Ein Freitagnachmittag im Winter, die tiefstehende Sonne versucht, dem Tag noch einen Rest Glanz zu verleihen, tut sich aber in der grauen Straße, die ich entlanglaufe, recht schwer. Die Gebäude werfen lange Schatten, dreckige Schneereste und staubiger Splitt, der eigentlich längst weggekehrt gehört. Wirklich paradiesisch ist es hier nicht, in diesem Teil Olmützens.
Und während ich so über den merkwürdigen Genitiv nachdenke – Olmützens? Ist das überhaupt richtig? Oder eher Olmütz‘? Mit Apostroph? Oder Narren-Genitiv, also von Olmütz? Mal sehen, geht das mit dem tschechischen Ortsnamen besser? Olomouc? Nee, endet auch mit einem Zischlaut. Olomoucens? Olomouc‘? Von Olomouc? Richtig tschechisch wäre es Olomouce. In diesem Teil Olomouce also. Aber das versteht dann schon gar keiner mehr richtig. Oh, je!
Während ich also über den merkwürdigen Genitiv nachdenke und mich so gar nicht paradiesisch fühle, da sehe ich das Paradies plötzlich direkt vor mir: Pivní Ráj, das Bier-Paradies, heißt es selbstbewusst auf dem mit gelben Strahlern beleuchteten, schlichten weißen Plakat. Darunter eine braune Holztür, die ins Tiefgeschoss führt.
Pivní Ráj – das Bier-Paradies
Ich gehe die paar Stufen hinunter, öffne die Tür und stehe … vor einer Wursttheke. Dicke Würste, Bauchfleisch, wunderbarer, kräftiger Räucherduft. Ich nehme einen tiefen Atemzug und drehe wieder um. Falsche Tür erwischt.
Wieder draußen auf der Straße schaue ich genauer. Nee, das gibt nur eine Tür. Ich luge durch’s Fenster – und wieder sehe ich die Wursttheke. Also noch mal rein, fragen.
Die beiden jungen Leute hinter der Wursttheke grinsen breit. Ich bin wohl nicht der erste, der vor Schreck erstmal wieder umkehrt. Links neben der Wursttheke entdecke ich jetzt die zwei großen Bierkühlschränke, und gegenüber die Holzregale mit den sorgfältig sortierten Bierflaschen. Also doch richtig. Wurst & Bier – klasse! Ein tolles Konzept.
das erste, was ich sehe, ist eine Wursttheke …
Zum Glück können die beiden gut Englisch, und so sind wir im Nu am Fachsimpeln. Natürlich muss ich als erstes von der Wurst & Bier in Berlin erzählen, die so wunderbar zum Konzept dieses kleinen Lädchens passt. Nächstes Wochenende schon findet sie wieder statt – schade, dass es einfach zu weit ist, zu aufwändig, ich werde nicht dran teilnehmen können.
„Aber jetzt nicht sentimental werden“, sage ich zu mir selbst, „immerhin stehst Du gerade mitten im Bier-Paradies, was willst Du eigentlich mehr?“
„Was habt Ihr denn so anzubieten?“ lenke ich das Gespräch also wieder in die richtige Richtung.
Also, die Biere von Clock müsse ich unbedingt probieren, das seien momentan die besten, die Tschechien bieten könnte, heißt es. Oder vielleicht noch die von Matuška. Und vielleicht aus der Slowakei die von Wywar. Im Nu füllt sich der kleine Tresen neben der Wursttheke mit großen Bierflaschen. Maximal acht kleine Flaschen, das hatte ich mir vorgenommen, mehr hat derzeit gar keinen Sinn. Erstens ist mein Bierkeller zuhause noch gut gefüllt, und zweitens habe ich nur eine Einkaufstasche dabei, keinen großen Rucksack, wie sonst immer.
die Bierauswahl ist wirklich gut
„Ein bisschen Wurst wäre jetzt auch nicht schlecht“, denke ich, und fast wäre ich schwach geworden, erinnere mich im letzten Moment daran, dass ich das Wochenende ja gar nicht zuhause bin – warum soll ich da etwas zu essen kaufen?
Schwach werde ich dann aber doch, als es an die Holzregale geht, wo noch jede Menge mehr Bierflaschen stehen. Hiervon sollte ich unbedingt probieren, heißt es seitens der beiden Verkaufsgenies, „und dieses hier kenne ich noch gar nicht“, denke ich selbst.
Langer Rede, kurzer Sinn: Es läuft natürlich wieder auf viel mehr als nur acht kleine Flaschen Bier hinaus. Mühsam schleppe ich ein halbes Dutzend große 0,7-l-Flaschen und noch mal so viele kleine zum Auto. Ärgere mich über meine Inkonsequenz und freue mich gleichzeitig über die erworbenen Schätzchen. Ach, genau so wie es war, war es gut. Und ich freue mich schon auf die erste Kostprobe!
Die Ende 2014 eröffnete Pivní Ráj Pivotéka ist montags bis freitags von 14:00 bis 19:00 Uhr geöffnet, sonnabends von 10:00 bis 15:00 Uhr. Sonntags ist geschlossen. Zu erreichen ist sie in etwa einer Viertelstunde zu Fuß vom Hauptbahnhof; sie liegt – vom Bahnhof kommend – noch vor dem historischen Zentrum, zwischen Morava und dem Mühlengraben, dem Mlýnský Potok.
Pivní Ráj Pivotéka
Komenského 10
779 00 Olomouc
Tschechien
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