Bier trinken. Eine Beschäftigung, die unverändert von gefühlt 90% aller Menschen mit Massenkonsum, mit sinnlos Betrinken, mit Saufen, mit Herumkrakeelen und mit weiteren, tendenziell eher testosterongesteuerten, intellektuell wenig fordernden Handlungen assoziiert wird.
Und womit? Mit Recht! Denn leider ist es nach wie vor so, dass die Mehrheit aller Bier-„Liebhaber“ aus männlichen Volumentrinkern besteht, denen es gar nicht so sehr um den sensorischen Genuss geht, sondern darum, sich zu betrinken, im Rauschzustand sich niedrigsten Instinkten hinzugeben, ritualisiert ein sogenanntes „männliches Gemeinschaftsgefühl“ zu erreichen und auszuleben, auf das „schwache Geschlecht“ herabzublicken und sich nach Leibeskräften daneben zu benehmen, nicht ohne währenddessen allen in Seh- und Hörweite befindlichen Mitmenschen gehörig auf die Nerven zu gehen.
Ben Applebaum & Ben DiSorbo
The Book of Beer Awesomeness
A Champion’s Guide to Party Skills, Amazing Beer Activities,
and more than Forty Drinking Games
Diese wenig qualitätsbewussten Volumentrinker sind es auch, die sich daran ergötzen, Bier mit merkwürdig klingenden und herabsetzenden Bezeichnungen zu verbrämen, begonnen mit dem klassischen „Bierchen“, um dann aber rasch kreativ, wenn auch nicht niveauvoller werdend, zu komplexeren Konstruktionen wie „Hopfentee“, „Gerstensaft“, „Männermilch“ oder „Gerstenkaltschale“ überzugehen. Dem Einfallsreichtum sind hier kaum Grenzen gesetzt.
Ich mag das nicht, halte das sogar für primitiv und schäme mich gelegentlich für diese meine Mitmenschen. Und wundere mich nicht wirklich, dass aufgrund dieser Kontextualisierung Bier als Genussgetränk immer noch auf Vorurteile trifft und sich insbesondere bei Frauen nur schwer durchsetzen kann.
Das vorliegende Buch „The Book of Beer Awesomeness“ – „Das Buch der Bier-Großartigkeit“, wie man es etwas holprig übersetzen könnte – schlägt leider genau in diese Kerbe, Es zelebriert Bier, aber nicht als Genussmittel, sondern als Rauschgetränk und Instrument, um sich zünftig und organisiert danebenzubenehmen. Der Untertitel deutet es ja schon an: „A Champion’s Guide to Party Skills, Amazing Beer Activities, and more than Forty Drinking Games“.
Das Vorwort des Buchs ist überschrieben mit „Don’t be an Idiot“, „Sei kein Idiot!“, und wer denkt, na gut, hier wird mit etwas Selbstironie darauf verwiesen, dass das Buch nicht ernst zu nehmen sei, wird rasch enttäuscht sein – das kurze Vorwort warnt lediglich vor illegalem Trinken (zum Beispiel durch Jugendliche, oder dort, wo Alkohol verboten ist) und vor akuten gefährlichen Folgen übermäßigen Alkoholgenusses, beispielsweise beim Führen von Fahrzeugen. Eine reine rechtliche Absicherung also. Mehr nicht.
Dann aber geht es rasch ans Eingemachte. Sage und schreibe vierundvierzig dumme Bezeichnungen für Bier werden aufgelistet und Kunststücke, wie man eine Dose einhändig öffnet, sie mit einem Hausschlüssel so aufschlitzt, dass man sie in wenigen Sekunden leeren („chuggen“) kann, oder wie man eine Flasche, ein Glas oder eine Dose so hält, dass man auf einer Party oder an der Bar möglichst cool wirkt, füllen die ersten Seiten. Hinweise zum raschen Kühlen von zu warm gelagertem Bier, Tipps, um Bier in Bereiche hineinzuschmuggeln, in denen Alkoholverbot herrscht, und Kunststückchen wie Handstand auf einem Bierfass bei gleichzeitigem Trinken aus selbigem durch einen Schlauch folgen. Auch vor Tricks, möglichst laut (oder möglichst „melodisch“) zu rülpsen, schrecken die Autoren nicht zurück.
Tipps, wie man ein Bier möglichst schnell trinken („chuggen“) kann
Gut die Hälfte des Buchs nehmen dann detaillierte Beschreibungen von Bierspielen ein – oder sollte ich besser schreiben: Saufspiele? Egal wie simpel oder komplex das Regelwerk, es geht bei allen vorgestellten Spielen immer darum, dass die Mitspieler möglichst oft einen ordentlichen Schluck Bier trinken müssen und dadurch so rasch wie möglich in den Zustand hoher Trunkenheit aufrücken sollen.
Nun ja, meine Sache ist es nicht, und die Tatsache, dass ich dieses Buch tatsächlich von vorne bis hinten gelesen habe, ist wohl nur dem Umstand zuzuschreiben, dass ich aufgrund einer langen dienstlichen Abwesenheit, bei der nicht immer eine zuverlässige Verbindung ins Internet bestand, viele Stunden Langeweile überbrücken musste.
Immerhin: Man muss den Autoren zugestehen, dass sie das Konzept des Buches sorgfältig umgesetzt, ein gut erkennbares Leitmotiv geschaffen und klare Strukturen beibehalten haben. Immer wieder tauchen unter der Zwischenüberschrift „Coach says“ Tipps auf, wie man seine eigene Performance bei den diversen Spielen und pfauenartigen Selbstdarstellungen verbessern kann, und sowohl das Layout als auch die verwendeten Grafiken sind konsequent umgesetzt. Was noch? Nun, die abgerundeten Ecken des Buchs gefallen mir. Das habe ich bei Büchern aus dem englischsprachigen Raum schon öfter mal gesehen, und ich wundere mich, warum wir das nicht auch im deutschen Sprachraum häufiger vorfinden, beugt es doch Eselsohren durchaus wirkungsvoll vor.
Erweiterung des Wortschatzes: Crop-dusting
Und: Ein bisschen hat dieses Buch auch meinen Sprachschatz erweitert. Crop-dusting, beispielsweise. Ein Wort, das das Düngen oder die Schädlingsbekämpfung aus einem kleinen Flugzeug beschreibt, im übertragenen Sinne aber ein deftiges Danebenbenehmen auf einer Party beschreibt, nämlich: Genussvoll einen fahren zu lassen, während man quer durch den Raum geht, um die Geruchsschwaden so zu verteilen, dass man nicht als Übeltäter identifiziert werden kann. Das müsste man auf Deutsch dann wohl als „den Agrarflieger machen“ übersetzen …
200 Seiten zwar humorig geschriebener, aber dennoch manchmal sehr niveauloser Stumpfsinn, der aber sicher auch seine Fans findet.
Leider.
Denn um es mit Ray Bradbury zu sagen: „Beer‘s intellectual. What a shame so many idiots drink it.“ – „Bier ist intellektuell. Eine Schande, dass so viele Tölpel es trinken.“
Zitat von Ray Bradbury
Ben Applebaum & Dan DiSorbo
The Book of Beer Awesomeness
A Champion’s Guide to Party Skills, Amazing Beer Activities,
and more than Forty Drinking Games
Chronicle Books LLC
San Francisco, 2012
ISBN 987-1-4521-0501-7
Herzlich gelacht! Manche Bücher sind dann doch nur Umweltverschmutzung in jeglicher Hinsicht.
Ja, Esther, aber für das Lernen dessen, was Crop-dusting bedeutet, hat es sich schon gelohnt, das Buch trotzdem zu lesen … :D :D :D