Eine dunkle und enge Nebenstraße, nicht weit vom Boulevard de Ménilmontant entfernt. Große klassizistische Bürgerhäuser. Vor mir ein kleines, rotes Licht und die hölzerne Vorderfront eines typischen kleinen Pariser Cafés, das Les Trois 8. Ein paar Raucher drücken sich unter der Lampe vor der Tür herum, treten fröstelnd von einem Fuß auf den anderen. Bistro/Bar steht an einer Seite geschrieben, Bière Artisanal auf der anderen. Handwerkliches Bier also!
Les Trois 8
Ich schiebe mich in die Bar hinein, und wie durch ein Wunder wird gerade in diesem Moment ein kleines Tischchen frei. Blitzschnell setze ich mich hin, drapiere meinen Mantel über den Stuhl und gehe zurück an die Bar. Acht Zapfhähne zähle ich, und daneben gibt es angeblich noch rund hundert verschiedene Flaschenbiere. Ich studiere die kleine Kreidetafel mit den acht Fassbieren, und ich muss zugeben: Kein einziges dieser Biere ist mir bekannt. Keines! Und von den acht Brauereien kenne ich ebenfalls nur eine. Völliges Neuland. Für einen Moment fühle ich mich wie Roald Amundsen – ich erkunde mir völlig unbekannte Gefilde!
Auf gut Glück wähle ich das erste Bier, ein ganz leichtes, mit nur 2,9 % Alkohol für den Einstieg: Petite Princesse Saison aus der Brasserie Thiriez in Esquelbecq. Ein frischer Durstlöscher, dem man allerdings seinen niedrigen Alkoholgehalt auch anmerkt. Ein wenig dünn. Man ahnt die würzigen Noten des Saisonbiers eher, als dass man sie wirklich schmeckt. Aber keine Fehlgeschmäcker – es ist in Ordnung. Ein Leichtbier für den großen Durst oder den Auftakt für einen interessanten Bierabend.
Petite Princesse Saison
Vue sur l‘Amer IPA aus der Brasserie L’Agrivoise, einer Mikrobrauerei in Saint-Agrève ist das zweite Bier, das ich verkoste. 6,4 % Alkohol, für ein IPA völlig in Ordnung. Die Zitrusnoten sind dezent, nicht zu dominierend, ein voller Malzkörper dahinter, ein sehr schönes Bier. Wenn mich die schummerige Beleuchtung nicht täuscht, hat es auch eine feine orangene Farbe.
Wie immer, wenn ich so schön sitze, mir das Bier schmeckt und die Atmosphäre gemütlich ist, bekomme ich Hunger. Mist, eine Küche sehe ich nicht, eine Speisekarte auch nicht. Ich kratze die wenigen Brocken Französisch zusammen, die ich kenne, und frage den Barmann, ob es eine Kleinigkeit zu essen gebe, so als Snack zum Bier. In fließendem Englisch (!) antwortet er mir: „Natürlich. Nichts Warmes, aber wir haben Brettchen mit Käse, Wurst und Schinken, gerne aber auch Vegetarisches, dazu Baguettebrot und ein paar Kleinigkeiten!“ – „Das hört sich lecker an, ich nehme ein gemischtes Brettchen mit allem, aber nur ein kleines“, erwidere ich zufrieden.
Auch das kleine Brettchen ist schon recht groß. Drei Sorten Käse, zwei Sorten Schinken, drei Sorten Wurst. Hauchdünn geschnitten, das Schieferbrettchen ist randvoll. Dazu ein großes Stück knackfrisches Baguette, und dann stellt mir der junge Mann noch ein Glas mit Marmelade und eines mit eingelegten Gürkchen hin. Ach, genau das Richtige, um ganz langsam, ganz gemütlich zum Bierchen immer etwas zu knabbern. Ich bin rundum zufrieden. Ich genieße.
ein kleiner Snack
Ein drittes Bierchen darf es noch sein. Ich merke zwar schon, wie mich die Müdigkeit überfällt, ich habe einen langen und anstrengenden Tag hinter mir, aber eines geht noch. Sonst wäre das leckere Essen doch gar zu trocken. Das Herbe Adetourne Triple der Brasserie Dieu du Ciel! aus Montréal in Kanada soll den Abend abschließen, entscheide ich. Der erste Schluck – wunderbar. Rund, blumig, estrig, ein wenig bitter, gleichzeitig süßlich-vollmundig. Ein wunderbares Tripel. Kräftige alkoholische Wärme macht sich im Mund breit. Und im Rachen. Und nach dem Schluck auch im Hals. Ich schiele verstohlen auf die Wandtafel und stelle erschrocken fest: 10,2 % Alkohol. Jawoll, ein richtiger Absacker. Gut, dass ich nur ein kleines Glas bestellt habe. Es schmeckt wunderbar, insbesondere zu dieser leckeren Wurst- und Käseplatte, wäre als großes Bier aber schon etwas viel gewesen …
Herbe Adetourne Triple
Wohlige Wärme, ein voller Bauch, die Müdigkeit nach einem langen Tag. Die Stimmen um mich herum verschwimmen zu einem Klangbrei, die bunte Kleidung der Gäste, die Lichter der Bar, das laute Lachen, der Duft des Käses und des Biers. Zu viele wunderbare Sinneseindrücke gleichzeitig. Jetzt nicht beruflich hier sein, sondern mit Freunden oder meiner geliebten Ehefrau, noch einen Spaziergang durch die klare, kalte Abendluft, die Lichter der Großstadt genießen und noch einmal auf ein endgültig letztes Bier zurückkehren …
Doch nein, schießt es mir durch den Kopf. Heute wartet auf mich nur die stickige U-Bahn und das einsame Hotelzimmer. Und ein anstrengender Konferenztag morgen … Nur für einen kurzen Moment hat alles gestimmt, aber schon haben mich die Gedanken an den grauen Alltag wieder eingeholt …
Die kleine Craftbier-Bar Les Trois 8, in der man dem Alltag so wunderbar entfliehen kann, ist täglich ab 17:00 Uhr bis tief in die Nacht geöffnet. Nur wenige Schritte sind es von der U-Bahn-Station Ménilmontant der Linie 2.
Les Trois 8
11, rue Victor Letalle
75 020 Paris
Frankreich
Hinterlasse jetzt einen Kommentar