Jørn Idar Almås Kvig
Den Norske Ølboka

Ein prächtiger Bildband, fast 330 Seiten stark, in großem Format, mit festem Kartoneinband, mit mattglänzendem Papier mit guter Haptik und durchgehend vollfarbig gedruckt, die Vorder- und die Rückseite leicht plastisch gestaltet mit Hochglanz-Elementen und matten Anteilen, die nicht nur sichtbar, sondern auch mit den Fingerkuppen tastbar sind: Den Norske Ølboka. Das Norwegische Bierbuch. Ein Führer durch Norwegens Bier und Brauereien, wie der Untertitel verspricht: En Guide til Norske Øl og Bryggerier.

Jørn Idar Almås Kvig
Den Norske Ølboka

Haben so aufwändig gestaltete Bildbände überhaupt noch einen Markt in einer Zeit, in der das Internet mit seinen Bier-Rating Apps, unzähligen Blogs und prächtig gestalteten Brauerei- und Bier-Websites Videos, Bilder, Grafiken und Text in rauen Mengen liefert und multimedial oft keine Wünsche offen lässt?

Geht es um die reine Vermittlung von Wissen und Eindrücken, dann müsste die Antwort eigentlich „Nein!“ lauten.

Stilisierte Landkarten, die die Kapitel trennen und dem Leser deutlich machen, welche Region Norwegens auf den folgenden Seiten behandelt wird? Ach, das kann das Netz mit interaktiven Layern auf beliebig skalierbaren Landkarten doch viel besser.

simple und stilisierte Landkarten

Brauereibeschreibungen, die dem Leser berichten, wann die jeweils beschriebene Brauerei gegründet worden ist, wie sie sich über die Jahre (manchmal auch Jahrzehnte) entwickelt hat, welchen Ausstoß sie hat und wer dort die Biere braut? Das findet sich auf der Website der jeweiligen Brauerei doch mindestens genauso, wenn nicht gar aktueller, und vielleicht sogar angereichert mit Anekdoten, Bildern und Clips aus der Brauereigeschichte.

Beschreibungen der norwegischen Brauereien

Die Vorstellung der in einer Brauerei gebrauten Biere mit Geschmackseindrücken, technischen Daten und den Etiketten, die auf die Flaschen und Dosen gedruckt worden sind? Gerade bei den kleinen und kreativen Brauereien ist das viel aktueller in den Bier-Rating Apps zu finden; bis so ein Buch gedruckt worden ist, sind die oft nur einmal eingebrauten Sude schon längst ausverkauft, sind die Bilder und Verkostungsnotizen veraltet und von der Realität überholt, ist der Hype schon weitergezogen und favorisiert vielleicht schon einen ganz anderen Bierstil.

umfassende Bilddokumentationen der Brauerei-Portfolios

Also, weg mit diesem Buch und stattdessen im Internet gesurft?

Nein, denn dazu ist es doch gar zu schön, einen großen Bildband in die Hand zu nehmen und auf dem Sofa sitzend, ein frisch eingeschenktes Bier vor sich auf dem Tisch, durch die Seiten zu blättern. Der Leser (oder die Leserin) lässt sich auf den Autor ein, folgt ihm mal hierhin und mal dorthin, lässt sich treiben, betrachtet die großformatigen Panoramafotos oder die oft sehr aufwändig gestalteten Flaschenetiketten und begibt sich auf eine gedankliche Reise durch das Land. Momente des Innehaltens, des Schwelgens, der Kontemplation.

Würde ich das vergleichbar im Netz auch machen? Den Links von einer Website zur nächsten folgen, mich mal hierhin, mal dahin treiben lassen? Vielleicht, aber das Erlebnis wäre ein ganz anderes. Weder würde mich ein Autor als Guide an der Hand nehmen und mich leiten, noch könnte ich mich auf Wesentliches beschränken. Nach wenigen Minuten bereits wäre ich in den unendlichen Weiten des Netzes verschollen, würde von den norwegischen Brauereien zu den japanischen kommen, von dort vielleicht zur Kunst des Zen, von dort zu Meditationstechniken, die mich wiederum animieren, etwas über die Weltreligionen zu lesen. Dies führte mich zu Religionskriegen, in der Folge zu kriegsbedingten Hungersnöten, zu anderen Katastrophen und von dort schließlich zum Untergang der Titanic, der mich zum Hören des Soundtracks des Titanic-Films animieren würde, und spätestens wenn der abgrundtiefe Bass zu Beginn dieser CD meine Lautsprecher ruinieren wird, werde ich völlig vergessen haben, wo und warum ich eigentlich losgesurft bin.

Vermutlich auch schön, aber doch völlig anders.

Insofern bereue ich es nicht, für norwegentypisch viel Geld diesen Bildband gekauft zu haben. Und sei es nur aus Sammlertrieb!

Jørn Idar Almås Kvig
Den Norske Ølboka
Goliat Forlag
Oslo, 2017
ISBN 978-8-293430-15-5

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*


Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.