Das Biernetzwerk steht
(Hannover liefert – Etappe 1)
Hannover
DEU

Roomservice der etwas anderen Art

CoViD-19 Pandemie! Zwei Wochen isolierte Unterbringung im Hotel am Flughafen Hannover. Es hat sich rumgesprochen, dass ich das Zimmer nicht verlassen darf. Alles, was ich brauche, wird mir vor die Zimmertür gestellt und ich muss es mir kontaktlos auf das Zimmer holen.

zwei Bierflaschen stehen vor meiner Zimmertür

Sehr schön, wenn dann außer den drei Mahlzeiten am Tag und frischen Handtüchern dann plötzlich zwei Bierflaschen dort stehen. Mein „Schicksal“ wurde bemerkt, und Frank Reimchen, der nur wenige hundert Meter vom Hotel entfernt arbeitet, hat zwei besondere Flaschen belgischen Biers für mich abgegeben und mir vor die Tür stellen lassen.

Eine sehr schöne Geste, begleitet von der Feststellung in den sozialen Medien:

„Wir Hannoveraner werden uns darum kümmern, dass Volker nicht unter schlechtem Bier leiden muss!“

Das Biernetzwerk steht!

Die erste Flasche trinke ich gleich am ersten Abend nach der Lieferung. Es stammt aus der berühmten Brouwerij de Halve Maan aus Brügge. Eine Brauerei wie ein Museum, wie ich seinerzeit festgestellt habe, als ich in Brügge weilte. Hier feinste Technik, dort uralte Ausstellungsstücke, und alles in einem aus Besuchersicht völlig unübersichtlichen Gebäudekomplex untergebracht.

Straffe Hendrik – Brugs Tripel Bier – 2019 – Wild

Das Bier stammt aus der Serie Straffe Hendrik, dem neun Prozent starken Tripel, ist aber in diesem Fall mit einer ungewöhnlichen Hefe vergoren und nennt sich daher wild: „Straffe Hendrik – Brugs Tripel Bier – 2019 – Wild“. Im Glas ist es dunkelgelb, fast schon ins Hellbraune tendierend, und es bildet einen üppigen Schaum aus, der auch lange hält. Beim Erheben des Glases rieche ich es schon: Die verwendete Hefe (Brettanomyces) prägt dieses Bier. Intensive ledrige und schweißige Aromen steigen mir in die Nase. Ich bin kein ausgeprägter Fan dieser Hefe, auch wenn sie – zurückhaltend eingesetzt – dem einen oder anderen Bier einen interessanten Akzent vermeiden kann. Hier aber dominiert sie, und zwar alles. Das ist mir zu viel. Obwohl der Antrunk dann schon deutlich milder ausfällt und auf der Zunge ein eher hopfig-trockener Charakter überwiegt und nach dem Schluck die Hopfenbittere und eine schöne alkoholische Wärme miteinander harmonieren, komme ich nicht ganz über die heftige Geruchsnote hinweg. Die Brauerei spricht von „hints of fruit, flowers and wine“, ich spüre hingegen Leder, Schweiß, Pferdemist. Vermutlich ein Bier, das man noch lange lagern muss. Die Brettanomyces-Hefe ist in der Lage, auch über viele Monate und Jahre hinweg ihren Stoffwechsel aufrecht zu erhalten und ein Bier somit weiter zu entwickeln. Es müsste spannend sein, das über einen wirklich langen Zeitraum zu verfolgen.

Die zweite Flasche birgt jetzt weniger Überraschungen. Die Brouwerij Huyghe aus Melle vor den Toren Gents ist für ihre Serie Delirium Tremens bekannt, Biere, deren Etiketten ein rosa Elefant ziert. Das bürgt für hohen, extrem hohen Alkoholgehalt.

Brouwerij Huyghe – Delirium Christmas

Die Flasche vor mir ist das Delirium Christmas, die Weihnachtsausgabe des Delirium Tremens. Volle zehn Prozent Alkohol hat es. Es zeigt eine dunkelbraune Farbe mit leichten Rubintönen, ist leicht trüb und bildet für ein so alkoholstarkes Bier einen erstaunlich lang haltbaren, üppigen Schaum aus. Die Nase erkennt dunkle Früchte und warme Malznoten, ein bisschen Trockenpflaume und dezent stechenden Alkohol. Auf der Zunge bilden die Fruchtaromen, eine intensive Süße und ein voller Körper ein komplexes Erlebnis. Es empfiehlt sich, das Bier nicht zu kalt zu trinken und den Schluck einen Moment im Mund zu behalten. Je wärmer er wird, um so stärker bilden sich die Fruchtaromen aus und werden immer komplexer. Dann der Schluck. Mit nur ganz zurückhaltender Bittere gleitet das Bier warm in den Hals, retronasal kommen fruchtige Ester und ein Hauch alkoholischer Spritigkeit (aber nicht scharf, sondern weich und mild) zum Vorschein, und die zehn Prozent Alkohol beginnen, im Hals zu wärmen. Ein sehr komplexes Bier, das beispielsweise mit einem schlanken deutschen Pilsner absolut nichts mehr gemein hat, außer der Tatsache, dass beide Getränke als Bier klassifiziert werden. Auch dieses Bier kann und sollte einige Jahre gelagert und gereift werden, im Gegensatz zum Straffe Hendrik Wild ist es aber auch jung und frisch schon wunderbar zu genießen.

Dankeschön, Frank!

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