Doppio Malto
Glasgow
GBR

Italienischer kann Glasgow nicht werden, stellen meine holde Ehefrau und ich beim Betreten des Doppio Malto Restaurants fest. Uns begrüßt nämlich eine knallgelbe Vespa und dahinter eine Bar in den quietschbuntesten Bonbonfarben, die man sich nur vorstellen kann. Bequeme Barstühle mit Velourspolstern in Knallrot, weiche Kunstledersofas in leuchtendem Blau, Tischsets in Gelb und Rosa, leuchtende Akzente in Orange, ein Billardtisch, der mit zitronengelbem Filz überzogen ist, und über unseren Köpfen hängen Sonnenschirme in allen Sommerfarben.

Bella Italia!

knallbuntes Italien

Sind wir nicht gerade eben erst aus der Glasgower U-Bahn ausgestiegen und hätten jetzt eher kohlenruß- und straßenstaubgeschwärzte Sandsteinfassaden erwartet? Und hinter einer solchen Fassade ein dunkles, in Tannengrün und Mahagonischwarz gehaltenes Pub mit schummeriger Beleuchtung?

Hier, direkt am George Square, wo das Herz der alten Industriestadt pulsiert, ist es völlig anders. Eine helle, geradezu sonnige Beleuchtung; das Eröffnungsdatum, 13. August 2021, in gelber Neonschrift; und überall an den Wänden beleuchtete Kühlschränke oder endlose Regale mit sorgfältig aufgereihten Doppio-Malto-Bierflaschen in allen Farben und Größen.

endlose Regale mit sorgfältig aufgereihten Doppio-Malto-Bierflaschen in allen Farben und Größen

Wir bleiben erstmal einen Moment mit offenem Mund stehen und denken rund zehn Jahre zurück: Im September 2013 haben wir in einem Gewerbegebiet in Erba, am Südende des Comer Sees, eine kleine, unscheinbare Gasthausbrauerei besucht. Winzige Braukessel mit gerade einmal 120 Litern Ausschlagmenge, eine vollgestopfte Gaststube mit kleinen Tischchen und einem Brauer, der mir, während wir seine ausgezeichneten Biere verkosteten, vorstöhnte, dass er auf dieser Mini-Anlage fast jeden Tag brauen müsse, um den Bedarf, insbesondere im Sommer, decken zu können.

Das war Doppio Malto. Die Keimzelle.

Selbst damals schon, in diesem Gewerbegebietsambiente, zeigte sich ein gewisser italienischer Chique, präsentiert mit dieser Nonchalance, wie es in Mode- und Design-Dingen einfach nur die Italiener können.

Inzwischen hat Doppio Malto zwei Brauereien (die in Erba und eine auf Sardinien) und fast fünfzig Restaurants und Bars in ganz Europa. Wow!

„Wie kann ich Euch helfen?“ Die junge Kellnerin reißt uns aus unseren Gedanken. „Tja, mit einem gemütlichen Plätzchen für Essen und Bier, natürlich“, lautet unsere wenig originelle Antwort, und die freundliche Dame geleitet uns durch den riesigen Restaurantbereich. „Ich habt fast freie Auswahl, es ist noch früh. Nur die Plätze direkt am Fenster sind, leider, leider, alle schon reserviert.“

Ein bisschen eng steht die weiche Sitzbank am Tisch, aber nachdem wir uns zwischen Tisch und Sitzfläche geschoben haben, sitzen wir wunderbar bequem und haben den ganzen großen und bunten Schankraum im Blick.

„Hier ist die Bierkarte, und hier das Essen!“

„Hier ist die Bierkarte!“

Ich schlage die Bierkarte auf … dreizehn verschiedene Biere stehen zur Auswahl. Und zwar nicht nur dreizehn verschiedene India Pale Ales mit jeweils wechselnden Hopfensorten, sondern wirklich unterschiedliche Stile. Von ganz hell bis tiefschwarz. Von unter vier Prozent Alkohol bis hart an den zweistelligen Bereich. Süßlich, malzig, bitter, blumig, fruchtig – da ist richtig viel geboten.

„Kann ich einen Tasting-Flight bekommen?“

„Klar!“ Die junge Dame nickt. „Immer vier Stück auf einmal. So oft Du willst!“

Na, das ist einfach. Meine holde Ehefrau bestellt für uns ein paar Speisen, ich wähle vier Biere aus, wir zählen alles auf, und die Kellnerin flitzt davon. Keine Miene hat sie verzogen, nichts wiederholt, nichts aufgeschrieben. Ob sie das alles so mitgekriegt hat? Auch die Sonderwünsche, zum Beispiel die Diätcola für meine Frau ohne Eis, den Salat ohne Paprika, und all das?

Wir schauen uns verwundert an.

Aber es klappt hervorragend – Augenblicke später stehen die Getränke vor uns. „Das American Wheat für die Dame, und für Dich Ultra Pils, Super Chiara, Extra Bitter und Bella Rossa“, memoriert die Kellnerin, und ich muss mir Mühe geben, ihr zu folgen. „In welcher Reihenfolge nochmal?“

„So, wie Du sie bestellt hast!“ Sie lacht. Offensichtlich ist sie im Gegensatz zu mir eine wahre Gedächtniskünstlerin.

Flight No. 1

Ich mache mich an die Verkostung, und dann kommt auch schon unser Essen. Beste italienische Küche. Hervorragende Pasta al dente. Dazu die vier hellen und leichten Biere. Wir genießen zufrieden vor uns hin.

Das 4,9%ige American Wheat meiner holden Ehefrau ist erfrischend und spritzig, das 4,8%ige Ultra Pils klassisch herb mit feinen Heuaromen, das 4,6%ige Super Chiara ein mildes, südländisches Lagerbier, und das 5,6%ige Extra Bitter ein knackig gehopftes Ale. Vier Mal vier Sterne – ein bierig-toller Auftakt. Lediglich mein viertes, unser gemeinsames fünftes Bier erzielt „nur“ drei Sterne, ist also ein solides Bier, aber ohne dass es sich gewaltig abheben würde: Das 6,5%ige Bella Rossa, ein Strong English Ale, bei dem ich auf ein paar mehr Malznoten gehofft hatte. Aber trotzdem klasse.

Ich schiele verstohlen auf die Bierliste. „Na, komm schon, nimm noch einen Flight“, ermuntert mich meine Frau. „Es sind kleine Gläser, und wir haben gut gegessen. Da geht noch was!“

Das lasse ich mir nicht zwei Mal sagen, und zu einem hervorragenden Birramisu, also Tiramisu mit Bier, gönne ich mir jetzt ein paar kräftigere Biere. Auch bei dieser Bestellung: Ich sehe keine Regung im Gesicht unserer Kellnerin. Sie murmelt nicht, wiederholt nichts in Gedanken, schreibt nichts auf, aber das Birramisu zum Teilen, das Wasser für meine Frau, die vier Biere – alles kommt fehlerfrei.

Flight No. 2

Und so verkoste ich hochzufrieden weiter. Ein warmes, weiches, 7,5%iges Honey IPA, ein 7,0%iges Spiced Ginger Ale namens Zingy (bei dem ich mir einen Hauch mehr Ingwer gewünscht hätte), ein mächtiges, 9,0%iges Black Imperial IPA namens Imperiale, das ich als etwas unausgewogen empfinde, und schließlich ein tiefschwarzes, 6,3%iges Black Stout – bitter und schwarz wie die Seele eines Glasgower Coalminers, also das genaue Gegenteil zur quietschbunten Deko des Restaurants.

Langsam füllt sich der Schankraum, der ruhige Nachmittag ist vorbei. Es wird lebhaft und fröhlich, und wir sind erstaunt, dass sich hier wirklich eine quirlige, mediterrane Stimmung breit macht. Das sonnige Wetter, das mindestens ebenso sonnige Gemüt der Kellner und Kellnerinnen und die Deko in den sonnigen Farben tragen dazu natürlich bei. Ich muss mich sputen, noch ein paar schöne Fotos zu machen, ehe die Blickachsen von lauter Gästen verstellt sind.

Un posto felice. A happy place.

„Ein rundum schöner Spätnachmittag“, stellt meine Frau lachend fest und fällt mir um den Hals. „So was hätte ich in Schottland nicht erwartet.“

„Und in Glasgow schon gleich gar nicht“, füge ich hinzu, und zufrieden trollen wir uns und lassen uns wieder durch die Stadt treiben. Was für ein schöner, kleiner Glücksgriff!

Das Brauereirestaurant Doppio Malto in Glasgow ist täglich ab 12:00 Uhr mittags (sonnabends schon eine halbe Stunde früher) bis mindestens Mitternacht geöffnet; kein Ruhetag. Durch seine perfekt zentrale Lage am Südrand des George Square ist es mit Eisenbahn, Bus und U-Bahn völlig problemlos zu erreichen. Wer also mal in der alten Arbeiterstadt echt italienisches Feeling erleben möchte … bittesehr!

Bildergalerie

Doppio Malto
7 George Square
Glasgow G2 1DY
Schottland
Großbritannien

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