Wenn eine Zigarettenmarke im Jahr 1984 einen Bildatlas über deutsches Bier herausgibt, dann kann man sich sicher sein: Es wird ein Blick auf deutsche Bierkultur, der uns heute, im Jahr 2021, geradezu fremd erscheint. Um so spannender ist es also, im Bildband „HB Bild-Atlas Spezial 12 – Das deutsche Bier“ einmal zu blättern und die Gedanken in eine Zeit zurückreisen zu lassen, die unendliche 37 Jahre entfernt ist.
Wolfgang Gerlach u.a.
HB Bild-Atlas Spezial 12 – Das deutsche Bier
Die progressiven Männer trugen eine merkwürdige Dauerwelle namens Minipli, die weniger progressiven, die sich aber trotzdem von der älteren Generation abgrenzen wollten, zu einer halblangen und brav gescheitelten Frisur immerhin statt Sakko oder Jackett ganz mutig eine Strickjacke oder einen Pullover mit V-Ausschnitt, darunter aber immer noch ein weißes oder pastellfarbenes Hemd mit Krawatte.
Geraucht wurde in den Kneipen, dass man die Hand nicht vor Augen sehen konnte, und es ist ein Wunder, dass manche der Bilder in diesem Heft klar und scharf sind. Vermutlich wurde kurz vor den Aufnahmen noch einmal kräftig durchgelüftet, um die Nebelwand zwischen den Gästen aufzulösen.
geraucht wurde noch nach Herzenslust
Getrunken wurde Pils, Helles, Export und ganz selten auch mal ein Bockbier und ein Weißbier. In Köln und Düsseldorf natürlich Kölsch oder Alt. Kneipen oder Biergärten, die mehr als zwei verschiedene Bierstile vom Hahn hatten, galten schon als etwas Besonderes, als geradezu exotisch.
Die Bierszene, so man denn diesen Begriff wirklich benutzen mag, blickte erzkonservativ zur selbstbewussten Nabelschau in den Spiegel und verkannte noch die Zeichen der Zeit, nämlich, dass der Bierkonsum in Deutschland drastisch zurückgehen würde, viele Brauereien stillgelegt oder fusioniert werden müssten und nach teilweise dramatischen Einbrüchen im Mittelstand erst Jahre später eine Bewegung in Gang kommen würde, die wieder zu Brauerei-Neugründungen (Gasthausbrauereien!) und noch später sogar zu einer völlig neuen Bierwelt (Craftbier-Revolution!) führen würde.
die Artikel sind reichlich mit Farbbildern dekoriert
So ist es denn spannend und unterhaltsam zugleich, in den mit großformatigen Farbbildern reichlich dekorierten Artikeln zu schmökern.
Wer mag, findet dieses Heft noch bei den üblichen Internetanbietern antiquarisch für kleines Geld und kann sich so problemlos auf eine Zeitreise begeben.
Wolfgang Gerlach u.a.
HB Bild-Atlas Spezial 12 – Das deutsche Bier
HB Verlags- und Vertriebsgesellschaft mbH
Hamburg, 1984
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