Eine Pfannkuchenbar…
Mitten in der Altstadt von Dijon, in der Fußgängerzone, gibt es eine kleine, unauffällige Bar, in der Pfannkuchen serviert werden. Nicht die Pfannkuchen, die in manchen Regionen Deutschlands das bezeichnen, was andernorts Krapfen oder Berliner heißt, sondern klassische, flache Pfannkuchen, Crêpes. In allen Variationen gibt es sie. Zum Beispiel in süß, mit Blaubeeren. Oder in deftig, mit Pilzen und Käse. Mit einfachem Weißmehlteig oder mit Teig aus Vollkornmehl. In klein, Crêpes, als Imbiss, oder in groß, dann heißen sie Galettes, als Hauptgericht, zum Sattwerden.
Nun, bisher habe ich mich noch nicht als Pfannkuchenfanatiker geoutet, insofern ist die Frage berechtigt: Warum erwähne ich hier eine Pfannkuchenbar?
Nun, ganz einfach: Es gibt hier eben nicht nur Pfannkuchen, sondern auch eine ganz vorzügliche Auswahl an kreativen Bieren kleiner Brauereien, und so verdient diese kleine Bar eine Erwähnung und genauere Betrachtung – Les Moulins Bleus – Craft Beer and Food.
Die Blauen Mühlen. Fast wären wir an der kleinen Bar vorbeigelaufen. Die kleinen Gassen Dijons sind voll von kleinen Bars und Cafés, Imbissen und Restaurants. Wenn man überall hineinschnuppern und die Menükarten studieren würde, die Zeit würde nicht reichen, die Sinne würden müde. Ein bisschen muss man sich disziplinieren, sonst bleibt man hängen, trinkt hier, nascht dort und verpasst die Sehenswürdigkeiten. So ist es denn auch nur Glück, dass wir die kleine Tafel sehen: THIS IS CRAFT BEER.
Neugierig kehren wir ein. Uns empfängt ein schlichter, heller Innenraum, simpel eingerichtet wie ein Eiscafé, kühl fast, und noch dazu ist es ganz leer. Ein bisschen ratlos schauen wir uns an. Sollen wir uns als einzige Gäste hier wirklich setzen?
„Ach, komm, es ist früher Nachmittag, auf ein Bierchen wird es schon passen“, denke ich mir. „Danach ist noch genügend Zeit, um sich die Stadt anzusehen!“
Ein freundlicher junger Mann kommt und bringt uns die Karte. Mit nur ein paar Brocken Englisch versucht er uns klarzumachen, dass es zwar im Moment leer sei, dass die Küche aber trotzdem geöffnet habe und es uns somit nicht nur interessante Biere, sondern auch ganz vorzügliche Crêpes und Galettes anbieten könne.
Eigentlich haben wir gar nicht so richtig Hunger, aber sicherheitshalber lassen wir die Karte mal am Tisch, während wir uns Bier bestellen. Vom Fass gibt es nicht viel Auswahl, aber der kleine Kühlschrank neben der winzigen Theke ist sehr gut bestückt und bietet ein paar sehr interessante, weil völlig unbekannte Optionen. Nun denn. Starten wir doch mal mit einer Flasche American Pale Ale mit Mosaic-Hopfen, gebraut von der Brasserie Independent House aus Longvic. Leicht bernsteinfarben läuft es ins Glas, formt eher wenig und auch nicht zu lange haltbaren Schaum. Fruchtige, gleichzeitig etwas würzige, kräuterige Aromen steigen in die Nase – typisch für Mosaic. Der erste Schluck offenbart einen soliden, aber nicht zu mastigen Malzkörper, nach dem Schluck bleibt eine angenehme Bittere. Für ein Pale Ale schon recht kräftig, das ginge stilistisch auch schon als India Pale Ale durch. Auch der Alkoholgehalt ist mit 6,0% für ein Pale Ale schon recht ordentlich. Ein guter Auftakt.
Die Bittere des Hopfens regt die Magensäureproduktion an, und es regt sich der erste Hunger. Wie gut, dass wir die Speisekarte am Tisch behalten haben. Schritt für Schritt arbeiten wir uns durch das Angebot und entscheiden uns schließlich für eine Galette Forestière, einen Waldpfannkuchen. Aus kräftigem Vollkornmehl* gebacken, gefüllt mit Champignons, geräuchertem Speck und Emmentaler Käse. Dazu gibt es noch einen Beilagensalat. Für den kleinen Hunger wird es wohl reichen, denken wir, und als nach wenigen Minuten der Pfannkuchen serviert wird, staunen wir: Das reicht nicht nur für den kleinen Hunger, sondern ersetzt locker auch ein ganzes Hauptgericht.
Zufrieden mümmeln wir vor uns hin und stehen am Ende vor der klassischen Frage: Trinken wir jetzt einen Kaffee, oder gönnen wir uns ein besonderes Bier als Digestif? Der Kopf sagt Kaffee, das Herz sagt Bier, und so schließen wir einen Kompromiss: Warum nicht beides? Es ist schließlich Urlaub.
Der junge Kellner grinst, als wir die Bestellung aufgeben. Offensichtlich hätte er genauso entschieden.
Der Kaffee kommt, gleichzeitig auch das Bier. Ein Barrel Aged Barley Wine mit 12,1% Alkohol – quasi ein Verdauungsschnaps. Wood I Lie to You? #233 nennt sich das Bier, es kommt aus der Beerbliotek, einer schwedischen Brauerei aus Gothenburg. Sechs Monate Reifung im Fass hat das Bier hinter sich, anschließend wurde es mit einem frischen Sud verschnitten und dann in Dosen gefüllt. Ein wuchtiger Geschmack, der zum einen noch hervorragend zu den würzigen und deftigen Aromen des Essens eben passt und einen schönen Abschluss des Genusses einleitet, zum anderen aber auch den Kaffee gut ergänzt. Nichts beißt sich, alles harmoniert, wenn auch auf unterschiedlichen Ebenen.
Wir lehnen uns zurück und schauen uns noch einmal um. So simpel die Bar auch eingerichtet ist, so schön war dieser Nachmittagsmoment doch. Feines Essen, ein sehr freundlicher Service, auch wenn wir radebrechen mussten, dazu exzellente Biere, die uns, wäre es bereits Abend gewesen, noch viel länger und umfassender, insbesondere aber in größerer Anzahl und Vielfalt beschäftigt hätten. Aber für den Moment müssen zwei Biere, eines davon sowieso extrem alkoholstark, reichen – sonst wäre der Tag gelaufen.
Les Moulins Bleus – Craft Beer and Food, eine kleine Bierbar in der Fußgängerzone von Dijon, die täglich von 10:30 bis 20:00 Uhr geöffnet hat; sonntags und montags ist allerdings Ruhetag. Sie liegt nur ein paar Schritte von der Notre-Dame-Kirche entfernt und ist mit der Straßenbahn bequem zu erreichen – Haltestelle Godrans, und von dort etwa 200 m durch die Altstadtgassen in Richtung Süden.
Les Moulins Bleus – Craft Beer and Food
4 Rue Musette
21 000 Dijon
Frankreich
* Nun ja, wie einer der untenstehenden Kommentare zeigt, war es mitnichten Vollkornmehl, sondern Buchweizen, der die Galettes so gehaltvoll und schmackhaft gemacht hat. Dankeschön für die ergänzende Information. Jetzt weiß ich beim nächsten Mal gleich bescheid.
Volker, bei Fritz und Heike Wülfing gibt es zu all den schönen Bieren meistens Pfannkuchen! Bin seither ein Fan von dem Konzept.
Ist in der Tat ein schönes Konzept, Esther. Manche kucken halt zunächst erstaunt, weil sie mit Pfannkuchen immer süße Crêpes verbinden, mit Marmelade, Zucker oder Nutella. Und das passt jetzt nicht ganz so gut zum Bier… Opfer ihrer eigenen Vorurteile…
Mit bestem Gruß,
VQ
Hallo Volker,
an dieser Stelle mal herzlichen Dank für deinen großartigen Blog, auf dem ich fast täglich schaue, ob es was neues gibt. Ich glaube, es ist die von mir am häufigsten besuchte Internetseite überhaupt, noch vor Google. Und ich finde es großartig, auf was für eine interessante Weise du uns an deinen Reisen teilhaben lässt. Gerade in Frankreich gibt es noch viel zu entdecken, was die Kleinbrauereiszene angeht.
Nur ein klitzekleine Anmerkung: „Galettes“ sind keine Vollkornpfankuchen, sondern sind aus Buchweizenmehl. Ganz besonders stolze Crêperie-Besitzer geben sogar an, wenn ihr Buchweizenmehl aus französischer Produktion ist, denn mittlerweile muss man so einiges aus Osteuropa dazuimportieren.
Wahrscheinlich weil man inzwischen mehr Braugerste braucht… :-)
Hallo, „Hirsch“,
jetzt bin ich aber beeindruckt – so ein dickes Lob! Dankeschön dafür. Fühle mich sehr geehrt und vor allem motiviert, fleißig weiter zu schreiben.
Das mit den Galettes wusste ich noch nicht – da stand in Dijon wohl die Sprachbarriere im Weg. Geschmeckt und gesättigt haben die Dinger ja.
Mit bestem Gruß, und Cheers!
VQ