Vinohradský Pivovar, s.r.o.
Praha
CZE

In den Prager Ortsteil Vinohrady verirren sich Touristen nur selten, und so sind wir denn auch nach eigener Wahrnehmung die einzigen Deutschen, die die Korunní-Straße am späten Sonntagvormittag entlangspazieren. Die Sonne scheint, es ist winterlich kalt, und so hat selbst der klotzige moderne Orionka-Bau fast schon so etwas wie eine angenehme Anmutung.

Außenansicht der Vinohradský Pivovar

Und direkt daneben erspähe ich in einem elegant-klassizistischen Bau die Vinohradský Pivovar. In großen, schlichten Lettern ist der Schriftzug auf die Häuserwand gemalt, über dem kleinen, unauffälligen Eingang hängt ein rundes, beleuchtetes Schild, und daneben hängt eine schwarze Kreidetafel mit den Tagesgerichten und den heute im Ausschank befindlichen Bieren.

Nix wie hinein, also!

Uns empfängt im Tiefparterre ein langgestreckter, schlichter, weißer Raum – ein Tonnengewölbe mit einer kleinen Ausschanktheke an der Stirnwand. Ein einfacher Holzfußboden, ganz schlichte und einfache Holzmöbel. Kein Schmuck, kein Pomp, nichts.

der Schankraum im Tiefparterre

Wir gehen noch eine weitere Treppe hinunter in den richtigen Keller – ziemlich tief unten sind wir jetzt. Der Schankraum hier ist etwas größer und noch schlichter. Wenn letzteres überhaupt geht … Weiße Wände, Belüftungsarmaturen aus Blech in einer Ecke, große, runde und weiß strahlende Neonlampen, und an der Stirnwand die Toilettentüren, die an Stahltüren in einem Luftschutzbunker erinnern. Tische und Stühle erneut einfach nur aus Holz, rechteckig, ohne jede Zierde. Keine Tischdecken, nichts. Einziger Farbtupfer: Der knallrote Feuerlöscher an der Wand.

Und trotzdem wirkt es hier nicht ungemütlich. Es ist angenehm warm, die Bedienungen sind sehr nett und freundlich, blitzschnell obendrein, und obwohl nur wenige Gäste in diesem großen Raum sitzen, herrscht eine angenehme, recht unaufgeregte Atmosphäre.

es geht noch eine weitere Ebene hinunter

Ein schlichter, fotokopierter Papierstreifen informiert über die beiden Biere, die es gibt; die Kellnerin bringt einen ebenso schlichten DIN-A-4 Bogen als Speisekarte. Es gibt die klassische regionale Küche mit nur leichtem internationalen Einschlag. Robust und preiswert, aber sehr schmackhaft. Viel Fleisch, versteht sich, wir sind ja in Tschechien, dem Land, in dem es nach wie vor als Beleidigung des Gastes gilt, ungefragt etwas so Unanständiges wie Salat oder Gemüse zu servieren.

Neugierig ordere ich das erste Bier, das Vinohradská 11°, ein einfaches Helles mit 4,5% Alkohol. Im einfachen, kugeligen Glaskrug steht es vor mir, intensiv gelb, leicht trüb. Ich nehme einen ersten Schluck und …

… bin hellauf begeistert. Eine knackige Hopfenbittere, kräftig und blitzsauber, dazu ein ordentlicher, aber nicht zu süßer Malzkörper. Ein wunderbares ungefiltertes Pilsener. Nicht die leiseste Diacetyl-Note, frisch und herb, und im Abgang bleibt die Bittere genau so lang haften, wie es nötig ist, um Appetit auf den nächsten Schluck zu machen. „So muss Pils!“, würden Werbefuzzis wohl dichten. Aber dieses Bier hat keine Werbung nötig, es spricht für sich selbst.

das Vinohradská 11°

Fast schon fehlt mir der Mut, die andere Sorte zu probieren, das Jantar 13°, das Bernstein-Bier. Es kann ja eigentlich nur schlechter werden …

Und erneut bin ich überrascht. Vollmundiger als das Pils, etwas weniger herb, aber immer noch nachdrücklich hopfig. Schön ausbalanciert, süffig, vielleicht einen Hauch sättigender als das Pils, aber ebenfalls ein Spitzenbier.

Traurig nur, dass wir erst zwölf Uhr mittags haben, es ist definitiv die falsche Tageszeit für ein drittes, viertes, fünftes Bier …

Blick durch ein Bullauge auf die Gärtanks

Stattdessen erkunde ich ein wenig die weiteren Räumlichkeiten. Durch ein Bullauge in der meterdicken Kellerwand erspähe ich die Gärtanks, und durch ein weiteres Bullauge neben der Treppe sehe ich das Sudwerk. Der junge Brauer sieht, wie ich durch das Bullauge fotografiere und winkt mich rein, ich dürfe gerne durch die Tür gehen und ein paar Bilder machen. Eine Gelegenheit, die ich mir nicht entgehen lasse. Aber er ist beschäftigt, die Zapfanlage im unteren Schankraum geht nicht, er muss basteln und reparieren, und so kommt es nicht zu einem Gespräch.

das Sudhaus

Aber wer so geniale Biere braut, den darf man auch nicht stören, sondern sollte ihn in Ruhe schalten und walten lassen – auf dass er sein Niveau beibehalte und wir, wenn wir erneut in Prag sind, dann abends hier einkehren können, auf ein, zwei, drei … viele Biere!

Die Vinohradský Pivovar ist täglich ab 11:00 Uhr durchgehend geöffnet; kein Ruhetag. Sie bietet in schlichter Atmosphäre einfache, aber gute lokale Küche und exzellentes Bier. Zu erreichen ist sie problemlos mit der Straßenbahn, Linien 10 und 16; die Haltestelle Orionka liegt direkt neben der Brauerei.

Bilder

Vinohradský Pivovar, s.r.o.
Korunní 2506/106
Vinohrady
101 00 Praha
Tschechien

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