Dom Piwa
Poznań
POL

Nachtrag 17. März 2016: Ein ganz normaler Wochentag, ein Donnerstag. Morgen müssen die Menschen arbeiten. Und trotzdem bin ich überrascht, als ich das Dom Piwa betrete. Gähnende Leere. Verdutzt sehe ich mich um. Wenigstens ein paar Freibiergesichter oder Hardcore-Craftbier-Fanatiker hätte ich hier erwartet, aber nichts.

Theken-Impression

Erstaunt frage ich den Barmann, was denn los sei? „Posener Altstadt, und dann eine leere Bar? Habt Ihr mit Eurem Sauerbier-Trend die letzten Kunden vergrault?“, scherze ich.

„Aber nein“, gibt dieser zurück. „Du weißt doch, gestern war doch das Fußballspiel!“

Nein, weiß ich als Anti-Fußball-Fan natürlich mal wieder nicht …

„Bayern München gegen Juventus Turin“, klärt er mich auf. „Das haben wir hier gezeigt. Und alle haben ordentlich gebechert. Und dann gab es Verlängerung. Und es wurde weiter gebechert. Und am Schluss wurde der Sieg gefeiert. Naja, Du kannst Dir vorstellen, wie es denen heute geht … Frühestens morgen kommen die alle wieder aus ihren Löchern. Und ich habe heute einen ruhigen Tag!“

das Dom Piwa empfiehlt folgende Hauptgerichte

„So kann’s gehen“, denke ich, und genüsslich verkosten meine Frau und ich uns durch ein paar spannende Biere. Von der Olbracht Brauerei probieren wir das Pomarańczarnia Witbier, das ein wenig zu stark mit Koriander gewürzt ist, schon ein wenig aufdringlich seifig schmeckt, und das Opactwo Olbrachta, ein Belgian IPA – mit spannenden Kontrasten zwischen kräftigen Hefe-Aromen und knackiger Hopfung. Das Mustache Ryeder, ein Rye Pale Ale von Piwne Podziemie ist interessant, lässt aber ein wenig die Sämigkeit und die Fülle eines typischen Roggenbiers vermissen. Und schließlich das Whisky Barrel Aged Russian Imperial Stout von Birbant, das ebenfalls gut schmeckt, aber zu viel Restsüße und zu wenig Holzfasscharakter aufweist.

Spannend und interessant, das ja, aber heute keine Biere, die mich vom Hocker reißen würden.

Dom Piwa

„Was braucht man, wenn man eine Craftbier-Bar, ein Multitap eröffnen möchte?“

„Nun, zuallererst braucht man einen Schneebesen, einen Kartoffelstampfer, einen Dosenöffner, eine Saucenkelle, eine Fleischgabel, einen Spaghetti-Löffel, eine Knoblauchpresse, …“

„Äh?“

„Ja, natürlich, womit soll man denn sonst die Zapfhähne dekorieren?“

Und in der Tat: Im erst vor drei Wochen eröffneten Dom Piwa in Posen sind die zwölf Zapfhähne sauber an einer weiß gefliesten Wand aufgereiht. Und statt eines Holz- oder Messing-Griffs finden wir hier den Schneebesen, den Kartoffelstampfer, den Dosenöffner …

originelle Taphandles

Krzysztof Juszczak, in Hobbybrauerkreisen eher unter seinem Spitznamen Josefik bekannt, hat nur hundert Meter vom berühmten Posener Rathaus entfernt in einer kleinen Seitengasse das Dom Piwa, das Bierhaus, eröffnet. Zwölf ständig wechselnde Biere von Klein- und Kleinstbrauereien werden hier direkt aus dem Fass gezapft, und daneben gibt es ‘zig Flaschenbiere zur Auswahl – ebenfalls die gesamte Palette der polnischen Kleinbrauer abdeckend, aber auch zahlreiche Belgier und insbesondere einige belgische und niederländische Trappistenbiere.

Das Dom Piwa ist ein winziges, schmales Haus, und so erstreckt sich die Bierbar über alle vier Stockwerke, um den Gästen genug Platz zu bieten. Im Erdgeschoss die kleine Theke mit den schon detailliert beschriebenen Zapfhähnen, und dann geht es das Treppenhaus hoch. Erster, zweiter, dritter Stock – jeweils ein größerer Raum, rustikale Einrichtung, noch nicht sehr viel Wandschmuck, aber die Gemütlichkeit entsteht durch die Menschen, die sich hier treffen.

es gibt ‘zig Flaschenbiere zur Auswahl

Selbstbedienung ist angesagt, und so herrscht ein reges Auf und Ab im Treppenhaus – das hält die Gäste nicht nur fit, sondern bietet einerseits eine gewisse Kontrolle über den Alkoholspiegel (wenn ich es nicht mehr fehlerfrei über die Stufen schaffe, dann sollte ich wohl langsam mal nachhause gehen …) und fördert andererseits die Kommunikation: Wer nämlich ob der großen Bierauswahl unentschlossen ist, kann ja einfach die Entgegenkommenden fragen, was sie denn da gerade frisch Gezapftes in der Hand haben … So einfach ist das!

Während meines Besuchs im Dom Piwa am 29. November 2014 hatte Josefik folgende Biere am Hahn: Browar Wąsosz – Polka Pils; Jan Olbracht – Pomarańczarnia Króla; Browar Artezan – Pacific American Pale Ale; Browar Podgórz – Gacie po Tacie Smoked Stout; Jan Olbracht – Śmietanka Hefeweizen; Szałpiw – Bździągwa Belgian Ale; Szałpiw & Pracownia Piwa – No. 2 Belgian Stout; Browar Artezan – India Pale Ale; Browar Kingpin – Berserker Black IPA; Browar Faktoria – Winchester Imperial IPA; Browar Wrężel – American IPA; Pracownia Piwa – Mr. Hard Barley Wine. Ein Parforce-Ritt durch die polnische Bierszene. Und doch nur ein kleiner Ausschnitt …

Da hier auch echte Hardcore-Craftbier-Fanatiker ein und ausgehen, gab es an diesem Tag (unter der Hand in einer Plastiktüte in das Lokal geschmuggelt, und zwar definitiv nicht von Josefik) sogar eine Flasche des offiziell erst am 6. Dezember 2014 in den Verkauf kommenden Cieszyński Dubbel, dem Grand Champion 2014 des großen polnischen Hausbrauwettbewerbs in Żywiec. Mit großen Hallo wurde also eine kleine, inoffizielle Vor-Premiere dieses Bieres veranstaltet …

eine kleine, inoffizielle Vor-Premiere

Das sonstige Publikum im Dom Piwa ist bunt gemischt, auch in meiner Altersklasse habe ich mich nicht fehl am Platze gefühlt. Die Atmosphäre ist lustig, offen, freundlich. Im Hintergrund läuft zeitloser Hardrock, aber nur gerade so laut, dass es nicht stört, dass man nur denkt: „Ach ja, Deep Purple, Mensch, damals, in der Schule …“

Also, ich denke das jedenfalls. Viele andere Gäste mögen denken: „Ach ja, das ist doch das Zeugs, das Papa (Opa …) immer hört, wenn er abends mit seinem Bier auf dem Sofa sitzt …“

Das Gebäude, in dem sich das Dom Piwa befindet, blickt auf eine lange Geschichte zurück, und neben der Theke hängen zwei Dokumente, die das bezeugen. Eines davon ist ein Eintrag aus dem Grundbuch aus Zeiten des Dritten Reichs. Der Reichsadler samt Hakenkreuz prangt oben auf der Urkunde. Berührungsängste kennt man in Polen nicht mehr. Zum Glück!

Berührungsängste? Eher nicht!

Das Dom Piwa ist täglich ab etwa 16:00 Uhr geöffnet und macht Schluss, wenn keiner mehr da ist. Mit der Straßenbahn (Linien 4, 8 und 17) kommt man bis zur Haltestelle Małe Garbary und hat dann noch etwa 150 m zu Fuß vor sich.

Bilder

Dom Piwa
ulica Mokra 2
61-766 Poznań
Polen

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