„Es fing alles im Jahr 2013 an“, lese ich auf dem Bildschirm meines schlauen Taschentelefons und mache große Augen. Acht Jahre her? Und ich habe das nicht mitgekriegt? Obwohl ich zwischen 2015 und 2018 mindestens einmal im Monat in Prag war? Unglaublich!
Es habe mit einer Pivoteka, also einem Bierfachgeschäft, begonnen, lese ich weiter, und schon ein Jahr später, also 2014 haben die Jungs und Mädels hinter der Pivoteka BeerGeek ihre eigene Craftbier-Bar eröffnet – die BeerGeek Bar.
der Eingang zur BeerGeek Bar
Vor dieser BeerGeek Bar stehe ich jetzt und kann es kaum glauben. Sieben Jahre, und ich kehre jetzt erst hier ein. Wie konnte das passieren?
Ich gehe durch den schmalen Eingang und ein paar Treppenstufen hinunter – vieles in Prag spielt sich in den unendlich großen und weitläufigen Kellern dieser Stadt ab. Vor mir hängt das Logo der Bar an der Wand, davor zwei zu Stehtischen zusammengesetzte KEG-Türmchen, daneben zahlreiche KEGs, die auf den Ausschank warten. Ich wende mich nach links, noch ein paar Stufen, und dann bin ich in der eigentlichen (Keller-) Bar angekommen.
ich laufe direkt auf das Logo zu
Während ich noch gebannt auf die an einer glänzenden Metallplatte befestigten 32 Zapfhähne schaue und die auf großen Bildschirmen angezeigte Bierliste diagonal überfliege, fragt mich der junge Mann hinter der Theke erstmal ganz höflich nach meinem Impfnachweis. Sorgfältig überprüft er dessen Gültigkeit. Zwei weitere Besucher reihen sich hinter mir ein, die QR-Codes auf ihrem Telefon ebenfalls schon in der Anzeige. Völlig selbstverständlich läuft dieser Prozess ab, und ich überlege, ob mir das so in Deutschland auch schon passiert ist. Entweder wird gar nicht kontrolliert und gutgläubig einfach durchgewinkt, was mir immer ein gewisses ungutes Gefühl bereitet. Sicher fühle ich mich dann nicht. Oder es gibt ein ewiges Diskutieren, ob diese Kontrolle denn sein müsse, und wo man das Impfzertifikat gerade habe. Umständlich wird das Telefon aus der Tasche hervorgekramt, es dauert lange, bis es entsperrt wird, noch länger, bis endlich der QR-Code auf der Anzeige erscheint, und dann bleibt es meistens doch wieder bei einem müden Blick auf das Display. Ohne Gültigkeitsprüfung, natürlich, so dass man als Besucher wohl auch statt des Impfzertifikats den QR-Code des Straßenbahntickets hätte herzeigen können.
Tja, irgendwie sind wir an den extrem hohen und bedrohlichen Ansteckungszahlen wohl selbst schuld, denke ich mir und suche mir in der zu früher Abendstunde nicht übermäßig besetzten Bar einen Platz.
die Bierliste wird auf großen Bildschirmen angezeigt
Nett ist es hier, ansprechend. Kleinere und größere Tische, durch große Glasscheiben kann ich in den Kühlraum schauen, der jede Menge KEGs, Flaschen und Dosen beherbergt, aber genauso gut kann ich dem jungen Mann an der Bar zusehen, wie er die Biere zapft und den Gästen Tipps und Unterstützung bei der Bierauswahl anbietet. Er wirkt tiefenentspannt und ruhig und ist doch hochkonzentriert und effizient. Sehr angenehm.
Die Betreiber dieser Bar (und der Pivoteka) sind auch als Wanderbrauer unterwegs und produzieren unter der Marke Sibeeria spannende Biere, habe ich vorhin im Internet gelesen, und so ist es Ehrensache, dass ich mit deren Biere anfange.
Sibeeria Everyday Life
Das Sibeeria Everyday Life, ein Pale Lager mit 5,3% Alkohol, macht den Auftakt. Klar gefiltert, mit einem sehr schönen Schaum und einer kräftigen, vielleicht ein bisschen zu derben Bittere ist es ein solides Alltagsbier. Aufgrund der Bittere bestimmt hervorragend als Begleiter zu einem deftigen Essen oder Snack geeignet. Gäbe es hier in der Bar auch, aber ich bin noch gut satt vom Catering während der Konferenz, die mich heute nach Prag geführt hat. Insofern bleibt es bei Bier pur.
Sibeeria Stromboli
Bier Nummer Zwei ist ebenfalls von Sibeeria, und zwar das Stromboli – ein American IPA mit 5,8% Alkohol. Deutlich trüb, sehr fester Schaum, intensiver, fruchtiger Geruch. Pampelmusenschalen, Mandarinenschalen, herbe Zitrusfrüchte. Dem intensiven Duft folgt ein ebenso intensives Geschmackserlebnis. Sehr bitter, noch bitterer als das Pale Lager, aber die Bittere ist weicher und runder und somit wesentlich angenehmer zu genießen. Die herben Fruchtaromen begleiten den Schluck, und am Ende hängt die Bittere gerade so lange im Hals, dass dieser trocken wird und nach dem nächsten Schluck verlangt. Ein sehr eindrucksvolles Trinkerlebnis, und das bei weniger als sechs Prozent Alkohol.
Ich schaue auf die Uhr: Für ein Bier wird es noch reichen, aber dann muss ich heute früh ins Bett. Also darf es jetzt etwas Stärkeres sein. Ich hatte doch gerade von einem Imperial Stout von Sibeeria gelesen, das dürfte jetzt gerade das richtige sein.
Bedauerns zuckt der Barmann mit den Achseln. „Du kommst fünf Minuten zu spät. Gerade haben wir das leere KEG abgeklemmt und ausgetauscht.“
Aber es ist ja nicht das einzige Starkbier in der langen Liste auf den Bildschirmen. Ich entdecke das Schmieröl, das Smeerolie, der Moersleutel Craft Brewery, ein Imperial Stout mit zehn Prozent Alkohol. Ja, das nehme ich.
Moersleutel Smeerolie
Beim Zapfen sehe ich schon, wie es tiefschwarz und fast viskos ins Glas fließt und einen bräunlichen, kremigen Schaum ausbildet. Ich nehme das Glas und gehe zurück zu meinem Platz. Dicke, fette Malz- und Kakaoaromen rieche ich, dahinter ein paar leichte, röstige Akzente. Der Antrunk ist regelrecht zähflüssig, und auf der Zunge macht sich das Bier breit und dick, füllt dem Mund bis in den letzten Winkel mit seiner kräftigen Süße und seinen Kakao- und Bitterschokoladenoten. Angesichts dieser klebrigen Vollmundigkeit hat die Bittere gar keine Chance, zur Geltung zu kommen. Vermutlich ist das Bier kräftig gehopft, sonst würde es viel klebriger wirken, aber die Hopfenherbe geht mit fliegenden Fahnen im dunklen Sirup dieses Biers unter. Ein hervorragendes Bier, aber eines, das sich nur ganz langsam und in winzigen Schlucken genießen lässt.
die Bierauswahl in der Kühlkammer ist beeindruckend
So wird es denn doch deutlich später als ich wollte. Ich bringe es nicht übers Herz, das Bier zu schnell zu trinken oder gar einen Rest übrig zu lassen. So genieße ich langsam vor mich hin, spüre, wie die Hektik des Tages von mir abfällt und sich eine tiefe Ruhe breitmacht. Ist es mittlerweile schon spät? Ach, egal! Dieses Bier ist es wert, ein wenig Schlaf zu opfern. Ein wunderbarer Abschluss eines sehr angenehmen Besuchs in dieser ansprechenden Bierbar. Sehr schön hier!
Die BeerGeek Bar ist täglich ab 15:00 Uhr geöffnet; kein Ruhetag. Die Metrolinie A und die Straßenbahnlinien 11 und 13 halten quasi direkt vor der Tür.
BeerGeek Bar
Vinohradská 988/62
130 00 Praha OT Žižkov
Tschechien
Ein sehr schöner Eindruck. Muss ich hin. Praha ist immer eine Bierreise wert. Ziskov war ich auch schon 2, 3 mal. Ein schöner Stadtteil.
Oh, ja, Thomas,
Praha lohnt sich immer. Eine wunderschöne Stadt mit einer sich trotz Corona stetig weiterentwickelnden Bierszene. Jederzeit!
Mit bestem Gruß,
VQ