Zichovec? Ach, eigentlich ist das nicht mehr als ein winziges Dorf in Böhmen mit gerade mal etwas mehr als 100 Einwohnern. Und doch ist es in Bierliebhaberkreisen gut bekannt, denn hier ist 2012 eine kleine Brauerei entstanden, die rasch mit guten und solide gebrauten, aber auch mit neuartigen experimentellen Bieren auf sich aufmerksam gemacht hat, die Rodinný Pivovar Zichovec.
Mitten auf der Wiese war die Brauerei errichtet worden, und zwar als klassische Gasthausbrauerei. Kupferne Sudkessel, ein großer Schankraum mit Restaurant und die Möglichkeit, hier auch zu übernachten. Die Qualität der Biere schien überzeugt zu haben, denn innerhalb von knapp drei Jahren erreichte man die Maximalkapazität von 1000 hl pro Jahr. Die Nachfrage war damit aber noch lange nicht gestillt.
So entschloss sich die Betreiberfamilie, eine zweite Brauerei zu errichten, und zwar ein paar Kilometer weiter nördlich auf dem Gelände einer aufgelassenen Kaserne am östlichen Stadtrand von Louny. Klotzen, nicht kleckern, sollte es diesmal heißen, und Anfang 2016 wurde der Betrieb eines Sudhauses mit 30 hl Ausschlagmenge aufgenommen.
Genau vor dieser noch jungen Brauerei stehen wir jetzt, vor der Rodinný Pivovar Zichovec v Lounech. Ein mit großen Glasflächen offen gestalteter brauner „Schuhkarton“ bildet das Erdgeschoss mit einem Taproom, direkt anschließend steht ein Turm mit drei Stockwerken, in dem das Sudhaus untergebracht ist.
Ein kurzer Blick auf die Uhr – ab 12:00 Uhr soll der Taproom heute geöffnet sein. Es ist 12:06 Uhr. Also, hinein!
Wir sind die ersten Gäste für heute. Uns empfängt ein offener, heller Raum mit einfachen Holztischen. Linker Hand ein paar Regale als Raumteiler, in denen verschiedene Bierflaschen, Bierbücher und ein paar andere Utensilien ein wenig Schmuck in den Raum bringen, und gerade vor uns die Bar. Beim Näherkommen stellen wir fest, dass die Bar aus alten Panzerketten gebaut ist, die hochkant aufeinanderliegen und die Theke tragen – eine Reminiszenz an die Kaserne, die sich einst auf diesem Gelände befunden hat.
Die junge Dame hinter der Theke strahlt uns an. So viel Besuch zu so früher Zeit… Sechs verschiedene Biere vom Fass haben wir zur Auswahl. Ganz klassisch ein Zehner und ein Zwölfer Ležák, ebenso klassisch ein Dreizehner Speciál als Dunkles. Die anderen drei Biere sind ein American Pale Ale, ein Roggen IPA und ein Sauerbier mit Passionsfrucht. Hm, die Auswahl fällt schwer, insbesondere, da es zur Mittagszeit vielleicht nicht die beste Idee ist, schon sechs verschiedene Biere zu trinken. Der Tag wäre gelaufen…
Die Barfrau weiß aber Rat und deutet auf die beiden großen Kühlschränke neben der Theke. Alle Biere, die am Hahn sind, und noch viele, viele mehr werden auch in der Flasche angeboten. Und zwar nicht nur vom Zapfhahn in die PET-Flasche abgefüllt, sondern direkt aus dem Lagertank in eine Glasflasche und somit auch ein bisschen länger haltbar. So wird denn sorgfältig ausgewählt, Rucksäcke werden gefüllt, und lange Kassenbons ziehen sich aus dem Drucker. Es ist noch nicht einmal halb eins, und die Barfrau ist hoch zufrieden. Eigentlich ist der erwartete Tagesumsatz jetzt schon fast erreicht.
Wir setzen uns natürlich trotzdem noch einen Moment hin, trinken auch vom Fassbier, und nach einem Moment, als ich feststelle, dass nach wie vor außer uns keine Gäste da sind, frage ich die junge Frau, ob sie uns nicht einfach mal die Brauerei zeigen könne. Nur mal einen schnellen Blick ins Sudhaus?
„Klar!“ Sie lacht. „Wir müssen nur jederzeit abbrechen können, wenn andere Gäste kommen!“
In Windeseile erklimmen wir zunächst den Turm. Ganz oben ist eine kleine Terrasse. Bei wärmerem Wetter könnten wir auch hier oben sitzen und unser Bier genießen – im kühlen Wind heute wäre es aber zu frisch. Aber für ein paar Bilder von der Umgebung reicht es.
Jetzt geht es aber ins eigentliche Sudhaus. Die Tür geht auf, und unsere Augen gehen uns über. Endlose Reihen von stählernen Gär- und Lagertanks, und linker Hand eine große und nach neuestem Stand der Technik errichtete Anlage mit 30 hl Ausschlagmenge. Meistens ist es ja nicht die Sudhausgröße, die die Kapazität einer Kleinbrauerei begrenzt, sondern das Lagervolumen. Hier aber scheint man alles richtig gemacht zu haben – die vielen, vielen Tanks können gewaltige Mengen an Bier aufnehmen. Eine klassische Industriebrauerei hätte hier ein paar riesige ZKGs hingestellt und wäre damit zufrieden, aber ein so breites Angebot, wie es die Rodinný Pivovar Zichovec auf den Markt bringen möchte, lässt sich nur mit vielen, vielen kleineren Tanks realisieren.
Hinter den Lagertanks entdecken wir die Abfüllung. Dosen und Flaschen werden hier gefüllt. Noch ein paar Schritte weiter sehen wir große Regale mit Holzfässern – dutzende gebrauchte Fässer stehen hier, in denen Sauerbiere reifen oder Barrel-Aged-Biere entstehen.
Wir staunen. Hier hat eine Familie richtig Geld in die Hand genommen und investiert. Nirgends wurde gespart, überall sind die Installationen ausreichend dimensioniert, um die Produktion noch weiter steigern zu können. Beeindruckend!
„Es kommen Gäste, ich muss zurück an die Bar“, heißt es, und wir müssen das Sudhaus wieder verlassen. Aber immerhin – der kurze, beeindruckende Rundgang wird uns im Gedächtnis bleiben.
Ein letztes, kleines Bier noch, und dann schnappen wir uns unsere vollgepackten Rucksäcke. Unter leisem Klimpern der Flaschen geht es zu Fuß wieder zurück nach Louny, vielleicht zehn oder fünfzehn Minuten, mehr ist es gar nicht. Eine brandneue, auf Produktion, nicht auf Bewirtschaftung ausgerichtete Brauerei direkt am Stadtrand, aber mit schönem Taproom. Der kleine Abstecher hat sich gelohnt!
Der Taproom der Rodinný Pivovar Zichovec v Lounech ist täglich ab 13:00 Uhr, sonnabends und sonntags bereits ab 12:00 Uhr geöffnet; kein Ruhetag. Zu Fuß erreicht man die Brauerei in weniger als einer Viertelstunde vom Bahnhof Louny Střed aus. Kommt man mit dem Auto (um sich mit Flaschen einzudecken), kann man direkt vor der Brauerei gebührenfrei parken.
Rodinný Pivovar Zichovec v Lounech
ulice 5. Května 2789
44 001 Louny
Tschechien
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