Craftmühle – Pub & Kitchen
Wien
AUT

Es hat Vor- und Nachteile, wenn man mit einem echten Kenner der Wiener Bierszene am Abend losmarschiert, das ist ganz offensichtlich.

Nachteilig ist beispielsweise, dass es immer sehr spät wird, man mit Mühe die allerletzte U-Bahn erwischt und am nächsten Morgen, wenn man früh raus muss oder will, sich überlegt, dass vielleicht die eine oder andere Zwischenstation auch bei der nächsten Gelegenheit hätte erkundet werden können. Nicht ganz so schön ebenfalls das Ohnmachtsgefühl, das sich breitmacht, wenn man realisiert, dass man gar nicht in der Lage sein wird, ja, gar nicht sein kann, als Nicht-Einheimischer die Wiener Bierszene auch nur halbwegs vollständig erkunden zu können.

Vorteil ist natürlich, dass man dann Ecken, Lokale und Bars gezeigt bekommt, die man sonst unter Garantie verpasst hätte, wo man sich dann hinterher, wenn man von deren Existenz erfährt, geärgert hätte.

Und genau dieses Gefühl hatte ich denn auch, als wir am 9. Juli 2016 im 4. Bezirk vor der Craftmühle standen.

Craftmühle? Nie gehört, nie gelesen. Jetzt halte ich mich ja eigentlich für recht gut vernetzt, aber von der Craftmühle hatte mir bisher noch nie jemand berichtet. Ich schaue nachdenklich, an mir selbst zweifelnd. „Kunststück“, grinst Bierpapst Conrad Seidl, der mich hierhergeführt hat. „Hat doch gerade vor ein paar Wochen erst eröffnet!“

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Bierpapst Conrad Seidl kannte die Craftmühle natürlich schon

„Und schau mal“, fährt er fort, „selbst wenn man zufällig die Mühlgasse einmal entlang schlendern sollte, kann man völlig ahnungslos daran vorbeilaufen.“ Stimmt. Der Zufall wollte es, dass das Gebäude, in dem sich die Craftmühle befindet, genau zur Zeit der Eröffnung eingerüstet und renoviert wird. Die Leuchtreklame ist hinter Brettern und Folien kaum zu erkennen, die Eingangstür leicht zu übersehen, und überhaupt, wer läuft schon unter dem Gerüst hindurch, wenn er doch auf der anderen Straßenseite ungehindert flanieren kann? Und so ist es denn in der Craftmühle ziemlich leer, obwohl es Sonnabend ist, und bestes Ausgehwetter herrscht.

Wir machen es uns im vorderen Schankraum gemütlich und studieren zunächst mal die Bierliste. „100% Craft – gebraut von Freunden“ heißt es hier, und es folgt eine Liste von zwölf Fassbieren. Irritiert stelle ich fest, dass nur die Bierstile und -namen erwähnt sind, der Alkoholgehalt und ein paar Stichworte zu Geschmack und Aroma. Und nur bei einem einzigen Bier ist zusätzlich aufgeführt, wer es gebraut hat, beim Weitra Hell nämlich, aus der Waldviertler Bierwerkstatt. Ich frage die nette junge Bedienung. „Kommt alles aus den Kleinbrauereien des ungarischen Besitzers“, lautet die Antwort. „ZiP, das ist ein Brauerei-Hersteller in Miskolc in Ungarn, der aber auch selber braut.“

Stimmt. Beim Stichwort ZiP macht es klick. Ob die Brauerei Paname in Paris oder Fabrika in Bratislava, Brauanlagen von ZiP habe ich schon gesehen. „Und in Miskolc steht auch eine Brauerei, die von ZiP selbst betrieben wird, und von dort bekommen wir die meisten unserer Biere. Und manchmal auch aus den anderen Brauereien, es gibt noch so viele: In Baku, in Reykjavík, in Kiev, Paris und Bratislava“, berichtet das Mädel stolz. „Und hier in Wien soll auch bald eine Brauerei entstehen,“ fügt sie noch hinzu.

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die Bierauswahl ist groß und abwechslungsreich

Jetzt ist es aber höchste Zeit, auch ein paar Biere zu verkosten. Die Reihe der Zapfhähne hinter der im Loft- und Industriestil gehaltenen Bar sieht gar zu einladend aus. Das Mosaic Lager ist erfrischend und bringt den Mosaic-Hopfen sehr gut zur Geltung. Die Kombination aus fruchtigen Aromen und harzigen Grundtönen sowie einigen Kräuternoten mag ich persönlich besonders gern, und in diesem Bier kommt das ganze Aromenspiel dieses Hopfens wirklich deutlich heraus. Sehr schön. Und mit 4,5% Alkohol auch nicht übertrieben kräftig, sondern gut trinkbar. Fein!

Eine Enttäuschung hingegen das Witbier. Die feinen und fruchtigen Koriander- und Orangenschalennoten, die in diesem Bier selbstverständlich sein sollten, verschwinden hinter einer recht dumpfen, dominanten Hefenote, die zwar ein paar Aromen bietet, wie sie in einem robusten, bayerischen Weißbier üblich sind, sich aber in erster Linie brotig-behäbig gibt. Nun ja, man muss auch mal verlieren können.

Aber die Atmosphäre der Craftmühle überzeugt trotzdem. Die Kombination aus rohem Holz, Metallgittern, industriellen Akzenten und bunter, akzentuierter Illumination gefällt mir, auch wenn man genau diese Stilelemente mittlerweile immer häufiger sieht. Elemente, die in Lagerhallen zusammengeklaubt scheinen und zu einem stimmigen Ganzen zusammengesetzt werden. Hinter der Theke dann Glas und Edelstahl, so dass die Zapfhähne glänzend zur Geltung kommen.

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Blick in den vorderen Schankraum

Nach hinten raus gibt es noch mehrere Gasträume, doch Asche über mein Haupt: Angesichts der fortgeschrittenen Zeit versäumte ich es doch glatt, diese auch zu erkunden…

Die Craftmühle hat täglich ab 16:00 Uhr geöffnet; sonntags ist Ruhetag. Neben dem Dutzend Fassbieren gibt es noch eine umfangreiche Flaschenbier-Auswahl, einige andere Getränke, und eine fleisch- und burgerbetonte Küche. Salate sind allerdings auch zu finden. Zu erreichen ist die Craftmühle am besten mit der U-Bahn-Linie 4, Station Kettenbrückengasse. Die Mühlgasse verläuft parallel zum Naschmarkt und ist von diesem nur ein paar Schritte entfernt.

Nachtrag 20. März 2018: Heute Abend ist ein wenig Zeit, das Hotel ist nicht allzu weit entfernt, und so ist das doch eine perfekte Möglichkeit, noch einmal in der Craftmühle einzukehren und zu schauen, wie sie sich etabliert hat. Doch der Schreck ist groß! War es mir seinerzeit nicht aufgefallen? Habe ich es nicht gemerkt, weil außer uns kaum andere Gäste da waren? Die Craftmühle ist ein Raucherrestaurant! Unappetitlich und eklig frisst sich der Gestank in meine Klamotten, benebelt meine Sinne und verleidet mir den Genuss am Essen, den Genuss am – eigentlich ganz vorzüglichen! – Bier, dem Herr Hemlig IPA aus der schwedischen Brauerei Brewski. Noch lange werde ich an diesen Besuch in der Craftmühle unangenehm erinnert – so lange, wie meine Reise dauert und mich die verqualmten und verstunkenen Klamotten im Koffer begleiten.

Bilder

Craftmühle – Pub & Kitchen
Mühlgasse 20
1040 Wien
Österreich

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