Ärzte, Juristen und Informatiker können ein Lied davon singen. Outet man sich auf einer Party als Mediziner, gibt es unter Garantie diesen einen Gast, der sein Hosenbein hochkrempelt und von der offenen Stelle am Bein erzählt, die nässen täte und so gar nicht heilen würde, und ob man da mal schauen könne. Der Anwalt wird um Rat gefragt, ob er dem bösen Nachbarn nicht einmal ein rechtlich belastbares Schreiben zustellen könne, denn bei dem ginge es im Bett manchmal hoch her, ob da mit den ständig wechselnden Gespielinnen immer alles so rechtens sei. Und beim Informatiker stapeln sich daheim die kaputten Rechner, Laptops, Router und Mobiltelefone, die – „Ich habe aber wirklich nichts gemacht, ehrlich!“ – von einer Sekunde zur anderen den Geist aufgegeben haben und nun der freundschaftlichen Nachbarschaftshilfe harren, die sie wieder zum Leben erwecken soll.
Aber auch jenseits dieser drei Berufe: Jeder kann eigentlich irgendetwas, was der Nachbar, die Freundin, die Kollegin oder der angeheiratete Vetter zweiten Grades nicht kann, und wo man helfen, aber kein Geld verlangen kann.
Ist ja auch gut so.
Manchmal ist die Dankbarkeit auf der anderen Seite für den freundschaftlichen Hilfsdienst so groß, dass es zu einer materiellen, aber nicht finanziellen Gegenleistung kommt. Das ist dann einerseits toll, andererseits bekommt man vielleicht auch ein schlechtes Gewissen, weil man selbstlos und ohne Gewinnabsicht geholfen und unterstützt hat. So oder so: Es ist die neuzeitliche Inkarnation des Tauschhandels, des Wirtschaftsmodells aus vormonetären Zeiten.
So steht dann plötzlich ein großes Bierpaket bei mir im Flur, als Dankeschön für ein paar investierte Arbeitsstunden. Vorsichtig öffne ich das robuste Klebeband mit dem Teppichmesser, schiebe einen quietschbunten Zettel erstmal an die Seite, und dann … staune ich. Dreizehn verschiedene Flaschen Bier. Und das Beste daran ist: Zwölf davon kenne ich noch gar nicht, habe ich weder daheim noch unterwegs schon einmal verkostet, und das dreizehnte, das mir vertraut ist, ist ein so tolles Bier, das könnte ich mir bei aller Neugier, die mich andauernd zur Jagd nach neuen Bieren treibt, immer und immer wieder gönnen!
Ein wunderbares Bierpaket, edel und handverlesen, und ich merke, dass sich die Absenderin richtig viele Gedanken gemacht hat, was sie denn in diesen Karton so alles einpacken hat lassen.
Sorgfältig sortiere ich eine Flasche nach der anderen in meine Bierkühlschränke in der Abstellkammer, und bei manchen Sorten mache ich mir schon Gedanken, zu welcher besonderen Gelegenheit ich dieses Bier denn trinken werde. Nein, nicht ich, sondern wir, denn dass diese edlen Tropfen es wert sind, mit der holden Ehefrau geteilt zu werden, das ist doch selbstverständlich.
Ein dickes Dankeschön also an die edle Spenderin, und wenn meine Dienste erneut benötigt werden, dann stehe ich selbstverständlich gern wieder zur Verfügung. Auch ohne Bierpaket.
Mit aber noch viel lieber … So ehrlich muss ich dann doch sein!
Tauschhandel im 21. Jahrhundert. Die vormonetären Zeiten sind zurück. Oder waren nie weggewesen!
Die Biere sind verräumt, und ich mache mich daran, die Verpackung zu entsorgen, als mir der quietschbunte Zettel wieder in die Finger gerät. Es ist ein Werbeflyer der Firma, die die Biere im Auftrag meiner guten Freundin zusammengestellt hat: Bier Post. Ogottogottogott! Was ist das denn für ein Machwerk? Hat da jemand seinen neunjährigen Neffen darum gebeten, diesen Flyer zu gestalten?
Nicht nur, dass die Farbzusammenstellung so grottig ist, dass sie fast schon Augenkrebs verursacht, nein, die Texte strotzen nur so vor Rechtschreib- und Grammatikfehlern, sie laufen aus den Textboxen heraus über den Rand, die Werbefigur (natürlich eine Blondine, Bierwerbung geht offensichtlich nicht ohne Sexismus) überdeckt Teile davon, und selbst wenn ich mir Mühe gebe, über all die redaktionellen und gestalterischen Schwächen hinwegzusehen, bleiben sie, die Texte, trotzdem nur inhaltsleer, von Floskeln und Halbwissen geprägt, und sprechen mich nicht an.
Der hochwertige Inhalt des Bierpakets und die Qualität der Werbung für den kommerziellen Versender – selten habe ich eine so große Diskrepanz erlebt und kann nur den Kopf schütteln. Hätte mir irgendjemand den Werbeflyer zukommen lassen, ich bin mir sicher: Auf Basis dessen würde ich überall sonst mein Bier bestellen, aber nicht hier. Die perfekte Antiwerbung.
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