Esther Isaak
Überschäumende Hamburger Kanäle

Neulich las ich in einem Kommentar: „Wir leben im Zeitalter des emotionalen Wissens.“

Emotionales Wissen ist natürlich Quatsch, denn Wissen ist abrufbar, abfragbar, überprüfbar. Wahrscheinlich meinte der Kommentator emotionale Intelligenz.

Intelligenz ist das Potential, das einem zur Verfügung stünde, wenn man es nutzen wollte, viele Zusammenhänge zu verstehen, sich viel Wissen anzueignen und daraus eigene Schlüsse zu ziehen.

Über emotionale Intelligenz schweige ich mich mal aus, denn das ist ein genauso schwammiger Begriff wie Craftbier.

„Craftbier ist ein Gefühl!“, hat Felix vom Endt mal geschrieben, und das ist das Konkreteste, was man dazu sagen kann. Es ist die Verbindung von Können und Kreativität, die uns staunen und genießen lässt, die uns überrascht. Ein Pils an sich ist für mich kein Craftbier, ein hopfengestopftes Lager schon. Wenn ich innerhalb eines Jahres gleich mehrere Lager erwische, die mit derselben Hopfensorte gestopft sind, dann sind die Nachahmer für mich keine Craftbrauer, sondern schlichtweg Trittbrettfahrer.

Mein erster PROTOTYP.


Was hat Craftbier mit Können zu tun?

Manchmal beschleicht mich das Gefühl, dass ein Mustersud gemacht wurde, der nach Bier schmeckte. Die Freunde waren begeistert und schon meinte der Autor, er müsse es in den Handel bringen.

Dann trudeln die Muster bei mir ein, sind infiziert, schmecken wie hopfenübertünchtes Helles, sind krank und schleimig, flockig, sind sauer, sind buttrig, und anscheinend bin ich die Erste, die das bemerkt. Da stimmt doch etwas nicht!

Ich überlege folgendes: Wenn ich einen Kuchen backen kann, den meine Freunde köstlich finde, mache ich noch keine Konditorei auf, denn ich bin keine Konditorin und habe eigentlich gar keine Ahnung von dem, was da passiert.

Letztes Jahr habe ich einen Wein gemacht und wie mir der Vater von David Hertl sagte, einen schwerwiegenden Fehler gemacht: Ich habe nicht geschwefelt. Mein Glück war es, eine tolle Wildhefe zu erwischen und einen sehr kalten Keller zu haben, so dass allen Vergärungsprozessen ein Ende gesetzt wurde. Es war ein guter Rosé, aber es war pures Glück. Wollte ich Wein machen, würde ich zuerst ein Praktikum bei einem guten Weinbauer machen und dann Fortbildungen besuchen, um mehr über die chemischen Prozesse, die sich vor, während und danach abspielen, zu lernen.

Man sagt mir nach, dass ich eine gute Bierverkäuferin und Beraterin wäre. Leute, ich habe das knallhart gelernt! Zwei Jahre Vertrieb komplett auf Provisionsbasis mit großartigen Schulungen! Als es dann zum Bier kam, Fortbildung bei Doemens München und Axel Kiesbye Obertrum/Salzburg. Parallel habe ich immer noch Brauerfreunde, die mir die Welt erklären können, und dankenswerter Weise tun sie es gerne.

Viele fragen mich, warum ich nicht brauen würde. Das ist ganz einfach: Ich kann es nicht, und ich habe zu großen Respekt vor der Komplexität des Projektes.

Hobbybrauen ist großartig. Wenn man jedoch ein Bier in den Handel bringen möchte, sollte man sich zumindest einen Biersommelier holen, der einem ehrlich sagt, wie es schmeckt, und dafür auch ehrliches Geld bekommt.

In Hamburg wurde in der guten Zeit (400 Jahre zurück) jedes Bierfass, das die Hansestadt verließ, von einem Ratsherrn auf seine Qualität überprüft. Hatte es geschmacklich keinen Bestand, wurde es in den Graben geschüttet.

Autor: Esther Isaak
wiederveröffentlicht von Bierguerilla
mit freundlicher Genehmigung der Autorin

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