Dva Kohouti
Praha
CZE

Es vergeht wohl kaum ein Monat, in dem nicht in Prag schon wieder eine neue Brauerei eröffnet – je nachdem, wie großzügig man die Vororte der tschechischen Hauptstadt mit einbezieht, kommt man mittlerweile entweder auf knapp vierzig oder sogar weit über vierzig Brauereien. Da dürfte es auch dem standhaftesten Touristen schwerfallen, sie alle an einem verlängerten Wochenende abzuklappern. Oder auch nur in einer viel zu kurzen Urlaubswoche…

Eine der Brauereien jüngeren Datums ist die Dva Kohouti (Zwei Hähne), die im Dezember 2018 im Stadtteil Karlín eröffnet hat, und zwar im sogenannten Dům U Města Hamburku, dem „Haus zur Stadt Hamburg“. Der bekannte Name hinter diesem Projekt ist Adam Matuška, der bereits in Broumy seiner Familienbrauerei Pivovar Matuška frischen Schwung verliehen hat und als Pionier und treibende Kraft der tschechischen Craftbier-Bewegung gilt. Zusammen mit Lukáš Svoboda, einem mehrfach ausgezeichneten Bartender, hat er Dva Kohouti gestartet und unter das Motto gestellt: „Wir bringen zwei handwerkliche Tätigkeiten zusammen: Das Brauen und das Ausschenken.“

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Blick in die Halle im Erdgeschoss des Dům U Města Hamburku

Das alte, zwar historische, aber sehr heruntergekommene Erdgeschoss des Hauses zur Stadt Hamburg im Stadtteil Karlín bot das richtige Ambiente, und so wurde unter anderem aus Material, das in der Familienbrauerei in Broumy nicht mehr gebraucht wurde, hier eine Brauerei mit Ausschank errichtet.

Die Straßenbahn hat mich zwar bis in unmittelbare Nähe gebracht, aber für einen Moment stutze ich. Nur ein winziges Hinweisschild zeigt mir den Weg in einen schmalen Durchgang. Ob ich wohl mit den falschen Erwartungen hergekommen bin? Ein paar Schritte, und vor mir öffnet sich ein großer Innenhof mit Biertischen und -bänken und einer wuseligen Szene. Nein, die Erwartungen haben schon gepasst, aber es spielt sich alles im Hof des Gebäudes ab, und wäre ich von der anderen Seite her gekommen, hätte ich durch den hohen Zaun alles schon von weitem sehen können.

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Blick aufs Sudwerk

Ich gehe durch den Biergarten und betrete die Halle im Erdgeschoss. An der Stirnseite links steht das Sudwerk, an der Rückwand geradeaus finden nebeneinander eine lange Reihe Lagertanks und eine Ausschanktheke Platz. Vor den Tanks gibt es einige langgestreckte Stehtische, vor der Theke ein paar ebenso langgestreckte Tische mit Bierbänken. Hinter der Theke stehen Ausschanktanks, aus denen das Bier direkt gezapft wird. Alles ist offen einsehbar, und man bekommt das Gefühl vermittelt, mitten im Sudhaus zu sitzen und sein Bier zu trinken. Tut man in gewisser Weise ja auch.

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eine lange Reihe Lagertanks

Das Verfahren ist einfach: Man liest an der großen, weißen, neonbeleuchteten Tafel über der Theke ab, was im Angebot ist, bestellt und bezahlt an der Kasse am Anfang der Theke, und mit dem Bon, den man dann bekommt, geht man ein paar Schritte weiter zum Zapfer und erhält dort sein Bier. Als Alleintrinker muss man darauf vertrauen, dass sich nicht in der Zwischenzeit jemand auf seinen Platz gesetzt hat, kommt man zu mehreren, geht natürlich immer einer für alle zum Bierholen.

Die Auswahl ist begrenzt. Um genau zu sein: Wenn man ein vor Ort gebrautes Bier haben möchte, gibt es genau eins, nämlich das Místní Ležák 12°, das zwölfgrädige „Lokale Lager“ mit 4,9% Alkohol. Alle anderen angebotenen Biere stammen aus dem Stammhaus der Familie Matuška in Broumy oder von befreundeten Kleinbrauereien. Schon eine schöne Auswahl, aber eben nur ein einziges Bier „von hier“.

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Místní Ležák 12°

Ich bestelle es mir und stelle mich an einen der Stehtische vor dem Sudwerk. Es schaut ja gut aus, das Bier. Ein schöner weißer Schaum, eine ins Orangene tendierende Farbe, eine gleichmäßige Trübung. Aber ach, schon der Geruch schreckt etwas ab: Deutliche Schwefelaromen spüre ich. Aromen, die manche Lagerhefen während der Gärung produzieren, die aber beim fertigen, ausgereiften Bier längst verschwunden sein sollten. Hier sind sie noch sehr präsent, so, als ob das Bier zu jung in den Ausschank gekommen ist. Auch im Geschmack finden sich diese Schwefelnoten wieder, lediglich ein bisschen dadurch gemildert, dass das Bier viel zu kalt gezapft worden ist und die Geschmacksnerven dadurch fast ein bisschen betäubt.

Schade, ich bin enttäuscht.

Deutlich besser hingegen gefällt mir das California American Pale Ale, ebenfalls mit 12° Stammwürze und mit 5,2% Alkohol. Gebraut im „Mutterhaus“ in Broumy. Schöne Hopfenaromen in der Nase, eine präsente Bittere auf der Zunge, keine Spur von Schwefel. Und genauso süffig wie ein einfaches Lagerbier. Na bitte, es geht doch. Zufrieden genieße ich das APA, stehe noch ein Weilchen vor dem Sudhaus und genieße die entspannte, wenn auch sehr rustikale Atmosphäre.

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im Biergarten in der Dämmerung

Ein drittes Bier gönne ich mir noch, und das genieße ich draußen im Biergarten in der Dämmerung. Das Raptor IPA, ebenfalls aus dem Mutterhaus, der Pivovar Matuška. 15° Stammwürze hat es, 6,3% Alkohol, und als typisches India Pale Ale gefällt es mit im Duft leicht fruchtigen, etwas harzigen Aromen und dann einem kernigen, stark bitteren Schluck, den ein kräftiger Malzkörper nur in Teilen ausbalancieren kann. Ein robustes Bier für den eher langsamen Genuss. Für das Sinnieren bei langsam untergehender Sonne. Nicht gegen den Durst, denn die Hopfenbittere erneuert das Durstgefühl nach jedem Schluck.

Während drinnen in der Halle das Prinzip Industrial Chic vielleicht fast schon zu weit getrieben worden ist und alles arg verranzt aussieht, strömt der Biergarten speziell ab Einbruch der Dämmerung eine gemütliche Atmosphäre aus. Vom Neon-Schriftzug Dva Kohouti und den Lichtern der breiten Straße neben an erhellt, sitzen die Gäste, vorwiegend junge Leute, an den Biertischen und lassen es sich gut gehen. Das Bier fließt in Strömen, und natürlich bekommt man nach den ersten Schlucken bereits Appetit.

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Fire Food

Street Food Trucks stehen am anderen Ende des Innenhofs und bieten deftige, teils originelle Kost an. Fire Food, zum Beispiel. Scharfe Küche, präpariert und verkauft in einem umgebauten Feuerwehrauto.

So lässt es sich hier im Halbdunkel ganz wunderbar sitzen, solange die Temperaturen es zulassen. Wie so oft in Tschechien bedarf es keiner Musik, keines künstlichen Animationsprogramms oder sonstiger Hau-Ruck-Unterhaltung, sondern man sitzt beieinander, trinkt Bier in beachtlichen Mengen, isst und unterhält sich. Stundenlang.

Die kleine Brauerei Dva Kohouti ist täglich ab 16:00 Uhr, sonnabends und sonntags bereits ab 12:00 Uhr geöffnet. Neben Bier gibt es Speisen aus draußen vor der Tür geparkten Street Food Trucks. Zu erreichen ist die Brauerei mit den Straßenbahnlinien 3, 8 und 24, Haltestelle Karlínské Náměstí, oder mit der Metrolinie B, Haltestelle Křižíkova. Von dort aus sind es zwei bis drei Minuten zu Fuß.

Bilder

Dva Kohouti
Sokolovská 81/55
186 00 Praha
Tschechien

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