Manchmal führt einen das Schicksal an der Nase herum. Da hat man die Möglichkeit, an einem Sonntag zwei kleine Brauereien zu besuchen, weiß aber genau, dass man anschließend noch fahren muss. Und da es sich um Brauereien in Tschechien handelt, hier die 0,0‰-Grenze gilt und diese auch noch – zu Recht! – verhältnismäßig streng durchgesetzt wird, heißt es also, abstinent zu bleiben, die Biere nur von weitem betrachten und zu hoffen, dass es Biere zum Mitnehmen gibt.
In der Rodinný Pivovar Zichovec v Lounech war das eben der Fall. Dort habe ich ein großes Glas Wasser getrunken und mir den Rucksack mit zahlreichen Flaschen füllen können. Ob es jetzt, an der zweiten Station, der Minipivovar Lounský Žejdlík, genauso gehen wird?
Von außen macht die kleine Brauerei nicht viel her. Ein umgebautes Eckhaus, in großen Lettern steht Minipivovar Domov an der Wand, und zwischen den Fenstern sehen wir Malereien mit stilisierten Hopfenranken und -dolden. Der eigentliche Name der häuslichen Minibrauerei, wie man diesen Schriftzug in etwa übersetzen kann, ist aber Lounský Žejdlík. Der Žejdlík ist ein altes tschechisches Flüssigkeitsmaß, eine Maßeinheit für Bier und andere Getränke. Ein Žejdlík entspricht einem knappen halben Liter, je nach Region 0,4803 oder 0,4765 Liter. Sprachlich hat der Žejdlík den gleichen Ursprung wie der österreichische Seidel, beide Begriffe klingen nicht nur ähnlich, sondern stammen auch von der gleichen lateinischen Wurzel ab, nämlich dem Wort Situla für Eimer.
Gehen wir also auf ein Launer Seidel, auf ein Lounský Žejdlík, heißt es, aber ich zucke nur mit den Schultern. Etwas essen, ja, sich das kleine Sudwerk anschauen, das auch, aber ein Seidelchen, ein Žejdlík, trinken, das wohl eher nicht. Ein bisschen missmutig stapfe ich in den Schankraum.
Der Missmut ist aber rasch verflogen. Wir stehen in einem klassischen tschechischen Gastraum. Hell, offen und schlicht. Aber sympathisch. Einfache Holzstühle und Holztische ohne Tischdecken und ohne großen Firlefanz. Bierstuben und Bierhallen in Tschechien sind immer sehr simpel eingerichtet, und die kleine Wandmalerei an der Stirnwand, die das Gebäude zeigt, in dem wir stehen, ist in gewisser Weise schon dekorativer Luxus.
Direkt vor uns steht das Sudwerk, zwei kleine Kupfergeräte nur. Auch sie sind schlicht und simpel, weder sind sie auf Hochglanz poliert noch fallen sie durch extravagante Formen auf. Einfach nur zwei zylindrische Geräte, das Kupfer matt, aber sauber, und die Verrohrung dazwischen zweckmäßig und ohne Verkleidung offen sichtbar. Zwei Hektoliter Bier entstehen hier pro Sud – nicht gerade sehr viel.
Insbesondere nicht, wenn man bedenkt, dass die Lagertanks im Keller eine Größe von 1000 Litern haben. Da muss dann schon vier bis fünf Mal hintereinander gebraut werden, um einen Tank zu füllen.
Ob die Biere diesen Aufwand lohnen? Gerne würde ich das jetzt gleich erfahren, aber dem steht ja die 0,0‰-Grenze entgegen. Zum Glück gibt es aber PET-Flaschen zum Mitnehmen, wie ich beim Betreten der Brauerei bereits aus dem Augenwinkel gesehen habe: Direkt im Eingangsbereich steht ein großer Kühlschrank mit frisch abgefülltem Bier.
Trinken darf ich nicht, essen aber! Die Küche ist simpel, einfache Hausmannskost, aber sehr schmackhaft. Insbesondere das Tagesgericht ist auch extrem preiswert. Die freundliche und aufmerksame Bedienung spricht ein paar Brocken Englisch und Deutsch, so dass wir uns recht gut verständigen können, und die wichtigsten Worte und Ausdrücke (Knödel, viel Fleisch, große Portionen) kommen fehlerfrei rüber. Statt Bier gibt es für mich zum Essen eine hausgemachte Limonade. Auch das ist typisch für die tschechischen Dorfgaststätten. Man setzt mit Fruchtsäften, Sirupen oder Früchten eigene Limonaden an. Jede Kneipe, jeder Gasthof, jedes Restaurant hat da ein eigenes Rezept, aber da sie frisch und mit Liebe zubereitet werden, schmecken diese Limonaden eigentlich immer.
Von meinem Platz aus kann ich die Theke sehen. Vier Zapfhähne sind dort installiert. Neben einem einfachen Hellen (Světlý Ležák) und einem Dunklen (Tmavá) gibt es zwei unbeschriftete Hähne, aus denen Saisonbiere fließen. Beworben wird derzeit das Lemur, ein Summer Ale. Vorher hatte es das Iowa, ein American Pale Ale gegeben. Beide Biere erstehe ich in PET-Flaschen zum Mitnehmen. Zwar ist es noch ein Weilchen, bis ich daheim sein werde, aber gut eingepackt, vor Licht und Wärme geschützt, werden die Flaschen die Reise wohl überstehen.
(Und wie sich später zeigen wird, sind sowohl das Lemur Red Ale als auch das Iowa APA mit jeweils 4,9% Alkohol sehr schmackhaft und vorzügliche Vertreter ihres jeweiligen Bierstils.)
Eine kleine, unprätentiöse Brauerei. Nichts zum Herzeigen, nichts, um eine große Schau abzuziehen oder um überregional Aufmerksamkeit zu erregen. Stattdessen eine ansprechende Eckkneipe mit Restaurationsbetrieb, in der sich Nachbarn, Freunde und Bekannte einfinden und wohlfühlen. Man braut sein eigenes Bier, macht aber kein großes Aufheben davon. Das eigene Bier ist da, es schmeckt, es kostet nicht allzu viel, es ist immer genug davon da. So soll es sein!
Die 2013 eröffnete Minipivovar Lounský Žejdlík ist täglich ab 10:30 Uhr, sonnabends und sonntags „erst“ ab 11:00 Uhr durchgehend geöffnet; kein Ruhetag. Vom Bahnhof Louny Střed aus sind es etwa fünf Minuten Fußweg; kommt man, wie ich, mit dem Auto, kann man gebührenfrei direkt vor der Tür parken.
Minipivovar Lounský Žejdlík
Rybalkova 1323
440 01 Louny
Tschechien
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