Reklame?*
Ein kleines, aber sehr feines Paket erreicht mich am ersten Werktag nach den Feiertagen. Der Absender: Yankee & Kraut aus Ingolstadt. 2016 haben Max Senner (der Kraut) und Bryan France (der Yankee) diese Craftbiermarke gegründet und machen seitdem spannende Biere, die sie in künstlerisch gestalteten Dosen und Flaschen auf den Markt bringen (ein sehr schöner Bericht über die beiden findet sich bei Hopfenhelden).
Dabei probieren sie immer wieder Neues aus, unlängst beispielsweise eine neue Hefesorte. Im Resultat sind die Biere spannend, innovativ und warten gelegentlich auch mit Überraschungen auf, die den Rahmen der vom US-amerikanischen Beer Judge Certification Program BJCP oder dem European Beer Star formulierten Stilbeschreibungen sprengen.
Insofern bin ich neugierig, als ich das Paket öffne.
ein kleines, aber feines Paket
Vier verschiedene Dosen finde ich, die durch den mehrtägigen, feiertagsbedingten Aufenthalt im Lager des Paketdienstes schon wunderbar trinkfertig vorgekühlt sind. Sorgfältig stelle ich sie in einen meiner Bierkühlschränke, damit sie sich beruhigen können, und mache mich daran, den Karton zu entsorgen.
Ein Moment des Nachdenkens: Beschäftigen die Kartonhersteller eigentlich ganze Hundertschaften von japanischen Origami-Meistern? Ich habe den Eindruck, dass jede Getränkelieferung, die ich bekomme, für die stabilen Falthülsen in den Kartons, die die Dosen und Flaschen schützen sollen, ein anderes Faltschema verwendet. Habe ich es mittlerweile drauf, bei den Schoppebräu-Kartons die Falthülsen mit einem kurzen Schlag auf die richtige Stelle zu öffnen und ohne hinzusehen flach zusammen zu falten, so fange ich bei jeder anderen Getränkelieferung wie ein Neuling von vorne an. Wo sind die Stecklaschen befestigt und wie? Wo sind die Kanten, an denen ich den Karton scharf falten kann, ohne ein Messer benutzen zu müssen? Wie viele Lagen welcher Größe ergibt die flach zusammengelegte Falthülse? Wie viele davon kann ich aufeinanderstapeln, ohne dass mir das Ganze auf dem Weg zum Wertstoffhof runterfällt und sich über die Straße verteilt? Falthülsenherstellung scheint mir im Zeitalter des Online-Bierhandels eine ganz eigene Wissenschaft geworden zu sein …
vier schön gestylte Dosen
Doch zurück zum Inhalt:
Die Neugier ist groß, der Durst auch, und da ich heute nicht arbeiten muss, kann ich mich auch ohne Zeitverzug mit der Verkostung befassen.
Auf geht’s!
Eden – Pale Ale
Das „Eden – Pale Ale“ bildet im Glas eine ansehnliche und gleichmäßige, recht lange haltbare Schaumkrone aus. Die Farbe ist hellorange, das Bier ist schön gleichmäßig trüb. Der Duft ist fruchtig und leicht, neben ein paar herben Zitrusnoten (Pampelmuse) glaube ich auch, ein paar dunkle Früchte zu spüren. Der erste Schluck erfreut: Eine durchaus kräftige, aber saubere Bittere paart sich mit einer schwachen Restsüße, und retronasal kommen erneut die Fruchtnoten zum Vorschein. Der Schluck ist durchaus prägnant bitter, die Bittere klingt aber ganz gleichmäßig und sauber ab – weder verstummt sie zu schnell noch hängt sie kratzend nach.
Mit 5,5% Alkohol ist das „Eden – Pale Ale“ ein würdiger Vertreter seines Bierstils, der in einer hübsch gestylten Dose mit knallbunten Motiven aus einem fiktiven Garten Eden auch optisch gefällt. Nur die Platzierung des Einwegpfand-Aufklebers ist verbesserungswürdig. Es bringt wenig, wenn er das Dosenetikett zu Teilen verdeckt – entweder wird die hübsche Grafik verhunzt oder Teile des Textes sind unleserlich. Da könnten sich die Grafiker und Designer doch mal Gedanken machen, wie in die Gestaltung ein Feld eingefügt werden kann, das den Aufkleber ästhetisch unschädlich aufnimmt.
Delicious Torment – DDH NEIPA
Machen wir weiter mit dem „Delicious Torment – DDH NEIPA“. Das Akronym steht für Double Dry Hopped New England India Pale Ale und hätte allein schon das halbe Etikett mit Text gefüllt. 6,9% Alkohol hat das Bier, eine hellgelbe, fast schon blasse Farbe (die auf dem Foto nur wegen des frisch gefallenen Schnees so dunkel wirkt), und eine sehr, sehr intensive, aber ganz gleichmäßige Trübung. Gekrönt von einer dezenten, aber lange haltbaren, schneeweißen Schaumkrone verströmt es einen Duft wie ein prallvoll gefüllter Obstkorb in der Markthalle in Funchal auf Madeira. Die Nase kann sich nicht sattriechen an den Aromen, und die schiere Fülle macht es schwer, einzelne Fruchtsorten zu identifizieren. Ananas? Maracuja? Grapefruit? Ach, es ist zu viel und zu komplex, um das auseinanderhalten zu können. Der Antrunk setzt den Eindruck nahtlos fort – fruchtig, süßlich, zunächst kaum eine Spur von Hopfenbittere. Alles ist von den Obstaromen dominiert und überdeckt. Erst im Abgang kommt eine durchaus dezente herbe Note zum Vorschein, die aber von den retronasalen Fruchtaromen völlig überlagert wird.
Endlich einmal ein NEIPA, das die Versprechungen einlöst, die die Brauereien diesen Bieren immer mitgeben: Früchte von Anfang bis zum Ende, und eine Bittere, die sich harmonisch einfügt. Bisher fehlte mir immer diese Harmonie, und die Hopfenbittere zerstörte unvermittelt den fruchtigen Auftakt, ohne dass es einen sanften Übergang gegeben hätte Aus diesem Grund hat sich mir der Bierstil NEIPA bisher nie erschlossen. Mit dem „Delicious Torment – DDH NEIPA“ könnte ein Anfang gemacht sein, meine Meinung zu ändern.
Get Woke – DDH Double NEIPA
Bier Nummer 3: „Get Woke – DDH Double NEIPA”, also ein Double Dry Hopped Double New England India Pale Ale. Gewissermaßen der große Bruder des „Delicious Torment“? Das aufgrund der Farbgebung etwas schwer leserliche Etikett (die weiße Schrift auf gelb strukturiertem Muster lässt mich den Alkoholgehalt kaum entziffern und ich schlage ihn lieber im Internet nach – 7,6%) verrät mir, dass dieses Bier mit Cryo-Hopfen gebraut wurde, also mit Hopfenpulver, dass durch Extraktion der Alphasäure und der Hopfenöle mit flüssigem Stickstoff bei ungefähr -30°C gewonnen wird. Ahtanum Cryo, Simcoe Cryo und Citra Cryo – drei bekannte Hopfensorten (auch der neue Ahtanum hat sich ja mittlerweile bei den kreativen Brauern gut etabliert) wurden verwendet.
Wie das vorherige Bier ist auch das „Get Woke – DDH Double NEIPA” sehr hell, sehr trüb und trägt einen ordentlichen und lange haltbaren Schaum. Der Geruch ist im Vergleich deutlich herber und harziger, die Fruchtaromen bleiben sehr im Hintergrund und ganz zu Beginn blitzt eine kurze Note von Buttersäure auf, die irritiert, aber rasch wieder verfliegt. Auf der Zunge ist das Bier deutlich sympathischer als in der Nase: Hier entwickeln sich Fruchtnoten, die nach dem ersten Schluck retronasal deutlich werden, gepaart mit einer durchaus prägnanten Bittere, die trotz ihrer Intensität weich und sanft bleibt. Das Vorurteil vom großen Bruder bestätigt sich: Die Verwandtschaft ist unverkennbar, aber das Benehmen ist etwas ungehobelter und grobschlächtiger. Ist das „Delicious Torment“ ein liebenswerter, freundlicher Kerl, so gibt sich das „Get Woke“ eher als unerzogener Banause mit grundsätzlich aber gutem Charakter. Und: Bei dieser Dose ist der Einwegpfand-Aufkleber grafisch in das Etikett integriert – also kein Aufkleber, sondern eine bereits im Etikettendruck enthaltene Kennzeichnung. Prima!
Imperial Baltic Porter mit steirischen Kürbiskernen & Vanille, barrel aged in Burgunder Rotweinfässern
Für den Abend bleibt nun noch das „Imperial Baltic Porter“, und zwar das mit dem goldenen Schriftzug (es gibt noch eine andere Version mit silbernem Schriftzug und anderen Zutaten, die aber in diesem Paket nicht enthalten war). Es trägt den Zusatz „mit steirischen Kürbiskernen & Vanille, barrel aged in Burgunder Rotweinfässern“, ist mit Gersten-, Weizen- und Hafermalz gebraut und enthält Laktose. Zwölf Prozent Alkohol sind eine Ansage, und so bin ich gespannt.
Tiefschwarz und ölig fließt das Bier in das Glas, der dicke und hellbraun gefärbte Schaum hält sich leider nicht lang. Intensive und schwere Rotweinaromen steigen in die Nase und füllen sie als dicke, sämige Wolke, ein Hauch Vanille tanzt leichtfüßige Pirouetten dazu und umgarnt die etwas bulligen Röstaromen mit einem feinen, süßen Schleier. Auf der Zungenspitze entwickelt sich viel, viel Süße, die sich aber überraschend harmonisch mit den röstigen Kaffeearomen paart. Laktose und dunkles Malz erinnern gemeinsam an Mokka-Schokolade, die Hefe fügt etwas überreife schwarze Kirschen hinzu, so dass der Gesamteindruck ein bisschen an Mon Cherie erinnert. Der Abgang ist weich und weinig-rund. Retronasal spüre ich erneut viel Mon Cherie Kirsche, aber auch ein bisschen Vanille, und nach dem Schluck entwickelt sich eine angenehme alkoholische Wärme am Gaumen und in der Kehle. Ein wunderbares Bier, um den Tag zu beschließen. Für den perfekten Genuss auf der Bettkante.
Was man leider gar nicht spürt, sind die Kürbiskerne. Ihre Aromen gehen in der intensiven Fülle der anderen sensorischen Empfindungen unter. Bleibt aber die Hoffnung, dass sie wenigstens wirken, wenn man sie schon nicht schmeckt – die Steirer werben ja mit der aphrodisierenden Wirkung ihrer Kürbiskerne. Vielleicht sollte ich mir sicherheitshalber gleich eine ganze Palette dieses Biers ordern?
Yankee & Kraut
Sebastianstraße 18a
85 049 Ingolstadt
Bayern
Deutschland
* Reklame? Es gibt immer wieder Diskussionen, ob die Beschreibung von Artikeln, die ich kostenfrei zur Verfügung gestellt bekommen habe, Reklame ist. Im Zweifelsfall sollte ein Blogbeitrag daher entsprechend gekennzeichnet werden. Ich habe das Probierpaket von Max Senner, dem Kraut von Yankee & Kraut, gratis bekommen. Bei der Rezension der Biere habe ich versucht, mich davon nicht beeinflussen zu lassen.
Hallo ins Allgäu,
toller Blog und entsprechend tolle Texte. Danke dafür.
Viele Grüße aus Köln
André
(Hopfenvoll)
Hallo, André,
hab‘ vielen herzlichen Dank für Deine netten Worte. Freut mich sehr, wenn Dir die Texte gefallen. Ich habe mir Deinen Hopfenvoll-Facebook-Blog mal angeschaut und wünsche Dir viel Erfolg damit.
Mit bestem Gruß, Cheers!
… und natürlich alles Gute für ein hoffentlich GESUNDES neues Jahr 2021!
VQ