Nachtrag 3. Mai 2023: Rund fünf Monate ist unser letzter Besuch in der Bierbar und soon-to-be Brauerei Numéro 10 Pigalle her. Ob der Laden mittlerweile eine Lizenz hat und es dort vor Ort gebrautes Bier gibt?
Da wir sowieso gerade ganz in der Nähe sind, können wir das ja mal schnell erkunden – es ist ein Umweg von lediglich ein paar Minuten. Gut gelaunt marschieren wir am frühen Nachmittag durch die Tür und gleich mit der Frage auf den Lippen: „Na, gibt es inzwischen Euer eigenes Bier?“
Der Barmann schaut uns bedauernd an. „Nein, leider noch nicht. Wir arbeiten immer noch dran.“
„Macht nix. Wir essen trotzdem jetzt gerne einen Burger, und ich suche mich ein gutes Bier aus Eurem Kühlschrank, okay?“
Er nickt und drückt uns die Karte in die Hand.
Ich gehe rüber zum Kühlschrank und finde ein Bier aus Espoo, aus Finnland: Salama Brewing – Born Sparky – New Espoo Pale Ale. Eine Dose mit einem witzigen Design, dominiert von ein paar Zündkerzen. Dazu bekomme ich ein etwas gedrungenes, robustes Glas der Brauerei Underwood. Passt irgendwie, auch wenn es von einer anderen Brauerei ist.
Salama Brewing – Born Sparky – New Espoo Pale Ale
Ich schnappe mir Dose und Glas und suche mir eine Stelle mit einem schönen Hintergrund für mein obligatorisches Bierfoto, als der Barmann mich anspricht: „Ach, Du bist doch der mit den Teppichen! Du warst letztes Jahr schon mal hier! – Cool, gib mir mal Deinen Nicknamen von Instagram!“
Na, das ist ja eine nette Überraschung. Und dank der gegenseitigen Folgerei bei Instagram weiß ich nun auch, dass er, Kevin Lehning, nicht nur so aussieht, als sei er Rockmusiker, sondern tatsächlich auch als aktiver Drummer unterwegs ist. Drummer und (zukünftiger) Bierbrauer? Mit Sicherheit nicht die schlechteste Kombination!
Das 5,5%ige finnische Pale Ale erweist sich als hervorragende Wahl. Obwohl eigentlich schon seit wenigen Wochen über das Mindesthaltbarkeitsdatum, ist es trotzdem fruchtig, hopfig-herb, angenehm erfrischen und schon ausgewogen. Hohe Durchtrinkbarkeit, passend zu einem mit reichlich Jalapeños nachgeschärften Burger. Prima!
Numéro 10 Pigalle
„Pigalle, Pigalle, das ist die große Mausefalle mitten in Paris …“, so hat Bill Ramsey vor mehr als sechzig Jahren das Vergnügungsviertel in Paris besungen. Mittendrin in dieser Mausefalle, zwischen Sexshops, Varietés und Clubs findet sich die kleine Bier- und Burger-Bar Numéro 10 Pigalle.
Es ist eine Noch-nicht-ganz-Brauerei, wie wir schnell erfahren, nachdem wir über die Türschwelle getreten sind …
„Hallo, wie kann ich Euch helfen?“, fragt uns direkt nach dem Eintreten ein nicht mehr ganz junger, aber dafür umso dynamischerer und beliebig gut gelaunter Barmann. Mit seinem überbreiten Stirnband, das seine wilde Lockenmähne aus dem Gesicht hält, der Bomberjacke und der zu engen Jeans scheint er direkt aus einem Rockmusical über die frühen 70er Jahre zu kommen.
„Hm, wir wollten eine Kleinigkeit essen und insbesondere das hier gebraute Bier probieren“, antworten wir, und ich deute auf die vier großen Gär- und Lagertanks, die hinter der Theke stehen. Recht luxuriöse Tanks mit Mantelkühlung, hergestellt in Deutschland bei der Firma Speidel, wie ich sofort erkenne.
Sudhaus und Lagerkeller stehen schon fertig da
„Ouh!“ Der Barmann runzelt bedauernd die Stirn. „Wir haben zwar schon alles da“, fährt er fort und zeigt nicht nur auf die Tanks, sondern auch auf den Braukessel, das 500-l-Braumeister-Modell von Speidel im Nebenraum. „… aber uns fehlt noch die Genehmigung. Im Frühjahr geht’s los!“
„Ich kann Euch aber tolle Craftbiere anbieten“, geht er direkt auf unsere Wünsche ein. „Vier verschiedene Sorten vom Fass und einen bunt sortierten Kühlschrank mit Dosen. Kommt mit, ich zeig’s Euch!“
Sein Englisch ist zum Glück perfekt, und so finden wir mit seiner Hilfe und auf seine Empfehlung nicht nur hervorragendes Bier, sondern auch einen schönen Platz, einen leckeren Imbiss und einen heißen Tee für meine holde Ehefrau.
die Einrichtung ist ansprechend
Durch eine große Glasscheibe können wir dem Koch beim Braten zuschauen, und durch das Eingangsfenster sehen wir direkt auf den gegenüberliegenden Sexshop. Aber ich wende mich dann doch der Aussicht direkt vor mir zu, der Zizpil Fruited Gose aus der französischen Brauerei La Superbe. Klingt ja fast schon ein bisschen arrogant, der Brauereiname, aber nach dem ersten Schluck stelle ich fest: Die Jungs und Mädels dort können was. Zwar handelt es sich bei dem Bier nicht um eine richtige Gose, sondern um eine Verballhornung dieses Stils, wie sie mittlerweile durch Fruchtzugaben und alles Mögliche an sonstigen Zutaten üblich ist, aber das Resultat gefällt.
Eine nur ganz dezente Säure, ein ebenfalls nur ganz zurückhaltender mineralischer Charakter (und nicht gleich ein völliges Versalzen, wie es in den USA so beliebt ist), feinste Mango-Aromen und eine schön aromatische Schärfe von Piment d’Espelette, einer feinen Pfefferschote. Eine beeindruckend gute und harmonische Kombination!
Glücklich sitze ich in meiner Ecke, lasse meinen Blick über die unverputzte Wand und die teils sehr improvisierte Einrichtung schweifen und bin hochzufrieden.
Offensichtlich sieht man mir das an, den nicht nur der Barmann, sondern auch meine Frau (!) fragen, ob ich nicht noch ein zweites Bier trinken mag, es sei doch gerade so schön!
Nun, das lasse ich mir nicht zwei Mal sagen, und schon stehe ich wieder mit dem Barmann vor dem Kühlschrank und höre seine Empfehlungen. Er macht das ganz prima, fragt mich nach meinen Vorlieben aus, und auch wenn ich manchmal den Eindruck habe, gar nicht so schnell antworten zu können, wie er fragt, landen wir am Ende doch wieder bei einem interessanten Bier, und zwar dem Passion Ticket, einem Passion-Safran Sour Ale der französischen Piggy Brewing Co.
zwei gute Biere, wenn auch nicht hier gebraut
Ein grundsolides Sauerbier mit schönen Maracuja-Aromen, aber vom Safran merke ich jetzt nicht so viel. Soll er würzen? Soll er färben? Oder soll er als exotische Zutat das Bier nur besonders machen? Ich weiß es nicht … Ein schönes Bier, aber nicht ganz so sehr eine Offenbarung wie das erste.
Trotzdem prima. Noch ein Weilchen sitzen wir hier und genießen, aber irgendwann fällt der Blick auf die Uhr: Um spätestens 16:00 Uhr müssen wir schon wieder südlich von Paris im Vorort Sceaux sein. Puh, jetzt aber schnell! Metro und RER, das dauert alles noch ein Weilchen. Und bis zur Metrostation müssen wir ja auch noch …
Auf geht’s also, und Augenblicke später laufen wir schon wieder an den freizügig dekorierten Sexshops und Bars entlang.
Numéro 10 Pigalle. Eine Noch-nicht-Brauerei, aber trotzdem schon eine schöne Adresse für leckere Burger, krosse Pommes und eine große Auswahl von Dosen- und Flaschenbieren vorwiegend französischer Brauereien.
Die Bar Numéro 10 Pigalle ist dienstags bis freitags ab 09:00 Uhr, sonnabends ab 10:00 Uhr durchgehend geöffnet. Sonntags und montags ist zu. Von der Metrostation Pigalle mit den Linien 2 und 12 ist sie nur wenige Schritte entfernt, mithin hervorragend erreichbar. Und ab Frühjahr 2023 soll es hier dann auch eigenes, also vor Ort gebrautes Bier geben.
Numéro 10 Pigalle
10 Rue Frochot
75 009 Paris
Frankreich
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