Zur Hopfenernte nach Hüll, mitten in die Hallertau – das ist wohl der Traum eines jeden Bierliebhabers. Und dann noch viel über Hopfen lernen? Hopfen einmal bonitieren? Biere mit verschiedenen Hopfensorten quer verkosten? Einmal hinter die Kulissen der Hopfenzucht schauen? Die Aromen, die die Region zur Erntezeit durchziehen, spüren und den Hopfenduft kräftig in die Nase ziehen?
Ich freue mich und schaue auf die Einladung des Hopfenforschungszentrums Hüll, die mir ein spannendes Programm verspricht:
- Begrüßung und Vorstellung des Hopfenforschungszentrums Hüll,
- Bonitierungsschulung – Hopfen richtig beurteilen und auswählen,
- Hopfenernte live auf dem benachbarten Hopfenbaubetrieb (groß) und im Forschungszentrum (klein),
- Vorstellung und Bemusterung unserer neuen Hopfensorten,
- Verkostung verschiedener, mit neuen Sorten gebrauter Biere.
Hopfen bonitieren, gerne aber auch im Bier verkosten
Ein paar Tage später stehe ich zusammen mit ein paar weiteren Bierliebhabern und Brauern bei allerbestem Spätsommerwetter vor dem Hotel und werde von Walter König, Geschäftsführer der Gesellschaft für Hopfenforschung und Geschäftsführer des Bayerischen Brauerbunds, abgeholt. Die Fahrt bis nach Hüll dauert nur fünf Minuten, aber es ist lang genug, um im Gespräch zu merken, wie sehr König für den Hopfen brennt und sich darauf freut, uns mit seiner Begeisterung anzustecken.
Der Seminarraum im Hopfenforschungszentrum ist schon vorbereitet, ein paar bekannte Gesichter sehe ich unter den anderen Gästen. Es gibt Kaffee und Wasser, und wer will, kann auch schon eines der drei Biere probieren, die mit den neuesten Züchtungen hier aus Hüll eingebraut worden sind. „Aber dafür ist nachher auch noch Zeit, keine Sorge“, lacht König, der uns den Zwiespalt anmerkt, weder vom Bier noch vom Vortrag etwas verpassen zu wollen.
Teilnehmerausweis
Gemeinsam mit seiner Kollegin Elisabeth Seigner, die die Abteilung Züchtungsforschung leitet, bringt er uns nicht nur die Geschichte der 1926 gegründeten Gesellschaft für Hopfenforschung nahe, sondern insbesondere auch die fünf Arbeitsfelder
- Hopfenbau & Produktionstechnik,
- Pflanzenschutz im Hopfenbau,
- Züchtungsforschung,
- Hopfenqualität & Analytik und
- ökologische Fragen des Hopfenbaus.
Zwar haben wir nach dem Kapitel Pflanzenschutz und den detaillierten Darstellungen, welche Pilze, Bakterien und Viren die Hopfenpflanzen alle bedrohen, fast schon das Gefühl, froh sein zu müssen, dass der Hopfen nicht schon längst ausgestorben ist, aber schon im nächsten Abschnitt kommt die Entwarnung: Die Hopfenzüchter entwickeln fleißig neue Hopfensorten, die nicht nur mit immer neuen Aromen glänzen, sondern auch mit stets wachsender Widerstandsfähigkeit gegen eben all diese Krankheitserreger. Die Sorte Diamant wurde letztes Jahr eingeführt, die Sorte Aurum in diesem Jahr, und der noch unbenannte Stamm 2011/02/04 durchläuft gerade den Großflächenversuchsanbau und die ersten Brauversuche.
Aurum Hell der TU München
Das macht uns natürlich neugierig, und als nach dem Vortrag die Kaffeepause ausgerufen wird, verkosten wir die ersten Biere, gebraut mit Aurum. Das Helle, das auf der Lehrbrauerei der TU München in Weihenstephan entstanden ist, gefällt außerordentlich – ein sehr schönes Bier für den großen Schluck, und es bedarf großer Selbstbeherrschung, es in dieser „Kaffee“-Pause wirklich bei einem kleinen Glas zu belassen.
Weiter geht es draußen vor dem Seminargebäude. „Hopfen bonitieren“ lautet das Thema. Anton Lutz, der technische Leiter der Züchtungsforschung, erklärt uns, wie man die frischen Hopfendolden richtig bewertet. Schon Form, Farbe und Größe der Hopfendolden geben sehr deutliche Hinweise auf die Sorte, hinzu kommen Formen und Strukturen der Blätter, die die Dolde formen, und schließlich die Spindel im Inneren der Hopfendolde, an der die prall gefüllten und gelb leuchtenden Lupulindrüsen hängen. Unter Anleitung gelingt es uns schon ganz gut, die eine oder andere Hopfensorte zu identifizieren, auch wenn wohl die meisten doch heimlich auf das Schild geschielt haben werden, das an jedem Körbchen mit den Dolden angebracht ist.
eine vierkantige Dolde ist unter anderem für den Hallertauer Mittelfrüh typisch
Aber nicht nur die Sortenbestimmung ist wichtig, sondern auch der richtige Reifegrad. Nicht zu jung, aber auch noch nicht zu trocken – bei manchen Sorten ist es eine Sache von einem oder zwei Tagen, den richtigen Erntezeitpunkt zu erwischen, und die Hopfenbauern tun gut daran, mehrere Sorten anzubauen, die nicht gleichzeitig reifen, um die Ernte über ein paar Tage bis Wochen gleichmäßig zu verteilen.
Als abschreckende Beispiele bekommen wir Hopfendolden zu sehen, deren Mutterpflanzen von Schädlingen wie Mehltau oder Peronospora befallen wurden. Braun und kläglich klein sehen sie aus, und der Befall kann sich, wenn weder gespritzt wird noch resistente Sorten verwendet werden, rasch über viele Felder ausbreiten.
Dolden von mit Mehltau befallenen Pflanzen
Eine Dolde nach der anderen brechen wir auf, schnuppern an den Lupulindrüsen, zerreiben die Dolden vorsichtig zwischen den Fingern. Nach und nach bildet sich ein dicker und klebriger Belag auf den Fingern und Handflächen, und wer nicht aufpasst, hat auch ruckzuck gelbe Farbe an Hemd und Jacke kleben, vielleicht sogar im Gesicht und den Haaren. Ein großer Spaß.
„Mit den klebrigen Fingern rutscht uns das Bierglas wenigstens nicht mehr aus der Hand“, stellen wir in der Mittagspause fest. Zwei Biere mit dem noch unbenannten Hopfenstamm 2011/02/04 verkosten wir zum leckeren Büffet, und zwar einmal ein Amber Ale der Münchner Brauerei Hopfenhäcker, und zum anderen ein Helles, das wiederum aus der TU München stammt. Beide sind sehr gefällig, und die Hopfenaromen stehen im Vordergrund, ohne den Biercharakter zu stark zu dominieren. Sehr schön. Und angesichts der kräftigen Grundlage, die das Mittagessen gerade gelegt hat, können wir uns auch durchaus ein paar größere Schlucke gönnen.
Ferdinand Weingarten zeigt uns die Busch-Farm
Direkt gegenüber des Hopfenforschungszentrums liegt die Busch-Farm – ein Hopfenhof, der zur US-amerikanischen Großbrauerei Anheuser-Busch gehört und auch nach all den Übernahmen und Fusionen, die zur ABInBev führten, immer noch betrieben wird. Die Firmenleitung war und ist der Meinung, dass eine eigene Hopfenfarm in Deutschland einfach zum Firmenportfolio gehören muss. Der Leiter, Ferdinand Weingarten, führt uns durch den ganzen Hof, und als kleiner Höhepunkt stehen wir irgendwann in der geheizten Hopfendarre. Vielleicht vierzig Grad heiße Luft durchströmt den Hopfen und weht uns um die Nasen. Im Nu sind wir durchgeschwitzt, aber das intensive Hopfenaroma, das wir hier spüren, ist die durchfeuchteten Klamotten allemal wert.
in der Hopfendarre
Jeden einzelnen Produktionsschritt bekommen wir im Detail erklärt und begleiten die Hopfendolden somit quasi von der Zupfmaschine bis zum endgültigen Verpacken.
Zurück auf der anderen Straßenseite sehen wir das Ganze noch einmal in klein. Das Hopfenforschungszentrum hat eine ganz kleine Hopfenpflückmaschine, mit der auch einzelne Hopfenpflanzen automatisch gepflückt und sortenrein getrocknet werden können – ganz wichtig, wenn auf den Versuchsfeldern ‘zig verschiedene Pflanzen stehen und die Merkmale ihrer Dolden separat bewertet werden müssen.
verschiedene Hopfensorten
In den Gewächshäusern des Hopfen-Kindergartens sehen wir, wie junge Hopfenpflanzen schon in der ersten Wachstumsphase mit Schädlingen traktiert werden, um von tausenden und abertausenden kleinen Pflänzchen nur die auszulesen, die eine Mindest-Widerstandsfähigkeit mitbringen. Diejenigen, die das überleben, werden separiert und so groß gezogen, dass man männliche und weibliche Pflanzen unterscheiden kann. Die männlichen Hopfenpflanzen werden gekappt, damit sie keine Samen ausbilden können, und die vor sich hin kümmernden Pflanzen werden andernorts am Leben gehalten, um als Genpool für weitere Kreuzungen dienen zu können. Die weiblichen Pflanzen hingegen kommen irgendwann auf’s Feld, und wenn sie sich als vielversprechende neue Sorte erweisen, dann kommen sie irgendwann so weit wie der Stamm 2011/02/04, das heißt, es werden schon einige Reihen davon angebaut und die ersten Versuchsbiere damit gebraut. Und dann geht es los mit der Namensfindung, zu der das Hopfenforschungszentrum schon um Vorschläge gebeten hat.
im „Kindergarten“ der Hopfenzucht
Versuchsbiere, das ist auch das Stichwort für den letzten Abschnitt unseres Schulungstags. Wir bekommen zwei Biere vorgesetzt, beide in der Bitburger Versuchsbrauerei hergestellt und in neutralen Flaschen und Gläsern serviert. Eins ist mit einem kommerziell etablierten Hopfen gebraut, das andere mit einer neuen Züchtung, die widerstandsfähiger gegen Schädlinge und Umwelteinflüsse sein soll, ansonsten aber möglichst die gleiche Charakteristik haben sollte. Es geht bei dieser Verkostung also weniger um „besser“ oder „schlechter“, sondern um „idealerweise sollten beide Biere möglichst gleich schmecken“. Im Wesentlichen tun sie das auch, aber ganz dezente Unterschiede schmecken wir dennoch heraus.
Verkostung
Wie im Flug sind die Stunden vergangen, und mit einer offenen Diskussionsrunde beenden wir den Schulungstag. Jede noch so abwegige Frage, die wir jetzt haben, wird beantwortet, und ganz zum Schluss hat Walter König noch eine kleine Überraschung parat: Die kleine Hopfendolde aus Gummi, die wir alle zu Beginn des Tags bekommen haben und die wir für ein Souvenir in Form eines Radiergummis gehalten haben, ist in Wirklichkeit ein USB-Speicherstick, auf dem die ganzen Schulungsunterlagen des heutigen Tags zu finden sind – viel Material zum häuslichen Nachbereiten.
kein Radiergummi, sondern die Vortragsunterlagen in elektronischer Form
Wenn die CoViD-19-Pandemie auch die Bedingungen, unter denen der Tag hat stattfinden können, erheblich beeinflusst hat, ist es dem Hopfenforschungszentrum doch gelungen, uns einen sehr tiefen Einblick in die Arbeit vor Ort zu geben. Beeindruckend!
Mein ganz persönlicher Dank geht nicht nur an Walter König und seine KollegInnen, sondern auch an Mareike Hasenbeck von Feiner Hopfen, die mir diesen Seminarplatz vermittelt hat.
Schulungs- und Erlebnistag für Brauer und Influencer
Hopfenforschungszentrum Hüll
Hüll 5 1/3
85 283 Wolnzach
Bayern
Deutschland
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