O Mercado
Lisboa
PRT

Die Großen wehren sich, und sie stellen sich dabei gar nicht schlecht an. Und vor allem: Sie tun dies in einer recht frühen Phase, sind in Portugal eher aufgewacht als anderswo, als in Deutschland, beispielsweise. Der Kampf um den bierbegeisterten Kunden hat also begonnen.

Ich sitze am Flughafen in Lissabon und habe noch etwa eine Stunde bis zum Einsteigen – Zeit genug, die Bars und Restaurants zu erkunden, und da sticht mir natürlich als erstes der Schriftzug Cervejaria im Food Court O Mercado ins Auge.

Cervejaria im Food Court O Mercado

Cervejaria, das kann natürlich alles heißen, von Brauerei über Bierlokal bis Bierausschank – und im schlimmsten Fall ist es einfach nur eine Tränke mit billigstem Industriebier. Aber hier, im O Mercado, sieht es besser aus: Eine gepflegte Theke, eine schöne, kupferne Zapfanlage; daneben, in einem Gestell über Kopf hängend, nicht nur schlichte Pilsgläser, sondern auch Verkostungsgläser – Teku-Pokale. Das sieht recht vielversprechend aus. Und die sechs Zapfhähne versprechen auch sechs unterschiedliche Biere. Vom einfachen Superbock, einem uninteressanten Lager, und dem Superbock Stout, einem ebenfalls nicht gerade sehr spannenden Vertreter seines Stils geht es über zur Serie Selecção 1927 mit vier Bieren, nämlich Munich Dunkel, Bavaria Weiss, Bengal Amber India Pale Ale und Czech Golden Lager.

Superbock, eine Großbrauerei die zum Carlsberg-Konzern gehört, beherrscht zusammen mit Sagres den portugiesischen Biermarkt. Rund 90 % der Biermenge kommt von einem dieser beiden Brauereiriesen. Erst in den letzten zwei, drei Jahren, noch etwas später als in Deutschland, hat aber auch hier in Europas Südwesten eine Gegenbewegung begonnen. Zunehmend mehr kleine und Kleinstbrauereien entstehen, oftmals in Hinterhöfen, Garagen oder im Keller eines ganz normalen Wohnhauses, in alten Lagerhallen, aufgelassenen Industriegeländen – überall dort, wo es preiswert ist und man keine gewaltigen Investitionen in die Infrastruktur tätigen muss. Aber auch ein paar finanzkräftigere Neugründungen gibt es. Und schon schielen die beiden Platzhirsche auf deren Marktanteile und fühlen sich zwar nicht bedroht, das wäre lächerlich, aber in ihrem absoluten Gewinnstreben gekränkt. Jedes Glas Bier, das getrunken wird und nicht von Superbock oder Sagres stammt, ist eine Einbuße für die Shareholder.

Und so springt man notgedrungen auf den Zug auf und bringt ebenfalls neuartige Bierstile auf den Markt. Bierstile, die erst jüngst etwas mehr Bekanntheit gewonnen haben und die üblicherweise mit kleinen Craft-Brauereien identifiziert werden. Und man macht es nicht schlecht. Man gründet ein neues Label, vermarktet dieses pfiffig, mit Andeutungen an den Craftbiermarkt, in großen, gerne auch etwas teureren, edlen Flaschen und an den Bars in gehobenem Ambiente.

So also auch hier. Mit der Serie Selecção 1927, deren Name auf das Gründungsjahr der Superbock-Brauerei verweist, positioniert man sich genau in dem Segment, in dem auch viele Craftbrauer ihr Glück versuchen, macht sich breit und blockiert diesen den Zugang.

nur wenige Sorten, aber sie werden eindrucksvoll präsentiert

Ich stehe also am Flughafen, vor mir an vier der sechs Zapfhähnen diese edleren Biere. Es ist noch früher Vormittag, zu früh für eine ausgiebige Bierprobe, aber eine Sorte kann ich schon verkosten, und so wähle ich das Bengal Amber IPA. Eigentlich der klassische Bierstil, mit dem Craftbrauer beginnen. Kräftig und aromatisch gehopft, die Bittere entfaltet sich über einem soliden Malzkörper, und das Bier fordert mit einer komplexen Folge von Sinneseindrücken. Auf der Zungenspitze zunächst die Malzsüße, dann beim Schluck die kräftige Bittere, und in den Eindrücken im Abgang neben der langsam abklingenden Bittere die fruchtigen Noten, die retronasal den Eindruck wiederholen, den die Nase schon beim Schnuppern vorm ersten Schluck hatte. Ein überraschend gutes Bier – hier haben die Braumeister in der großen Bierfabrik definitiv bessere Arbeit geleistet und mehr Mut zur Stilechtheit bewiesen, als beispielsweise die im Becks-Konzern, der sich 2015 in Deutschland bei dem Versuch, craftbierähnliche Bierstile in seinem Portfolio zu etablieren, ob deren schlechter Qualität eher blamiert hat.

Ich ziehe widerwillig den Hut. Ein gut gelungenes Bier. Und auch, wenn es oft heißt, IPA sei ein dankbarer Bierstil, da die kräftige Hopfung Bierfehler leicht überdecken kann und es dem Anfänger somit leicht macht – hier kann ich keine wesentlichen Fehler entdecken. Und auch die Kellnerin hat das Glas professionell gereinigt, mit kaltem Wasser ausgespült, einen winzigen Schuss Bier, der eventuell noch im Zapfhahn gewesen und abgestanden sein könnte, neben das Glas geschossen und dann sorgfältig gezapft. Natürlich ist der Teku-Pokal eigentlich nicht dafür gedacht, bis zum oberen Eichstrich kurz unter dem Rand gefüllt zu werden, aber das ist hier der Kompromiss zwischen dem Angebot einer „richtigen“ Biermenge und der Nutzung eines Verkostungsglases. Wer von den Fluggästen mag sich schon mit einer 100-ml-Probe zufriedengeben?

Bengal Amber IPA

So habe ich das volle Aromaerlebnis denn erst auf halbem Wege, als das Glas schon weitgehend geleert ist, die Oberfläche des Biers sich im unteren Teil des Glases weitet und die Aromen sich im Kelch darüber sammeln. Trotzdem gut.

Ich genieße dazu ein kleines Stückchen Bacalhau-Cake, Kabeljau-Kuchen, nichts Exotisches, aber für Lissabon typisch. Und irgendwie freue ich mich. Nicht darüber, dass die Großbrauereien auf den Craftbierzug aufspringen und den kleinen Newcomern das Leben schwer machen, aber doch darüber, dass es hier am Flughafen in Lissabon wenigstens im O Mercado leckeres Bier gibt und ich nicht angesichts der Frust-Alternative Superbock Hell oder Sagres Light in Trübsal verfallen muss.

Besser ein gutes Bier einer Großbrauerei als gar kein gutes Bier. Immerhin … que!

Der kleine Food Court O Mercado ist täglich von 05:00 bis 22:00 Uhr geöffnet und bietet neben der Cervejaria mit ihren sechs Bieren frisch zubereitete lokale Kost, viel Obst und leckere Spezialitäten. Eine wohltuende Abwechslung von den sonstigen geklonten Läden wie Starbucks, McDonalds, KFC und dergleichen, die kein Lokalkolorit aufweisen und den Reisenden anöden. Er befindet sich hinter der Sicherheitsschleuse im Terminal 1 und kann somit nur von Flugreisenden besucht werden.

Bilder

O Mercado
Alameda das Comunidades Portuguesas
Lisbon Portela Airport
1700-111 Lisbon
Portugal

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