uhr geöffnet; kein Ruhetag. Es gibt kleine Snacks, und wer größeren Hunger hat, kann sein eigenes Essen mitbringen oder beispielsweise vom Pizzaservice bringen lassen. Zu erreichen ist die Brauerei nur mit dem Auto; im Gewerbegebiet stehen genügend Parkmöglichkeiten zur Verfügung.

Nachtrag 8. August 2020: Da habe ich doch mal gedacht, mit der Hell’s Basement Brewery Inc. in einer unbedeutenden Kleinstadt irgendwo im kanadischen Nirgendwo hätte ich mal eine Brauerei besucht, die in den deutschen Medien völlig unbekannt ist.

Weit gefehlt: Kaum ein Jahr später stand diese kleine Brauerei plötzlich im Mittelpunkt der Boulevard-Geschichten und Anekdoten, und um das zu erläutern, zitiere ich am besten die kurze Randnotiz in der Rubrik „Leute“ der Süddeutschen Zeitung von heute:

„Mike Patriquin: Der kanadische Brauereigründer hat sich für einen Übersetzungsfehler entschuldigt. Die ‚Hell’s Basement Brewery‘ in Alberta hatte ein Bier namens ‚Huruhuru New Zealand Hopped Pale Ale‘ auf den Markt gebracht, in der Annahme, das Maori-Wort bedeute ‚Feder‘. Das stimmt tatsächlich, aber die Maori-Sprachkommission wies darauf hin, dass die Hauptbedeutung ‚Schamhaar‘ sei. Es sei nie die Absicht der Firma gewesen, die Kultur der Maori zu beleidigen, sagte Patriquin zu Radio New Zealand. Man habe ausdrücken wollen, dass das Pale Ale leicht wie eine Feder sei. Das Bier werde umbenannt.“

Soweit also die Zeitungsmeldung von heute.

Mir hat das Bier geschmeckt, und das hätte es auch, wenn es nicht „Feder“ sondern „Schamhaar“ geheißen hätte.

Bilder

Hell’s Basement Brewery Inc.
552 18 St SW #102
Medicine Hat
AB T1A 8A7
Kanada

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