„Geöffnet mittwochs von 16:00 bis 19:00 Uhr“, lese ich im Internet und stutze. Die Brasserie Roquette dürfte damit ein Meisterschaftskandidat sein für den Wettbewerb um den Pokal „Brauerei mit den kürzesten Öffnungszeiten“.
Wie gut, dass ich genau zu dieser Zeit sowieso mit dem Enkel ein bisschen an die frische Luft gehen möchte, und 1500 m Luftlinie scheinen auch problemlos zu bewältigen zu sein.
Ein schöner Spätnachmittagsspaziergang durch die frostige Dezemberluft durch die Vororte von Paris also. Wir laufen durch die schmalen Gassen (langweilig), eine lange Allee entlang (interessant, da kann man klettern) und an einem Sherman-Panzer aus dem II. Weltkrieg vorbei (spannend). Deutlich weiter allerdings als 1500 m, weil wir natürlich nicht genau der Luftlinie folgen können.
Völlig unauffällig im Tiefgeschoss eines Wohnhauses: Die Brasserie Roquette.
Schließlich stehen wir in einer Nebenstraße vor einem winzigen Wohnhaus, eine kleine Kreidetafel weist uns in den Keller, und in diesem Keller empfängt uns ein bestens gelaunter junger Mann: „Ja, hier seid Ihr richtig. Das ist die Brasserie Roquette. Kommt rein!“
Wir betreten den engen Keller. Links von uns stapeln sich Bierkästen, rechts von uns stehen eine kleine Zapfanlage und ein winziger Schreibtisch. Auf den Bierkästen sehe ich noch ein paar Fässer, und dahinter eine schmale Tür, die in einen zweiten, genauso engen Keller führt – den Braukeller.
„Ja, das ist schon mein ganzes Reich, meine Brauerei“, erklärt uns der junge Mann in bestem Englisch, und der achtjährige Enkel fängt an zu maulen: „Sind wir nur wegen so einer winzigen Brauerei so weit gelaufen? Doof!“ Die Enttäuschung ist ihm anzumerken.
Das wird kein langer Brauereibesuch – des Enkels schlechte Laune ist zu offensichtlich. Trotzdem zeigt uns der Brauer erstmal seine Kellerräume. Seit zwei Jahren braue er jetzt kommerziell, angefangen habe er als Hobbybrauer in der Küche. Aber dann habe sich die Gelegenheit ergeben, diese beiden Kellerräume zu nutzen, und die Entscheidung, aus dem Hobby einen Nebenerwerb zu machen, sei dann schnell gefallen, erzählt er uns.
Polsinelli-Equipment
Das gesamte Equipment stamme von Polsinelli, fährt er fort. Das sei zwar keine so umwerfend gute Qualität, und die Behälterwände seien ziemlich dünn, aber dafür sei alles recht preiswert, und bei einer Sudgröße von dreihundert Litern ginge das mit den dünnen Behältern noch ganz gut. Es täte ihm nur leid, dass es derzeit nicht aufgeräumt wäre.
Ich schaue in den einen oder anderen Behälter hinein. Blitzblank und gepflegt ist alles, und auch wenn ein paar Teile aus Platzmangel einfach so am Boden herumliegen müssen, wirkt doch alles recht ordentlich und sauber. Da habe ich schon ganz andere Chaos-Brauereien gesehen.
„Wie viele verschiedene Biere braust Du hier?“, möchte ich von ihm wissen.
„Vorerst nur eine Sorte – ein Pale Ale. Vielleicht später mehr. Aber ich fange ja gerade erst an, mich zu etablieren. Ein paar Gaststätten und Restaurants in Bourg-la-Reine und in Sceaux beliefere ich, und einige wenige Lebensmittelgeschäfte. Dazu kommt einmal in der Woche der Rampenverkauf, immer mittwochs. Das reicht erstmal.“
Es ist also reine Liebhaberei, denke ich mir. Der Verkauf reicht vermutlich gerade mal so aus, dass sich das Brauen als Hobby selbst re-finanziert, aber es bleibt bestimmt kein Pfennig übrig.
Doch der junge Brauer scheint einen Mordsspaß an seinem Geschäft zu haben. Strahlend erzählt er von seinen ersten Schritten und davon, wie schön es ist, ein eigenes Bier mit eigenem Etikett vor sich zu haben. Für Weihnachten habe er sogar ein kleines Paket mit fünf Flaschen und einem passenden Glas, perfekt geeignet als Geschenk.
„Passt das bei mir in den Rucksack?“, überlege ich, und als ich merke, dass ja, ist die Entscheidung schnell gefallen. Ein kleines Bierpaket und wieder ein neues Glas für meine unstrukturierte Glassammlung daheim. Eine gute Gelegenheit.
„Können wir jetzt endlich weiter?“, nölt der schwer gelangweilte Enkel, und so breche ich die kurze Brauereibesichtigung nach dem Bezahlen ab.
„Viel Glück und Erfolg mit Deiner kleinen Brauerei“, wünsche ich noch, und schon stehen wir wieder auf der Straße. Im Rucksack klirren die Flaschen, und der Enkel ist froh, wieder herumtoben und klettern zu können.
Die Brasserie Roquette ist eine reine Produktionsbrauerei, betrieben mehr oder weniger als Hobby. Es gibt nur eine Sorte Bier, und der Rampenverkauf ist ausschließlich mittwochs von 16:00 bis 19:00 Uhr geöffnet. Zu erreichen ist die Brauerei recht kommod mit der RER, Linie B, Haltestelle Parc de Sceaux. Von dort aus sind es rund 500 m zu Fuß in nordöstlicher Richtung.
Brasserie Roquette
14 Rue Pasteur
92 340 Bourg-la-Reine
Frankreich
Verkostungsnotizen
Brasserie Roquette – Pale Ale (5,5%)
Das Bier ist dunkelgelb und weist eine mittelstarke, gleichmäßige Trübung auf. Es entwickelt eine ebenfalls mittelstarke Schaumschicht, die relativ rasch zusammenfällt, in einer dünnen Schicht dann aber doch lange erhalten bleibt.
Der Duft wird dominiert von Apfelaromen – und zwar Aromen, wie sie in überreifen roten Äpfeln spürbar sind, die schon leicht angeditscht und etwas braun geworden sind.
Der Antrunk ist spritzig und weist eine ganz leichte, pfeffrige Schärfe auf. Auf der Zunge zeigt das Bier eine leichte Malzsüße und eine sehr zurückhaltende Bittere, die für ein Pale Ale erstaunlich wenig ausgeprägt ist. Retronasal kommt wieder der angeditschte rote Apfel zum Vorschein, diesmal deutlich gepaart mit erdigen Noten – so wie Blumenerde, die im feuchten Keller gelagert worden ist. Leitchemikalien könnten dabei Äthylhexanoat (rote Äpfel) und Äthylfenchol (erdiges Aroma) sein. Muss man mögen.
Im Abgang ändert sich nicht mehr viel – es bleibt bei einer sehr dezenten Bittere und bei intensiven Apfel- und Erd-Aromen.
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