Jon C. Stott
Beer Quest West
The Craft Brewers of Alberta and British Columbia

Dass sich dieses Buch in meiner Bier-Bibliothek befindet, habe ich nur dem Zufall zu verdanken.

Jon C. Stott
Beer Quest West – The Craft Brewers of Alberta and British Columbia

Warum sollte ich mir ein Buch kaufen, das in geradezu wissenschaftlicher Präzision alle Brauereien in den westlichen Provinzen Kanadas auflistet und sie in betulicher Weise und im doppelten Wortsinn erschöpfend ausführlich beschreibt? Und das noch dazu zum Zeitpunkt des Erwerbs rund zehn Jahre alt war?

Tja, warum eigentlich?

Da war diese Gelegenheit im Internet, als ein Bierliebhaber einen ganzen Stapel gebrauchter Bierbücher zum Verkauf anbot. Ein Bild war dabei, und ich konnte sehen, dass einige dieser Bücher richtig interessant waren. Schwups, waren ein paar eMails ausgetauscht, etwas Geld überwiesen und das Paket mit den Büchern auf dem Postweg.

Dazwischen, ohne dass das auf dem Bild im Internet aufgefallen wäre (und selbst wenn: so what?), das Buch Bier Quest West von Jon C. Stott.

Ein Paperback, rund 250 Seiten, gegliedert in vier große Abschnitte. Systematisch arbeitet der Autor sich durch die Brauereiszene von Alberta, British Columbia und Yukon. Er hat sie alle besucht, meistens mit der Eigentümerin oder dem Brauer gesprochen, viele Biere probiert und offensichtlich nur wenig brauchbare Fotos gemacht.

das Layout ist etwas gewöhnungsbedürftig

Was schon nach ein paar Seiten Lektüre auffällt, ist: Die am häufigsten im Buch vorkommende Feststellung ist: „We want to brew a balanced beer, not too hoppy, not too malty.“ Fast jede interviewte Brauerin, jeder befragte Eigentümer äußert sich in diesem Sinn. „we have to be gentle“, „we had to dumb the beer down, to make it more mainstream“, „approachable craft beer is our basis“, „people thought, it was too bitter“, „we had to tone it down“. Der Autor reist also durch eine Bierszene, die eigentlich gar nicht an besonderen, kreativen Bieren interessiert ist, und mir drängt sich als Leser der Gedanke auf, dass die meisten der Kleinbrauereien in diesem Umfeld ihr mühsames Geschäft schlagartig verbessern könnten, verkauften sie anstelle ihrer interessanten Biere nur umgelabeltes Industriebier.

Aber ich darf nicht zu sehr lästern – in Deutschland war es 2011, in dem Jahr, als dieses Buch erschienen ist, auch noch nicht so, dass in jedem noch so kleinen Dorf schon eine Handvoll Bierenthusiasten zu finden war, denen neue Biere und neue Marken gar nicht exotisch genug schmecken können. Trotzdem, Aussagen wie „we dropped the Pilsner because people found it too flavourful“ stimmen nachdenklich.

lange, ausführliche Beschreibungen

Aber ich will das Buch nicht rundum schlecht machen. Es ist eine schöne Fleißarbeit, es finden sich alle Brauereien, die in den beschriebenen Provinzen im Jahr 2011 existiert haben, es ist viel recherchiert worden, und über die vier Kapitel mit den Überschriften „Alberta“, „The British Columbia Interior and the Yukon“, „Greater Vancouver and the Lower Mainland“ und „Vancouver Island“ hinaus umfasst dieses Buch auch noch ein Glossar der wichtigsten Bier-Fachbegriffe, eine Beschreibung des Brauprozesses vom Halm der Gerste bis zum Glas des Trinkers und eine Auflistung und kurze Beschreibung der meisten Bierstile. Und das Register ist sehr detailliert und sorgfältig zusammengestellt, so dass es kein Problem darstellt, eine bestimmte Textstelle auch zuverlässig wieder zu finden.

Jon C. Stott
Beer Quest West
The Craft Brewers of Alberta and British Columbia
Touch Wood Editions
Victoria, 2011
ISBN 978-1-926741-16-1

2 Kommentare

  1. Servus aus Cape Breton Island / Nova Scotia!

    Zitat:
    „Mir drängt sich als Leser der Gedanke auf, dass die meisten der Kleinbrauereien in diesem Umfeld ihr mühsames Geschäft schlagartig verbessern könnten, verkauften sie anstelle ihrer interessanten Biere nur umgelabeltes Industriebier.“

    Soooo falsch liegst Du mit dieser Aussage in der Tat nicht. Zum einen: Damals war, wie Du schreibst, eine andere Zeit und der Craft Bier-Zug war hier in Kanada noch lange nicht angekommen…. Heisst: Die allermeisten Craft Breweries produzieren (in meinen Augen vermutlich nach wie vor!!!!) in ländlichen, also in der Regel (sehr!) dünn besiedelten Gegenden – und müssen ihr Bier auch in genau diesem Umfeld vermarkten: müssen also gezwungenermaßen das brauen, was sie dem Kunden in „rural Canada“ verkaufen können. Hier in Nova Scotia gibt es inzwischen (meine ich gelesen zu haben) roundabout 70 Craft Breweries, die tolle Biere brauen, von denen die ein oder andere Brauerei auch richtig gut im Geschäft ist. Dennoch gilt auch hier: Im Jahr 2030 werden 60% der Bevölkerung von NS 60 Jahre oder älter sein. Dementsprechend „konservativ“ ist hier immer noch der Bier-Geschmack: Ich kenne von meinen kanadischen Nachbarn hier draußen bisher kaum einen, der Craft Bier trinkt…. In dem von Dir vorgestellten Buch geht’s um den Westen. Im Jahr 2011. Ich würde mich null wundern, wenn einiges von dem, was ich hier über die aktuellen Verhältnisse in Nova Scotia geschrieben habe, genau so auf diese Zeit, diese Gegend und die Craft Brauereien dort zuträfe.
    Zum Abschluss: Erinnere Dich an den Beginn des Craft Bier-Booms in Deutschland: Auch bei uns haben die Jungs in der Anfangszeit durch tolle, aber für den Breitengschmack einfach zu krasse Biere eine Menge Konsumenten überfordert – und damit dauerhaft verprellt…

    Herzliche Grüße aus Cape Breton Island / Nova Scotia
    Frank Böer
    (vorm. Veranstalter Braukunst Live!, München)

    • Hab‘ herzlichen Dank für Deine ausführliche Rückkopplung, Frank.

      Ja, natürlich – man muss das Buch und die Szene, die es beschreibt, im örtlichen und zeitlichen Kontext sehen. Wie ich ja auch geschrieben habe, war in Deutschland vor zehn Jahren es „auch noch nicht so, dass in jedem noch so kleinen Dorf schon eine Handvoll Bierenthusiasten zu finden war, denen neue Biere und neue Marken gar nicht exotisch genug schmecken können“. Und der weite, dünn besiedelte und tendenziell wohl eher ländlich-konservativ eingestellte Westen Kanadas ist auch nicht gerade das Epizentrum für kreative Revolutionäre bekannt …

      Vor zwei Jahren war ich beruflich in Medicine Hat in den nicht ohne Grund so genannten Bad Lands – die dortigen drei Kleinbrauereien waren zum Glück schon deutlich progressiver. Zwar haben auch sie immer ein paar simple Biere für die Volumentrinker im Angebot gehabt, aber darüber hinaus eben auch viele spannende Sachen.

      Gut, dass sich seit 2011 überall so viel getan hat.

      Mit bestem Gruß nach Nova Scotia,

      VQ

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