Francis – Beer Café
Plzeň
CZE

Ein bisschen dumm komme ich mir vor. Ich bin auf der Suche nach dem Francis – Beer Café in Pilsen. Vorhin, im Hotel, hatte ich noch schnell nach der Adresse geschaut. Náměstí Republiky, Platz der Republik. Alles klar, dachte ich, den Platz kenne ich. Der große Marktplatz im Stadtzentrum, mit der Bartholomäus-Kathedrale mittendrauf. Da brauche ich weder Stadtplan noch Navi, das ist problemlos auch so zu finden.

Jetzt stehe ich mit meiner holden Ehefrau mitten auf dem Platz. Einmal haben wir ihn gerade umrundet, sind gemütlich an den vielen Lädchen, Bars und Cafés vorbeigebummelt, haben mal hier geschaut und mal da. Und nebenbei darauf gehofft, dass uns das Francis vor die Füße fällt.

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Abgelenkt?

Ist es aber nicht. Vielleicht waren wir abgelenkt von den vielen hundert Kerzen, Grablichtern und Blumen, die in Gedenken an den gerade verstorbenen Karel Gott vor dem Rathaus stehen und liegen?

Sind wir wirklich dran vorbeigelaufen? An einer Craft-Bier-Adresse? Ohne es zu merken? „Was ist mit Deinem Spürsinn?“ Meine Frau grinst mich frech an, und ich stehe vor der Entscheidung: Drehen wir noch eine Runde, oder ziehe ich jetzt doch das schlaue Telefon aus der Tasche und schaue noch einmal genau im Navi nach?

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versteckt im Hinterhof

Ich entschließe mich zu Letzterem, und eine Minute später stehen wir vor dem zugegebenermaßen sehr versteckt liegenden Biercafé. In zweiter Reihe, im Hinterhof, nur durch einen schmalen Durchgang erreichbar, einen Durchgang, der vertrackterweise auch noch einmal nach rechts und wieder nach links abknickt, so dass man auch, wenn man in ihn hineinschaut, das Biercafé noch gar nicht sieht.

Jetzt aber: Vor uns die kleine und unauffällige Holztür, darüber der schlichte Schriftzug Francis.

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Francis

Wir gehen hindurch und stehen in einem winzigen Raum. Rechts von uns eine ganz kleine Theke, davor nur wenig Platz, um im Stehen an der Bar ein Bier zu trinken, und linker Hand geht es in einen nicht allzu großen, aber gemütlich eingerichteten Raum. Ein großes, schwarzes Ledersofa, ein paar kleine Tische, an der Wand steht ein Klavier, und vor dem Fenster steht noch ein zweites, kleineres Sofa mit einem roten Stoffüberwurf. Die Wände sind zum Teil in Dunkelrot gestrichen und verleihen dem Raum eine warme, intime, aber nicht schwüle, schwitzige Atmosphäre.

Zufrieden lässt sich meine Frau auf das rote Sofa fallen und fläzt sich hin. „Hol uns mal was Leckeres!“

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warme Holz- und Rottöne machen den Raum gemütlich

Ich gehe zur Theke und lasse mich von dem freundlichen jungen Mann ein bisschen beraten. Viele Zapfhähne gibt es nicht, und auch der Kühlschrank neben der Theke ist verhältnismäßig leer. Ich muss wohl ein wenig erschrocken aussehen, denn der Barmann beeilt sich, mir zu versichern, dass es hier nicht immer so aussähe. „Wir haben diese Woche leider keine Lieferung bekommen. Sonst ist der Kühlschrank immer gut voll…“, erklärt er entschuldigend.

Ich bin jetzt aber mal neugierig, was er vom Hahn an Spezialitäten anzubieten hat, und ob sich drunter vielleicht etwas Kräftigeres findet, mit vollem, rundem Geschmack. Er grinst. Ja, derzeit habe er einen Kollaborationssud der Sisters Brewery aus den Niederlanden mit der Pivovar Raven aus Pilsen. Waffle Dance hieße das Bier, und es sei ein Stroopwafel Ale, also mit dem Sirup gebraut, denn die Holländer so gerne auf ihre Waffeln gießen würden. Das hört sich gut an, und stolz trage ich das rötlich schimmernde Bier zurück zu unserem Tisch.

6,3% Alkohol hat es, der Waffelsirup kommt geschmacklich nur dezent durch. Stattdessen dominiert ein neutral-milder Malzkörper. Ein schönes Bier, wenn auch nicht ganz so exotisch, wie wir uns das anhand der Schilderung erhofft hatten. Aber gut trinkbar.

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reichlich Lesestoff zum Bier

Ich hole noch ein zweites Bier, diesmal in der Flasche. Ein Gulden Draak 9000. Ein belgisches Quadrupel, und ein Bier, dass es in sich hat. Harmlos schaut es in der kleinen, weiß lackierten Flasche aus. Harmlos schmeckt es auch – fruchtig, ein wenig estrig, sehr süffig. Aber mit 10,5% Alkohol holt es heimlich den großen Vorschlaghammer raus, wenn man es zu unbedarft-fröhlich genießt. Hier hat die Brouwerij van Steenberge ganze Arbeit geleistet. Ein Bier, bei dem man sich zwingen muss, langsam zu trinken.

Wir genießen es, dass wir zu relativ früher Stunde noch allein in dem kleinen Nebenraum sitzen. Von der Theke nebenan dringen zwar die Stimmen zu uns rüber, aber sie stören nicht. Im Hintergrund läuft gute Rockmusik aus den 70er Jahren, laut genug, um sie bewusst zu hören, wenn man denn möchte, leise genug, um sie zu ignorieren, wenn man sich stattdessen lieber unterhalten will. Sehr angenehm und tiefenentspannend.

An der Wand entdecke ich ein kleines Bücherregal. Eine merkwürdige Mischung von alten Büchern findet sich dort. Homers Odyssee genauso wie ein deutschsprachiges Buch über die Beatles und etwas alte tschechische Literatur. Aber auch ein großer Stapel Biermagazine zum Blättern und Stöbern. Neben der Theke hängen ein paar alte Vinyl-Schallplatten an der Wand, vermutlich mit der gleichen Musikrichtung wie das, was im Hintergrund läuft. Zeitlose Rockmusik aus meiner Jugend…

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Hände hoch, wer sich noch erinnert!

Ich gehe wieder nach vorne an die Theke und frage nach einer weiteren Empfehlung. Die Biere am Hahn bieten ja keine sehr große Auswahl (auch wenn sie grundsätzlich immer sehr sorgfältig ausgewählt werden), und der Kühlschrank … Nun ja. Wie vorhin schon festgestellt, ist er recht leer.

„Etwas Kräftiges mögt Ihr? Voll und rund? Ein Genussbier, nichts gegen den Durst?“ fragt der Barmann. „Ich glaube, da habe ich noch etwas“, lacht er und greift ziemlich weit unten in den Kühlschrank. Eine 0,75-l-Flasche Imperial Lager der Břevnovský Klášterní Pivovar aus Prag fördert er zutage. Hm, ja, wir haben ja Zeit genug, und da ist eine Dreiviertelliterflasche durchaus eine schöne Option. Noch ein bisschen sitzen, der Musik lauschen, sich unterhalten und die tiefenentspannte Atmosphäre im Francis genießen? Warum eigentlich nicht!

Zwar hat auch dieses Bier reichliche 8,5% Alkohol, dafür bleibt es dann für heute aber auch das letzte, und so genießen wir es. Kräftig gehopft, aber ohne fruchtige oder kräuterige Aromen. Reine, saubere Bittere, ein kräftiger, aber nicht süßlicher Körper dazu. Ein sehr schönes Bier, gewissermaßen ein Pils auf Steroiden. Kernig, und trotzdem gefährlich gut trinkbar. Wenn wir nicht wüssten, dass sich hier 8,5% verstecken, wir würden es nicht merken. Und hätten wir nicht das schlanke Probierglas, wir würden große und gierige Schlucke nehmen. Einfach, weil das Bier so schön trinkbar ist. Eine gute Wahl!

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Imperial Lager vor rotem Sofa

Wie schön muss es hier sein, wenn mehr los ist und wenn auch am Vortag eine ordentliche Bierlieferung gekommen ist… Zwar war auch heute die Auswahl für uns mehr als ausreichend, aber es ist natürlich viel eindrucksvoller, wenn der Kühlschrank aus allen Nähten platzt und nicht mit halbleeren Fächern enttäuscht.

Aber wir wollen nicht meckern, denn das würde dem Francis nicht gerecht. Eine rundum sympathische Bierbar, zum Entspannen und Genießen, mit guter Beratung und netten Menschen. Und mit einem sehr bequemen Sofa, das wir am liebsten gar nicht mehr verlassen wollen…

Die Betreiber des Francis – Beer Café, Adam Vlček und seine jüngere Schwester Alžběta haben neben dem 2013 eröffneten Biercafé ein paar hundert Meter weiter auch ein kleines Bierbistro, in dem es neben einer hervorragenden Bierauswahl auch etwas zu essen gibt, leckere Kleinigkeiten, tagsüber aber gerne auch etwas Süßes und Kaffee, nicht nur Bier: Das Pivstro. Beide, Francis und Pivstro werden unter der Marke Brewhemian betrieben – einem schönen Wortspiel, das nicht nur Bier (Brew) und Böhmen (Bohemia) miteinander verbindet, sondern auch unterstreicht, dass sich Adam und Alžběta trotz ihrer jungen Jahre ein bisschen als Bohèmiennes verstehen, als sich vom Bürgertum etwas abgrenzende Genussmenschen: „Jsme požitkáři každým coulem, milujeme jídlo, milujeme pivo“ („Wir sind mit jedem Zoll Hedonisten, wir lieben das Essen, wir lieben das Bier“), sagen sie von sich selbst. Wenn Plzeňs Bierszene davon profitiert, warum nicht?

Das Francis – Beer Café ist täglich ab 15:00 Uhr, sonnabends und sonntags ab 16:00 Uhr geöffnet; kein Ruhetag. Es liegt zwar direkt am Náměstí Republiky im unmittelbaren Stadtzentrum, ist aber nur zu finden, wenn man am Nordrand des Platzes rechts neben dem Rathaus durch den schmalen Durchgang in den Innenhof geht.

Bilder

Francis – Beer Café
Náměstí Republiky 4/3
301 00 Plzeň
Tschechien

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