Von der UNESCO anerkannt:
Handwerkliches Bierbrauen wird in Deutschland immaterielles Kulturerbe

Etwas mehr als drei Jahre seit der Anerkennung der Bierkultur in Belgien im Dezember 2016 hat es gedauert, bis die deutschen Brauer, vertreten im Deutschen Brauer-Bund e.V., nun endlich nachziehen konnten und das handwerkliche Bierbrauen in Deutschland als immaterielles Kulturerbe der UNESCO anerkennen lassen konnten. Hurra!


Von der UNESCO anerkannt: Bierbrauen in Deutschland wird immaterielles Kulturerbe, Bier in Deutschland
Von der UNESCO anerkannt: Bierbrauen in Deutschland wird immaterielles Kulturerbe

Glückwunsch, lieber Brauer-Bund, zu dieser Leistung, denn es muss vor drei und vor fünf Jahren beide Male richtig geschmerzt und dem Ego gar nicht gut getan haben, als zunächst, Anfang 2015, die UNESCO den Antrag, das Reinheitsgebot für Bier als immaterielles Kulturerbe anzuerkennen, ablehnte und dann, Ende 2016, die Bierkultur in Belgien eben diese Anerkennung bekam. Zu beidem habe ich mich seinerzeit ausführlich und kritisch geäußert.

Jetzt aber seid auch Ihr, die deutschen Brauer, in den Olymp des immateriellen Kulturerbes aufgestiegen und könnt Euch im Glanze dieses Ruhms sonnen. Stolz vermeldet Ihr dies in einem Rundschreiben, das mit großem Verteiler am 20. März 2020 an Eure Mitglieder versandt und von diesen dann auch veröffentlicht wurde.

Wie schön!


Von der UNESCO anerkannt: Bierbrauen in Deutschland wird immaterielles Kulturerbe, Bier in Deutschland
das Rundschreiben des Brauer-Bunds

Oder nicht?

Ach, auch diesmal lohnt es sich, ein wenig genauer hinzuschauen.

Zum einen ist der Zeitpunkt der Anerkennung natürlich ungünstig: Mitten in der Corona-Krise, mitten im Kampf gegen die Ausbreitung der CoViD-19-Pandemie, haben die Menschen in Deutschland anderes im Sinn als das immaterielle Kulturerbe der UNESCO, und die Schlagzeilen in den Medien sind von der Pandemie auf Wochen hin gefüllt. Da haben die deutschen Brauer schon mal einen anerkennenswerten Erfolg errungen, und jetzt interessiert sich niemand dafür. Das ist sehr schade, und das tut mir aufrichtig leid für alle, die viel Arbeit und Energie in dieses Projekt gesteckt haben. Auch ich weiß aus eigener Erfahrung, wie frustrierend es ist, monatelang „für die Tonne“ gearbeitet zu haben.

Zum anderen betreibt der Brauer-Bund aber auch mal wieder heftiges Framing. Bewusst missverständlich formuliert erweckt man den Eindruck, mehr geschafft, mehr errungen zu haben als in Wirklichkeit dahintersteckt. Mehr Schein als Sein. So lautet der fettgedruckte Betreff im Rundschreiben nämlich: „UNESCO und Bundesregierung erklären das Bierbrauen in Deutschland zum Immateriellen Kulturerbe“. Das ist vollkommen korrekt und doch gedanklich irreführend. Der Leser assoziiert nämlich zunächst, dass das „Bierbrauen in Deutschland“ nun immaterielles Kulturerbe ist. Er weiß nichts davon, dass die UNESCO verschiedene Listen führt, nämlich eine mit weltweitem immateriellem Kulturerbe, und weitere mit jeweils nationalem oder regionalem immateriellem Kulturerbe. Erste und zweite Liga, gewissermaßen.

Während Belgien 2016 mit seiner Bierkultur in die Liste des weltweiten immateriellen Kulturerbes aufgenommen worden ist (1. Liga), wurde das „handwerkliche Bierbrauen“ lediglich in die Liste des immateriellen Kulturerbes in Deutschland (2. Liga) aufgenommen. Hätte man den Betreff des Rundschreibens im Passiv und andersherum formuliert („Das Bierbrauen wurde von UNESCO und Bundesregierung zum Immateriellen Kulturerbe in Deutschland erklärt“), dann wäre die regionale Einschränkung sofort beim ersten Überfliegen deutlich geworden.

Zugutehalten muss man dem Brauer-Bund natürlich, dass er im Fließtext des Rundschreibens die regionale Einschränkung eindeutig herausstellt (aber eben auch erst dort). Nach der Aufnahme in die jeweiligen Landeslisten des immateriellen Kulturerbes in Bayern und Sachsen erfolgte nun die „Aufnahme des Bierbrauens auf die UNESCO-Kulturerbe-Liste für Deutschland“. Aufstieg von der 3. Liga in die 2. Liga also.

Ganz penibel müsste ich zwar noch korrigieren, dass nicht das „Bierbrauen“, sondern das „handwerkliche Bierbrauen“ in die Liste aufgenommen worden ist, und dass die großen Industriebrauereien in Deutschland daher keinen Grund haben, sich mit dieser Anerkennung durch die UNESCO zu schmücken. Aber das macht der Brauer-Bund zum Glück gegen Ende des Rundbriefs schon selbst deutlich, wenn er schreibt: „Wir weisen vorsorglich darauf hin, dass das Kulturerbe-Logo nur von den oben genannten Trägerverbänden und nur in enger Absprache mit der UNESCO-Kommission eingesetzt werden darf. Eine Einbindung in Werbung oder Kommunikation von einzelnen Brauereien oder Marken ist untersagt und kann in letzter Konsequenz zur Aberkennung des Status führen.“

Gut so. Ähnlich hatte es 2016 der flämische Kultusminister Sven Gatz angesichts des belgischen Erfolgs auch schon formuliert: „Sven Gatz warnt Brauer, die zu offensichtlich daraus Profit schlagen wollen, dass die belgische Bierkultur zum immateriellen Kulturerbe ernannt worden ist“, hatte ich ihn in meinem Artikel zitiert.

Der Brauer-Bund wäre aber nicht der Brauer-Bund, wenn er in seinem Schreiben nicht doch noch einen kleinen und inkorrekten Seitenhieb verteilen würde:

„Der Brauerbund hatte bereits vor sieben Jahren erstmals beantragt, das Brauen in Deutschland zum Kulturerbe zu ernennen, war damit aber immer wieder an Widerständen gescheitert“, heißt es in dem Rundschreiben nämlich. Es war allerdings nicht das „Brauen in Deutschland“, das zum Kulturerbe hätte ernannt werden sollen, sondern das sogenannte „Reinheitsgebot“: „Reinheitsgebot für Bier soll Weltkulturerbe werden. Deutsche Brauer beantragen Aufnahme in UNESCO-Liste“, war die Pressemitteilung seinerzeit überschrieben. Die angeblichen „Widerstände“, von denen nun die Rede ist, richteten sich also nicht gegen das Brauen in Deutschland, sondern gegen das sogenannte „Reinheitsgebot“ als Lebensmittelvorschrift, aber auch gegen die industrielle Prägung der Bierproduktion: „Hier stand die Lebensmittelvorschrift zu sehr im Vordergrund. Wir hatten auch den Eindruck, dass die Bierproduktion inzwischen sehr industriell geprägt ist“, hieß es in der Ablehnung durch die UNESCO.

An die Formulierung dieser Ablehnung möchte man beim Brauer-Bund allerdings nicht so gerne erinnert werden, besteht doch erstens die Gefahr, dass der Konsument irgendwann vielleicht doch einmal merkt, dass diese Lebensmittelvorschrift nichts mit Reinheit zu tun hat (das Brauwasser kann chemisch vorbehandelt werden, der Hopfen und das Malz dürfen selbstverständlich auf dem Acker gespritzt werden …), und konnte man doch, zweitens, auch dieses Mal wieder nicht darauf verzichten, diesen unsäglichen Begriff in den Antrag hinein zu formulieren, wenn auch weichgespült und irgendwie doch gar nicht mehr inhaltsprägend: „Deutsche Brauereien greifen in der Regel auf das Prinzip des Reinheitsgebotes zurück, welches für viele eine identitätsstiftende und verbindende Wirkung hat. Die Vorgabe lautet dabei, dass Biere nur aus Wasser, Malz und Hopfen hergestellt und mit Hefe vergoren werden sollen.“

„In der Regel“ heißt es im Antrag und der Anerkennung, „fast alle“ macht der Brauer-Bund in seinem Rundschreiben daraus, und tut nun so, als sei das handwerkliche Brauen, das anerkannt wurde, quasi identisch mit dem Brauen nach dem sogenannten „Reinheitsgebot“.

Framing!

Durch unterschiedliche Formulierungen einer Botschaft bei gleichem Inhalt die Wahrnehmung des Empfängers bewusst zu beeinflussen, das ist in der Tat eine Kunst, die der Brauer-Bund meisterlich beherrscht.

Dafür meinen ganz besonderen Glückwunsch. Noch aufrichtiger, noch mehr von Herzen kommend als der Glückwunsch zum Eintrag in die Liste des immateriellen Kulturerbes in Deutschland. Framing? Das beherrscht Ihr wirklich. Hut ab!

Im Juni 2020 soll die offizielle Überreichung der Urkunde nun erfolgen. Ganz ohne Häme und Gehässigkeit wünsche ich Euch, lieber Brauer-Bund, dass das auch angesichts der CoViD-19-Pandemie stattfinden kann. Ich drücke die Daumen!

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