Ach, Brüssel…
Schämst Du Dich denn nicht ab und an ein bisschen?
Du bist Hauptstadt des Landes mit der wohl vielfältigsten und abwechslungsreichsten historisch gewachsenen Bierkultur überhaupt, und gleichzeitig bist Du Heimat wichtiger internationaler Institutionen. Europäische Union, Nordatlantische Allianz und so viele andere Organisationen. Auf Deinem Flughafen in Zaventem kommen täglich viele hundert Repräsentanten aller Länder der Welt an, nicht nur Urlaubsreisende und Tagestouristen, sondern Botschafter und Multiplikatoren, die, wenn sie Brüssel wieder verlassen, die Kunde vom belgischen Bier rund um den Globus verbreiten könnten.
Und dann ist alles, was Du, Brüssel, an Deinem Flughafen Bieriges zu bieten hast, eine Bierbar mit mehr Schein als Sein? Neben einer unsäglich lächerlichen Sports Bar und einem Leffe-Ausschank gibt es lediglich die Bar Beers & Cheers? Eine Bar, die viel verspricht und wenig hält?
Ach, Brüssel…
Ich stehe am 16. Juli 2016 im Eingangsbereich zu Pier A, dem Terminal A, und vor mir windet sich eine stählern glänzende, moderne Skulptur in die Höhe des Terminals, und darunter in eleganten goldschimmernden Lettern auf schwarzem Grund Beers & Cheers. Neugierig trete ich näher, werde von diesem Schriftzug magisch angezogen.
Aber schon der erste genauere Blick schreckt ab. Eine Gruppe von Zapfhähnen, alle mit Stella Artois beschriftet. Helles Lager, uninteressant, Dutzendware. Ein Bier, wie ich es rund um den Globus überall bekommen kann. Wenig Geschmack, wenig Aroma. Ein Getränk zum gedankenlos Herunterkippen. Ach, ein Glas Wasser tut es dann auch.
Erst auf den zweiten Blick sehe ich eine weitere Guppe von Zapfhähnen, aber auch hier nur unwesentlich mehr Abwechslung. Leffe und Hoegaarden in mehreren Versionen. Leffe Blond, Leffe Brune, Leffe Royale. Na, immerhin. Recht ordentliche Biere mit deutlich mehr Aroma und Geschmack als das Stella. Gleichwohl aber: Massenproduktion ohne Ecken und Kanten. Gefällig und glatt, so gefällig, dass es auch schon wieder langweilig wird. Keine besondere Erfahrung, sondern ebenfalls etwas, was ich in vielen anderen Ländern der Welt ebenfalls bekommen kann.
Der Not gehorchend, denn das Tauro oder das Jupiler in der Sports Bar wäre noch viel schlimmer, bestelle ich mir ein Leffe Royale und ein winziges Salami-Sandwich dazu. Das Bier schmeckt wie erwartet. Ein bisschen fruchtig-estrig, aber nur ganz dezent. Zu kalt ist es, so dass die ohnehin schwachen Aromen gar nicht richtig zur Geltung kommen. Schade.
Das Salami-Sandwich dazu ist ebenfalls eher Dutzendware, aber halt auch alternativlos. Der Blick entlang der Theke ist trostlos. Keine Spur von der großen Käseauswahl, die Belgien ja ebenfalls auszeichnet. Stattdessen Einfallslosigkeit und Massen-Standard.
Und dass es derzeit einen winzigen Lichtblick gibt, und zwar in Form des Bier van de Maand, des Biers des Monats, das reißt die Sache nicht raus. Das Omer van der Ghinste ist zwar ein durchaus gutes Bier, deutlich individueller als die Leffes und das Hoegaarden, aber noch lange keine exotische Spezialität. Und vom Fass wird es auch nicht serviert, nur aus der Flasche.
Und so nehme ich nach zwei Stunden im Transitbereich den Anschlussflieger und reise weiter. Was ich aber nicht mitnehme, das ist eine Botschaft für den Rest der Welt. Eine Botschaft, die hätte lauten können: Brüssel ist sich der Bierkultur seines Landes bewusst und wirbt mit ihr schon am Flughafen. Nein. Das ganz gewiss nicht. Was für eine Enttäuschung.
Ach, Brüssel…
Die Bierbar Beers & Cheers ist täglich von 04:00 bis 21:00 Uhr durchgehend geöffnet. Sie bietet eine Handvoll belgischer Biere aus Großproduktion, dazu ein paar Allerwelts-Snacks. Zu erreichen ist sie am Beginn des Terminals A, im Zentrum des Market Plaza, hinter den Sicherheitskontrollen, insofern nur für Fluggäste zugänglich.
Nachtrag 23. Februar 2018: Es ist morgens um viertel vor neun. Die Arbeit gestern war wieder anstrengend gewesen, die Nacht viel zu kurz. Nichts wünsche ich mir mehr, als während des Flugs ein wenig schlafen zu können. Insofern ist der Entschluss rasch gefällt: Ein Frühstücksbier wird mich müde genug machen, um zwei Stunden tief und fest schlafen zu können. Also, ein kleiner Abstecher in das Beers & Cheers auf ein kleines IPA von Goose Island. Streng genommen ist es ja Industriebier und gehört, wie eigentlich alles, was hier in dieser Flughafenbar angeboten wird, zum Weltkonzern AB InBev. Die kleine Brauerei ist von der Bierfabrik aufgekauft worden…
Das Bier könnte ein wenig IPA’iger sein – die Hopfenaromen sind recht zurückhaltend, es dominiert eigentlich der Malzcharakter. Keine echte Offenbarung, also. Trotzdem aber ein ordentliches Bier – halt nur nicht ganz stilgerecht.
Und so warte ich weiter auf den Moment, wo mich das Beers & Cheers einmal wirklich zu überzeugen vermag.
Nachtrag 20. Juni 2018: Mangels Alternativen erneut im Beers & Cheers. Heute auf ein Omer. Traditional Blond. Nur echt mit dem Punkt nach dem Namen. Ein belgisches Blond, obergärig, süffig, sehr süffig sogar, und mit 8,0% Alkohol. Ein gefährliches Bier, denn es trinkt sich, wenn man Durst hat, wie ein Zischpils. Heute, vor dem Abflug, gerade recht. Ausgewogen, nur schwache Esteraromen, dafür aber eine kernige Hopfencharakteristik. Und würde Beers & Cheers ein wenig ambitionierter daherkommen, gäbe es dieses wunderbare Bier nicht nur aus der Flasche, sondern vielleicht sogar vom Fass…
Nachtrag 5. Mai 2019: Die Tradition des Einschlafbiers setzt sich fort. Kurz vor dem Abflug ein kräftiges, gut gepflegtes belgisches Bier, dann rasch das Boarding hinter sich bringen, und schon schlummert es sich an Bord des Flugzeugs ganz wunderbar – egal, wo uns der Flieger hinbringt.
Heute präsentiert mit das Beers & Cheers ein Tripel Karmeliet der Brouwerij Bosteels. Eine kräftige orangene Farbe, ein üppiger und lange haltbarer, schneeweißer Schaum, 8,4% Alkohol, ein fruchtiger Duft und ein komplexer, estriger Geschmack mit einer feinen Hopfenbittere im Abgang machen viel Freude. Serviert wird das ganze im ansprechend geformten Glas. Sehr stilgerecht. Vom flughafentypisch unverschämt hohen Preis abgesehen passt ja eigentlich alles. Wenn doch nur die Bierauswahl ein wenig größer wäre…
Beers & Cheers
Pier A / Brussels Airport / Vilvordelaan
1930 Zaventem
Belgien
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