Ach, das sind die Momente, in denen ich mir wünsche, doch etwas besser Tschechisch verstehen zu können. Ein bisschen kann ich mich durch die Welt stottern, einfache Speisekarten und Bierlisten verstehen und immerhin im Internet die wichtigsten Termine für Bierfeste, Tap Takeovers und Brauereieröffnungen finden. Aber ein ganzes Buch richtig durchlesen? Und nicht nur die wesentlichen Stichworte einer Seite erfassen und hoffen, dass ich den roten Faden dadurch finde? Ach, dafür reicht es leider nicht.
Petr Joza
Historie Pivní Lahve v Čechách
Was in diesem konkreten Fall außerordentlich schade ist. Petr Jozas Buch Historie Pivní Lahve v Čechách (Geschichte der Bierflaschen in Tschechien) macht schon auf den ersten Blick einen sehr wertigen Eindruck. Ein fester Einband, vollfarbig bedruckt, mattiert, und das ganze im fast quadratischen Format – rund 24 cm breit und 22 cm hoch.
Zwischen dem festen Karton des Einbands 250 Seiten schweres und leicht glänzendes Kunstdruckpapier, und auf diesen 250 Seiten ein umfassender Abriss, wie sich Bierflaschen in Tschechien verbreitet haben: Von den allerersten Anfängen einiger weniger Brauereien über den Siegeszug dieser neuartigen, aber außerordentlich praktischen Verpackung bis hin zu den aus hellgrünem Glas billig gepressten Flaschen im Euro-Format in der sozialistischen Tschechoslowakei.
typisch für den Sozialismus: die blassgrünen Flaschen aus billig recyceltem Glas
Stellenweise fast schon zu detailverliebt berichtet der Autor, wie Bierverlage und Brauereien um ihre Flaschen kämpften. Trotz Pfand kamen die Glasflaschen häufig nicht zur Brauerei zurück, wurden stattdessen als praktische Lagerbehälter daheim zweckentfremdet und verursachten so zusätzliche Kosten. Aufwändige Prägungen änderten daran nur wenig – kaum eine Hausfrau ließ sich von der Prägung „Brauereieigentum“ davon abbringen, die Flaschen für selbstgemachten Most, Limonade oder Säfte zu nutzen.
Leider auch manchmal für Putzmittel und Chemikalien –auch diesem Risiko beschäftigt sich das Buch.
Ob Kronkorken, Aufreißverschluss, Naturkorken oder Bügelverschluss in den unterschiedlichsten Formen – Joza gibt neben den zahlreichen Flaschenformen und -farben auch darüber ausgiebig Auskunft.
immer wieder zeitgenössische Fotografien und Reproduktionen originaler Dokumente
Viele Originaldokumente vervollständigen den Text. Fotos aus Abfüllereien, Patentschriften, Werbeschriften oder Anzeigen gegen Schwarzhändler, die leere Bierflaschen für gutes Geld weiterverscherbelt haben – alles, was Joza berichtet, ist mit Bildern und Quellen hinterlegt. Das Quellen- und Literaturverzeichnis ist fünf eng bedruckte Seiten lang, die Quellenangaben für das umfangreiche Bildmaterial umfassen 239 Positionen.
Eine echte Fleißarbeit des Autors. Aber eine, die sich gelohnt hat. Trotz nur schlechter Tschechischkenntnisse habe ich mich begeistert durch dieses Buch gearbeitet, und viele Berichte und Quellen, insbesondere aber die Fotos, haben mir nicht nur die Welt der Bierflaschen nahegebracht, sondern mir auch gezeigt, wie die Menschen vor vielen Jahre gelebt haben und wie ihr Alltag aussah.
Sehr gut investierte 499.- CZK, also rund 20,- EUR.
Petr Joza
Historie Pivní Lahve v Čechách
Universum
Praha, 2019
ISBN 978-80-242-6294-9
Was mich immer beeindruckt wie es früher möglich war, selbst für kleinste Brauerei geprägte Flaschen herzustellen, was heute nur noch in Millionenauflage möglich ist. Oder gibt es Ausnahmen davon?
Früher galt in unserer Gesellschaft ja auch noch nicht „Geiz ist geil“. Die Optimierung auf die dritte Stelle nach dem Komma gab es noch nicht, also konnten sich auch kleinere Brauereien den Luxus leisten, geprägte Flaschen herzustellen.
Angesichts des geringeren Verdienstniveaus wäre auch keinem Kunden eingefallen, die leere Flasche einfach in die Tonne zu kloppen, sondern sie wurde brav zurückgebracht. Damit entfiel auch der heute zu beobachtende Schwund am Leergut.
Heute gibt es nur noch ganz wenige regionale Brauereien, die sich den Luxus einer Individualflasche leisten – wobei ich glaube, dass es da preislich keinen großen Unterschied macht, ob man die prägen lässt (wie zum Beispiel Leikeim) oder durch eine exotische Form individualisiert (wie zum Beispiel Welde). Es ist so oder so recht aufwändig und teuer, und die Brauerei benötigt dann auch die dazu passende Kundschaft.
Mit bestem Gruß,
VQ