Rolla?
Ja, Rolla.
Aber eigentlich sagt mir das auch nichts.
Eine Kleinstadt mit gerade einmal 16000 Einwohnern, irgendwo in Missouri. So klein, dass es zwar – immerhin! – einen deutschsprachigen Wikipedia-Eintrag gibt, dass aber dessen Inhalt im Wesentlichen aus dem Hinweis auf die Städtepartnerschaft mit Sondershausen in Thüringen besteht.
Rolla, also.
Fragt mich nicht, warum ich hier bin. Irgendwo am Ende der Welt.
McDonald’s, Burger King und Wendy’s liegen direkt nebeneinander, dann gibt es noch Applebee’s, einen Walmart und The Purest Food Market, der von den Einheimischen The Poorest Food Market genannt wird. Und irgendwie war’s das dann auch schon. Ein Ort, der sich nur ertragen lässt, wenn das Internet zuverlässig funktioniert.
Oder im Rausch? Denn mitten im Ort gibt es ein Brewpub, eine kleine und nicht ungemütliche Brauerei – das Rolla R&D Brewpub der Public House Brewing Company. Ach, ein kleiner Lichtblick. Ein Stoßseufzer: Wenigstens der Abend ist für heute gerettet! Ein paar Bier und etwas zu essen wird es hier wohl geben.
Zwischen Holzfässern hindurch, die als Stehtische dienen, blicke ich auf die große Glasfront des Schankraums. Auf zwei Ebenen kann man hier recht gemütlich sitzen. Viel Holz erzeugt ein nicht ungemütliches Ambiente, kleinere und größere Sitzgruppen verteilen sich im Raum. Mittendrin eine Bar, an der die üblichen Typen sitzen und in ihr Bier stieren können, und hinter der Theke sehe ich von außen schon eine zweite große Glaswand, hinter der wiederum das kupferne Sudwerk zu sehen ist.
Ein kleiner Tisch am Rand des Schankraums ist schnell gefunden. Heute ist Trivia Night, da sammeln sich die Gäste bevorzugt im oberen Stockwerk und amüsieren sich beim Quiz; das Erdgeschoss ist fast verwaist.
Zwölf Klemmbretter hängen an der Wand und ersetzen die sonst in den US-amerikanischen Brewpubs und Bierbars übliche schwarze Tafel. Jedes hier angebotene Bier wird auf einem separaten, knallbunten Papierbogen beworben. Biername, Bierstil, Alkoholgehalt in ABV, Bitterkeit in IBU und Farbe in SRM sind angegeben. Elf verschiedene Biere zähle ich, ein Klemmbrett ist heute leer. Die Namen der Biere sind durchaus originell – wer hätte erwartet, hier im tiefsten Missouri ein Bier namens Bierleichen! bestellen zu können? Wobei der Alkoholgehalt der beiden Bierleichen!-Biere im Gegensatz zur Erwartung, die der Name schürt, lediglich 5,2% und 5,5% beträgt. Kein exorbitant alkoholisches Starkbier also, das den Gast in Windeseile in eine Bierleiche verwandeln würde…
Sechs dieser Biere kann man sich zu einem Bier-Flight zusammenstellen lassen. Das lasse ich mir natürlich nicht zweimal empfehlen, und Augenblicke später steht der Flight vor mir. Bis zum Rand sind die Gläser gefüllt, nur eine hauchdünne Schaumschicht bedeckt die Oberfläche des Biers. Für den Deutschen ungewohnt, für den Stammgast aus dem Mittleren Westen aber der Beweis, dass hier großzügig eingeschenkt wird – kein Milliliter mehr hätte hineingepasst, ohne dass beim Servieren alles übergelaufen wäre.
Das erste Bier, das Cream Ale mit 5,3% Alkohol, ist leider eine Enttäuschung. Muffig und dumpf schmeckt es, als wäre es irgendwann im letzten Jahr gebraut und dann im warmen Keller vergessen worden.
Zum Glück deutlich besser dann das Bier Nummer 2, die House Party Gose. 5,2% Alkohol, eine deutliche, aber nicht zu dominierende Säure und ein leicht mineralischer Hintergrund. Kann man als erfrischendes Bier an warmen Tagen durchaus empfehlen.
Es folgt das Bierleichen! Marzen Lager. Mit den Umlauten haben es die Amerikaner nicht so, trotzdem haben sie stilistisch das Märzen recht gut getroffen. Vollmundig, rund, malzaromatisch. 5,5% Alkohol. Durchaus in Ordnung, obwohl auch bei diesem Bier ein bisschen die Frische fehlt.
Den halben Flight habe ich jetzt hinter mir, nach dem verpatzten Auftakt ging es stetig aufwärts. Bevor ich weitertrinke, blicke ich mal in die Speisekarte. Es gibt Pizza, Sandwiches, Salate und dergleichen. Sehr amerikanisch, wenig originell. Aber wenigstens deftig und schmackhaft. Mainstream, halt.
Die zweite Hälfte des Flights bestätigt den Trend. Jedes Bier ist ein kleines bisschen besser als das vorherige. Bier Nummer Vier, das Bierleichen! Black Schwarzbier ist ein wenig schwächer als das Märzen, nur 5,2% Alkohol, aber ebenso wie die andere Bierleiche erweist es sich als durchaus ordentlicher Vertreter seines Bierstils. Schlank, kaum röstig, im Abgang sehr neutral. Ein recht gutes Trinkbier auch für den großen Schluck.
Das Frisco Amber Lager, ein bernsteinfarbenes Lagerbier mit 5,0% Alkohol erfreut dann schon sehr. Frisch, kräftig, aber neutral gehopft, also mit einer sauberen Bittere, die nicht mit gewaltig floralen oder fruchtigen Aromen einhergeht, sondern eher mit den Malzaromen spielt und dadurch eine große Trinkbarkeit erzeugt. Das wäre jetzt das richtige Bier, um nach einem anstrengenden Arbeitstag den ersten Durst zu löschen.
Den Schlusspunkt bildet das Elusive IPA, mit 6,8% Alkohol das stärkste Bier im Angebot dieser kleinen Brauerei. Kräftige Hopfenbittere, ein paar fruchtige Aromen in der Nase, dann ein im allerersten Moment süßlicher Antrunk, bevor im Mund und am Gaumen dann die Bittere zuschlägt. Für einen Moment bleibt sie, die Bittere, auch nach dem Schluck im Rachen haften und macht gleich Lust auf den nächsten Schluck. Ein rundum gelungenes India Pale Ale! Schön!
Zufrieden lehne ich mich zurück. Sollte ich es für heute dabei belassen? Oder gönne ich mir aus reiner Neugier noch ein siebtes Bier?
Noch während ich darüber nachdenke, weiß ich schon, dass es eine rhetorische Frage ist. Natürlich bestelle ich mir noch ein kleines Glas Bier, und zwar das Bird & Baby, ein Mild mit 3,5% Alkohol. Ganz dunkelbraun ist es, kaum Schaum, mit einem Antrunk, der klassische Hopfenaromen und einen Hauch von Karamell paart. Auf der Zunge ist des dann … nun ja, wie der Name schon sagt: Vor allem mild. Nicht süßlich, nicht kernig bitter, sondern irgendwie auch ein bisschen wässrig. Man merkt also deutlich, wie gering der Alkoholgehalt ist.
Ich blicke noch einmal in die Runde. Eine durchaus gemütliche, kleine Gasthausbrauerei. Der Service ist unauffällig, aber nicht unaufmerksam, das Essen uninteressant, aber durchaus schmackhaft. Alles strahlt eine etwas kleinbürgerlich-dörfliche Atmosphäre aus. Das Rolla R&D Brewpub ist mit Sicherheit kein Grund, extra nach Rolla zu kommen. Es gibt überhaupt keinen Grund, extra nach Rolla zu kommen. Aber wenn man schon mal hier ist, dann sollte man sich das Brewpub auf keinen Fall entgehen lassen.
Das Rolla R&D Brewpub der Public House Brewing Company ist täglich ab 11:00 Uhr durchgehend geöffnet. Sonntags ist Ruhetag – wir sind hier schließlich in Missouri. Durch die Lage mitten im Zentrum der Kleinstadt Rolla könnte man theoretisch, je nachdem, in welchem Hotel man untergebracht ist, zu Fuß hierher kommen, würde dann allerdings misstrauisch beäugt. So bleibt nur das Auto als Verkehrsmittel der Wahl.
Public House Brewing Company:
Rolla R&D Brewpub
600 N Rolla Street
Rolla
MO 65401
USA
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