Verkostung
von gereiftem Orval

Blick zurück auf ein ganzes Jahrzehnt

Alles begann mit einer unschuldigen Frage bei Facebook: „Schaut mal bitte … könnt ihr das empfehlen?“, fragte der Herr S. und bezog sich auf ein Angebot von Belgoshop.de mit sechs Flaschen Orval aus den Jahren 2022, 2020, 2018, 2016, 2014 und 2012.

das Bierpaket

Es dauerte gefühlt nur Sekunden, „in echt“ ein paar Minuten, und schon wurde fleißig diskutiert. Der Preis von 80,- EUR war ganz schön hoch, und trotzdem sagten alle „Ja, unbedingt empfehlenswert!“, denn erstens wird dem Orval nachgesagt, dass es aufgrund seiner sehr starken und speziellen Hopfung und der zur Gärung verwendeten Brettanomyces-Hefen auf ganz bemerkenswerte Art reift, und zweitens gibt es nur wenige Händler, die ein sorgfältiges und kontrolliert gealtertes Orval anbieten können. Bei vielen vermeintlichen Schnäppchen im Internet weiß man nämlich nicht, wie das Bier gelagert worden ist – schlimmstenfalls haben irgendwelche Scharlatane das Bier irgendwo in den Heizungskeller gestellt, wo es abwechselnd zu warm und zu kalt ist.

Viele beließen es nicht bei dieser Bewertung, sondern bestellten das Bierpaket kurzerhand. Kriegt man schließlich nicht alle Tage

Mein guter Freund, der Biersommelier Frank Di Marco, war es dann, der die Initiative ergriff: „Das wäre doch mal wieder etwas für eine gemeinsame Online Verkostung? Jeder der ein Paket hat, kann mitmachen. Ich würde die online Plattform bieten.“

Verkostung an dreizehn verschiedenen Standorten

Tja, nun sind drei Wochen vergangen, Frederic Paquet vom Belgoshop.de hat die Biere blitzschnell geliefert (und mir sogar noch ein schönes Orval-Glas ins Paket gepackt), und nun sitzen wir an dreizehn verschieden Orten im In- und Ausland vor dem Bildschirm. Jeder hat sechs Flaschen Orval aus dem Kühlschrank genommen, und es geht los!

Verkostungsnotizen

Jahrgang 2022

Das Bier hat eine fast schon leuchtende, orangene Farbe, ist leicht trüb und entwickelt einen recht üppigen, feinporigen und beigefarbenen Schaum, der sich sehr, sehr lange hält.

Der Duft ist leicht ledrig mit einem Hauch von Zitrus im Hintergrund – in den achtziger Jahren waren Rasierwässer in Mode, die ähnliche Noten kombinierte …

Der Antrunk ist sehr spritzig. Im Mund schäumt das Bier erstmal kräftig auf, aber wenn es sich dann beruhigt, entwickelt es einen knochentrockenen, sehr, sehr bitteren Charakter, der nur ganz dezent von feinen retronasalen Zitrusaromen und einem Hauch dunkler Früchte (Steinobst) aufgelockert wird. Die Bittere bleibt lange haften, ist aber sauber und nicht kratzig.

Jahrgang 2020

Im direkten Vergleich mit dem Vorgängerbier ist dieses etwas dunkler und zeigt etwas mehr Leder im Aroma. Der immer noch knochentrockene Charakter wirkt etwas runder, die Zitrus- und Fruchtaromen sind nahezu verschwunden. Der nach einiger Zeit in sich zusammenfallende Schaum bildet lustige Fleckenmuster auf dem Bier.

Jahrgang 2018

Das vier Jahre alte Bier wirkt wieder etwas heller. Es ist fast klar. Sein Schaum ist grobporiger und sackt etwas schneller in sich zusammen. Der Ledergeruch ist eigentlich weg, stattdessen verbergen sich in dem spritzigen Charakter süßliche und etwas karamellig wirkende Aromen, und retronasal entwickelt sich ein Hauch von frisch gemahlenem weißen Pfeffer.

auch optisch unterscheiden sich die Biere etwas
(v.l.n.r. oben: 2022, 2020, 2018, unten 2016, 2014, 2012)

Jahrgang 2016

Die Farbe wird wieder dunkler (was vielleicht auch daran liegen kann, dass das Bier jetzt schon fast klar ist und daher das Licht nicht so reflektiert wie die etwas trüberen Biere vorher). Es hat Aromen von angeditschten roten Äpfeln, von Most und von feuchtem Keller. Die Bittere geht zurück; ledrige und „brettige“ Aromen werden deutlicher, und zwar in durchaus harmonischer Art und Weise. Trotzdem bleibt das Bier seltsam unterkomplex, fast schon flach.

Jahrgang 2014

Das Bier ist jetzt ganz dunkel und fast klar – fast sieht es aus wie filtriert. Es riecht nach Apfelmus, hat aber auch ein paar herbe Akzente (Quitte?), präsentiert viel Leder und feuchten Keller und wirkt nach dem Schluck adstringierend und holzig. Retronasal ist grüner Pfeffer zu spüren. Obwohl die Bezeichnungen der Aromen eher abschreckend klingen, ist es das komplexeste und vielleicht beste Bier der heutigen Verkostung.

Jahrgang 2012

Das älteste Bier der Runde ist fast ganz klar, zeigt eine fein ledrige Nase, überraschend viel Restsüße und, wie schon das 2018er, ein paar Karamellnoten. Hinzu gesellen sich Stachelbeere und frisch geschnittene Blumenstängel.

Nachdenklich blicken wir auf die sechs Flaschen und sechs Gläser – unterschiedliche Farbschattierungen, unterschiedliche Trübungsgrade und nicht zuletzt auch unterschiedliche Schaumstrukturen machen die Biere auch optisch genauso individuell wie sensorisch.

sechs Flaschen und sechs Gläser

„Wollen wir jetzt auch mal die Hefebodensätze verkosten?“, kommt ein Vorschlag aus der Runde.

„Hm, warum nicht?“

Aber die Ernüchterung kommt rasch: Ungenießbar wird das Bier zwar nicht, wenn wir die Hefe aufschütteln und mit ins Glas bringen, aber es entwickeln sich doch ein paar eher harsche, raue Aromen, die die Harmonie des Biers ein bisschen stören. Nein, das verfolgen wir nicht weiter, auch wenn die spontane Idee sicherlich gut gemeint war.

Es bleibt die Faszination, wie sich ein und dasselbe Bier in zehn Jahren weiterentwickeln kann  und dass die Entwicklung nicht geradlinig verläuft. Verschiedene Aromakomponenten entwickeln sich auf und ab, verschwinden zwischendurch fast völlig, nur um zwei oder vier Jahre später wieder aufzutauchen – wer hätte das gedacht?

Eine absolut beeindruckende Verkostung mit hochklassigen Diskussionen und hervorragend gereiften Bieren geht zu Ende. Ein großes Dankeschön an Frederic Paquet für das Angebot mit den Bierpaketen und an Frank Di Marco, die elektronische Plattform bereitzustellen und zu moderieren!

Belgoshop.de
Frederic Paquet
Kapellenberg 15
97 340 Marktbreit
Bayern
Deutschland

2 Kommentare

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