Reklame?*
„Bielefeld? Das gibt’s doch gar nicht!“ So lautet ein weit verbreiteter Scherz, der gelegentlich von etwas naiven Zeitgenossen sogar geglaubt wird – und zwar so lange, bis sie völlig entgeistert vor dem Ortsschild oder auf dem Bahnsteig des Bielefelder Bahnhofs stehen …
„Gaffel Wiess in der Flasche? Das gibt’s doch gar nicht!“ So ist die Philosophie der Privatbrauerei Gaffel. Das unfiltrierte Kölsch, das traditionsgemäß dann Wiess genannt wird, wird ausschließlich auf KEGs gefüllt und in der Kölner Gastronomie angeboten. Ein typisches Bier vor Ort, also ein Bier, das nur in der Region getrunken werden kann, in der es auch gebraut wird.
Das sollte eigentlich Frische garantieren, entfällt doch das typische, in Deutschland so weit verbreitete Risiko, dass das Bier mit einem vom Handel erzwungenen, viel zu weit in der Zukunft liegenden Mindesthaltbarkeitsdatum versehen, auf dem Transport malträtiert und dann im gleißenden Sonnenlicht in großer Sommerhitze vor dem Eingang des Getränkemarkts gewissermaßen nachpasteurisiert und zu Schleuderpreisen verramscht wird.
Natürlich bleibt ein Restrisiko, in einer Gastronomie, die – ebenfalls typisch für Deutschland – immer noch nonchalant-nachlässig die Pflege der Bierleitungen und Zapfhähne als lästiges Übel ansieht, Gläser nur eben mal schnell kalt klarspült (in anderen Ländern ist schon längst eine Spülmaschinenreinigung mit mindestens 80°C vorgeschrieben) und das aus dem tropfenden Zapfhahn aufgefangene, lacke Bier seelenruhig aufzapft und dem Gast anbietet. Was ich da schon alles erlebt und gesehen habe …
Aber gut, das Ansinnen der Brauerei ist trotzdem löblich. Frische beim Bier, das geht nur regional, und Regionalität erzwingen geht nur über den ausschließlichen Fassbiervertrieb.
Gaffel Wiess vom Fass also. Kölsch darf dieses Bier nicht heißen, denn die Kölsch-Konvention von 1985 definiert Kölsch als ein „helles, hochvergorenes, hopfenbetontes, blankes obergäriges Vollbier“ und „blank“ kann ein unfiltriertes Bier nun mal nicht sein. Zwickel-Kölsch, Kölsch naturtrüb, Kellerkölsch oder gar, in doppelter Fehlerhaftigkeit, Zoigl-Kölsch sind also unerlaubt. Merkwürdig allerdings, denn man beruft sich in der Kölsch-Konvention auf lange Tradition, bemüht in ihrer Präambel sogar die Formel „seit alters her“ und vergisst dabei, dass Biere „seit alters her“ eigentlich nicht gefiltert wurden und naturtrüb waren und dass das Blankfiltern von Bieren erst seit einigen Jahrzehnten üblich geworden ist. Eines der vielen Dokumente im deutschen Brauerei(un)wesen, in denen der Verbraucher bewusst getäuscht und in die Irre geführt wird.
Die Brauereien behelfen sich mit der Bezeichnung Wiess, die ihnen doppelte Freiheit gibt. Erstens hat die Bezeichnung einen hohen Wiedererkennungswert, man weiß auch ohne Kölsch-Konvention und ähnlichen Unsinn, was man für Bier bekommt, wenn man ein Wiess bestellt, und zweitens ist die Bezeichnung Wiess nicht auf den Raum Köln beschränkt, sondern auch in anderen Regionen Deutschlands darf ein obergäriges Bier nach kölscher Brauart Wiess genannt werden, wenn es denn unfiltriert ist.
Ein typisches Wiess schmeckt etwas runder, voller und weicher als ein klassisches Kölsch. Und trotzdem hat es sich als Stil bisher nicht so richtig durchgesetzt. Vor zwanzig oder dreißig Jahren war mal das Küppers-Wiess ganz bekannt und beliebt, und aus dieser Zeit habe ich noch ein paar schöne Wiess-Gläser, in der Form eines Weizenbierglases, aber mit dem Fassungsvermögen einer Kölsch-Stange. Gibt’s aber schon ewig nicht mehr. Die kleine Gasthausbrauerei Heller dürfte so ziemlich die einzige Kölner Braustätte sein, die durchgängig am Wiess festgehalten hat – dort gibt es dieses Bier eigentlich „schon immer“ – oder sollte ich sagen „seit alters her“?
Jetzt kommt aber die Privatbrauerei Gaffel und erschließt sich diesen Bierstil neu. Schön! Ich lese davon und nehme mir vor, wenn ich das nächste Mal in Köln sein werde (wann immer das unter Corona-Bedingungen auch sein wird), das unbedingt zu verkosten.
Wenige Tage später: Ein kleines Paket steht vor der Wohnungstür. Absender: Der Gaffel Online-Shop. Viel wiegt es nicht, und so bin ich beim Auspacken sehr neugierig.
Zum Vorschein kommt: Das Bielefeld unter den Bieren. Ein auf Flasche gezogenes Gaffel Wiess. Und ein dazu passendes Glas. Was für eine Überraschung! „Für Dich haben wir es ausnahmsweise in eine Flasche abgefüllt, damit Du Dich von dem süffigen Geschmack persönlich überzeugen kannst“, heißt es im Begleitschreiben. Na, das ist ja ein Ding.
Ab in den Kühlschrank mit der Flasche, die nur durch einen kleinen Gaffel-Wiess-Aufkleber gekennzeichnet ist. Die Brauerei scheint es also ernst zu nehmen mit der Fokussierung auf KEGs: Es gibt nicht einmal Flaschenetiketten für diese Probier-Abfüllung.
Nachdem die Flasche heruntergekühlt ist und sich vom Transport beruhigt hat, folgt nun die Verkostung: Hellgelb und ganz gleichmäßig trüb steht das Bier im Glas, gekrönt von schneeweißem, recht kremigem Schaum. Der Geruch ist dezent süßlich, Hopfenaromen sind nur ganz flüchtig zu bemerken. Der Antrunk ist frisch, eine leichte Malzsüße auf der Zungenspitze, danach rinnt das Bier rund und ausgewogen über die Zunge und den Gaumen. Nicht zu spritzig, sondern gerade so, dass die Frische gewahrt, aber die Trinkbarkeit in großen Schlucken eben auch ermöglicht wird. Im Abgang kaum Herbe, und retronasal eine neutral malzige Sensorik, keine fruchtigen Ester oder gar Fehlaromen.
Ein schönes und ausgewogenes Bier. Als Bierfanatiker mag man sagen, dass ein echtes Alleinstellungsmerkmal fehlt und das Bier daher Langeweile auf hohem Niveau präsentiert, aber angesichts der Auswüchse, die diese Jagd nach Alleinstellungsmerkmalen schon produziert hat, gehe ich diesen Weg nicht mit. Es ist ein schönes, süffiges Trinkbier geworden.
Und mir persönlich ist es sogar allemal sympathischer als die Masse der Kölsch-Marken, die man in der Domstadt so findet, und die ich oft wegen der nicht gut gebundenen Kohlensäure als scharf und in ihrer Aromatik häufig als unausgewogen empfinde.
Ein Bier für einen Abend mit Freunden, mit gutem Essen und großem Durst. Gelungen!
Ein herzliches Dankeschön an Michael Busemann von der Privatbrauerei Gaffel, der mir diese Probe hat zukommen lassen.
Privatbrauerei Gaffel Becker & Co. OHG
Ursulaplatz 1
50 668 Köln
Nordrhein-Westfalen
Deutschland
* Reklame? Es gibt immer wieder Diskussionen, ob die Beschreibung von Artikeln, die ich kostenfrei zur Verfügung gestellt bekommen habe, Reklame ist. Im Zweifelsfall sollte ein Blogbeitrag daher entsprechend gekennzeichnet werden. Ich habe die Flasche Gaffel Wiess und das dazugehörige Glas von der Privatbrauerei Gaffel Becker & Co. OHG gratis bekommen. Bei der Rezension habe ich versucht, mich davon nicht beeinflussen zu lassen.
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