Was für ein zungenbrecherischer Name. Wenn wir uns jetzt in Inverness verlaufen, werden wir kaum nach dem Weg fragen können, weil keiner versteht, wo wir hinwollen.
Uile-Bheist heißt die nagelneue Brauerei und Brennerei, die direkt am Ufer des Ness in Inverness entstanden ist. Ness? Ja, genau der Fluss, der aus dem Ness-See, dem Loch Ness gespeist wird. Insofern liegt es vielleicht auch nahe, die Brauerei und Brennerei nach dem Monster von Loch Ness zu benennen – denn nichts anderes heißt Uile-Bheist – Monster!
Den Gebäuden sieht man an, dass viel Geld in die Hand genommen wurde.
Wir finden die Adresse, ohne fragen und stottern zu müssen, und staunen zunächst mal: Hier hat jemand richtig Geld in die Hand genommen (die Medien sprechen von einer Investitionssumme von sechs Millionen Pfund). Piekfein hergerichtete alte Gebäude, ergänzt durch imposante Neubauten. Alles sieht aus wie „aus dem Vollen gefräst“.
Wir umrunden den Gebäudekomplex und sehen einen neuen Bau mit zwei Giebeln. Links befindet sich ein kupfernes Sudwerk hinter großen Panoramafenstern im Obergeschoss; Gär- und Lagertanks direkt darunter. Rechts, ebenfalls aus Kupfer und im Obergeschoss, die Brennerei, und auch hier die stählernen Tanks im Erdgeschoss. Schaut gut und wertig aus.
Blick in den Lagerkeller
Bier und Whisky direkt nebeneinander. Warum auch nicht? Beide Getränke beginnen ihre Produktion mit dem Einmaischen von Malz, und bei beiden wird die erhaltene Würze vergoren, um Alkohol zu gewinnen. Viele Produktionsschritte und Rohstoffe sind ähnlich. Nachdem der Alkohol allerdings entstanden ist, trennen sich die weiteren Wege sehr deutlich. Bier wird ein paar Wochen gelagert und dann abgefüllt und getrunken. Whisky hingegen muss, nachdem er abdestilliert worden ist, für mindestens drei Jahre in ein Holzfass, um sich überhaupt Whisky nennen zu dürfen. So ist es nur konsequent, dass die Uile-Bheist Distillery & Brewery von Anfang an deutlich darauf hinweist: Zur Zeit sind wir nur eine Anlaufstelle für Biertrinker. Unseren eigenen Whisky gibt es erst ab 2026. Da ist also noch Geduld angesagt.
Aber wir sind ja zum Glück wegen des Biers hier und gehen schnurstracks in den schönen Schankraum. Naturstein, viel Kupfer, unverkleidete Lüftungs- und Beleuchtungstechnik, unverputzter Beton – der großzügig gestaltete Raum folgt dem Stil, der derzeit in ist. Auf sehr gelungene Weise.
der großzügig gestaltete Schankraum
Wir schauen auf die Uhr. Zu einer Bierprobe wäre jetzt eine Kleinigkeit zu essen nicht schlecht. Das Frühstück ist lange her, und wir haben schon richtig Hunger. Ach, da folgt leider eine Enttäuschung. Der Betrieb im angeschlossenen Waterside-Restaurant ist nicht durchgehend – etwas zu essen bekämen wir erst am Abend. „Aber Bier ist doch auch nahrhaft“, lächelt mich die sehr freundliche Dame an der Bar an.
Nun ja, dann testen wir die Biere halt auf nüchternen Magen. Achselzuckend füge ich mich in mein Schicksal.
Fünf verschiedene Sorten werden hier gebraut; einen Tester gibt’s auch, aber der umfasst nur vier Gläser. Hm, merkwürdig. Zumal es nicht so ist, dass es derzeit ausnahmsweise mal eine fünfte, zusätzliche oder saisonale Sorte gibt, sondern das Sortiment der Brauerei ist von Beginn an auf fünf Biere ausgelegt. Schon die Website ist da eindeutig: „Uile-Bheist produces five core styles of beer: Craft Lager, Pale Ale, IPA, White IPA and Stout.“
Ich überspringe also erstmal das Lager und bestelle mir die anderen vier Biere. Das 5,1%ige Dark Horse Stout ist ein solider Vertreter seines Stils, ohne Höhen und Tiefen. Gleiches gilt für das 3,9%ige Highland Storm Session IPA und das 4,2%ige White Witch Unfiltered IPA. Lediglich das 5,6%ige Forest Dweller IPA zeigt sich als individuell, kernig und charakterstark und sticht nach oben heraus.
Das ist ja per se nichts Schlechtes. Gute und solide Trinkbiere, gerne auch für den großen Schluck. Damit kann man guten Grundumsatz machen, wenn genügend Gäste kommen. Beer Freaks, die auf der Suche nach dem exotischen Kick oder der ultimativen IPA-Balance sind, werden sich mit ihrer Begeisterung allerdings eher zurückhalten.
der Tester umfasst vier von fünf angebotenen Bieren
„So, der Tester ist durch. Jetzt noch ein – kleines! – Glas vom Inverness Lager, bitte!“
Auch hier gilt: Das 4,6%ige Bier ist grundsolide, läuft gut. Nichts, worüber es dem Enkel an langen Winterabenden zu erzählen gäbe. Ein durchtrinkbares Lager, halt.
Während wir uns durch die Biere probieren, beginnen im Schankraum die Vorbereitungen für ein Livekonzert. Eine Sängerin und Gitarristin baut ihr Equipment auf, testet die Technik, macht Soundchecks, und irgendwann fängt sie sogar an, ein paar Stücke zu spielen und zu singen. Und das, obwohl gerade mal eine Handvoll an Gästen sich zu dieser Uhrzeit im Schankraum verteilt.
Schade. Jetzt, wo es stimmungsvoll werden könnte, müssen wir leider aufbrechen. Wir haben nicht mehr allzu lang, bis unser Zug fährt, und wir müssen vorher noch eine Kleinigkeit essen.
Wir verzichten also auf die Musik, bummeln noch einmal über den mit etwas zu wenig Grün noch etwas kahlen Bereich der Außengastronomie und machen uns dann auf den Weg.
Wenige Monate ist der Laden erst alt, und an der einen oder anderen Stelle muss sich erst noch eine Patina der Gemütlichkeit entwickeln. Aber die Atmosphäre ist schon schön, das Personal außerordentlich freundlich und hilfreich, und auch wenn die Biere jetzt keine Spitzenprodukte waren – fehlerfrei und solide gebraut sowie höchst durchtrinkbar waren sie alle fünf. Und das ist schon mehr, als was man über manche hoch gehypte Kleinbrauerei sagen kann!
Der Taproom der Uile-Bheist Distillery & Brewery ist täglich von 11:00 bis 23:00 Uhr durchgehend geöffnet; kein Ruhetag. Das angeschlossene Waterside-Restaurant ist täglich von 12:00 bis 14:30 Uhr und von 17:00 bis 21:00 Uhr geöffnet; ebenfalls kein Ruhetag. Zu erreichen sind Taproom und Restaurant, indem man vom Bahnhof (oder Busbahnhof) Inverness zweihundert Meter zum Fluss runterläuft und dann etwa fünf, sechs Minuten immer am Ufer entlang in Richtung Süden geht.
Uile-Bheist Distillery & Brewery
Ness Bank
Inverness IV2 4SG
Schottland
Großbritannien
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