Geheimnisvoll grün leuchtend empfängt uns der Eingangsbereich des Pubs Gorączka Złota in Warschau – eines der zwölf Pubs, die gerade an der Warsaw Beer Week teilnehmen. Schafft man es, im Laufe einer Woche alle zwölf Pubs zu besuchen und in jedem mindestens einen halben Liter Bier zu trinken, erhält man als Belohnung ein T-Shirt und ein Verkostungsglas.
Auch wenn es für mich als Konferenzbesucher unmöglich ist, alle zwölf Pubs in dieser Woche zu besuchen – schließlich bin ich ja zum Arbeiten hier – so hat es doch wenigstens im Schnitt zu einem pro Tag gereicht. Hier, im Pub Gorączka Złota, soll diese Besuchsserie nun seinen Abschluss finden, morgen früh geht es wieder Richtung Heimat.
Pubs Gorączka Złota
Magisch zieht uns das grüne Leuchten an, und auch der Name, Goldrausch, Titel des berühmten Films mit Charlie Chaplin, klingt verheißend. Wir treten zu noch verhältnismäßig früher Stunde durch die kleine Tür und sind überrascht: Nicht nur, dass das Pub winzig ist, kaum größer als unser Wohnzimmer daheim, nein, es ist auch noch, ja also, wirklich, so etwas von un-hipstermäßig, dass uns die Kinnlade herunterklappt. Keine rohen und unverputzten Wände, keine Europaletten als Möblierung, keine Stahl- und Holz-Kombinationen, keine langen Bärte hinter oder vor der Theke.
Stattdessen warme Gemütlichkeit, etwas altmodisch, und hinter der Theke mit Pani Małgosia eine Dame in unserem Alter – wie wir aus der Elterngeneration der Craftbier-Hipster.
Wir nehmen erst einmal in dem eng möblierten und verwinkelten Schankraum Platz und sehen uns um. Die Wände und die Decke sind mit Bierdeckeln verziert. Akkurat und mit dem Lineal penibel ausgerichtet, sauber verklebt, schmücken sie den Raum. An einigen Stellen stattdessen Kronkorken aus aller Welt, mit einer großen Reißzwecke und Heißkleber genauso fachmännisch und mit der gleichen Liebe zur Präzision angebracht. Zwischendrin eine Kordel mit Flaschenöffnern, und, ja, natürlich, ein Original-Filmplakat mit Charlie Chaplin: Goldrush.
liebevoll verzierte Wände
In eine Ecke gezwängt die winzige Theke, die beim besten Willen nicht mehr Platz lässt als für fünf Zapfhähne. Aber immerhin. Die kleine Tafel in der Ecke informiert uns über das Angebot, zwei polnische Craftbiere, ein polnisches Regionalbier und zwei belgische Biere, und während wir noch überlegen, was wir denn gerne wollen würden, gesellt sich Pani Małgosia für einen Moment zu uns.
Das älteste Bierpub in Warschau sei es, schon 1996 gegründet, und schon damals mit der Absicht, lieber regionale Biere anzubieten, als das seelenlose Gebräu der Großindustrie. Wir spitzen die Ohren. 1996? Das heißt ja, dass dieses Pub schon existierte, als wir seinerzeit in Warschau wohnten – wie konnte es nur passieren, dass wir das nicht wussten, in dieser Zeit hier nie einkehrten?
Ach ja, das Internet war damals noch in seinen Kinderschuhen, eine vernetzte Bierszene gab es nicht, das Bierangebot in Polen hatte seinen absoluten Tiefpunkt erreicht. Fast alle regionalen Brauereien waren geschlossen, die großen internationalen Konzerne hatten die Großbrauereien aufgekauft und den Markt unter sich aufgeteilt. Und nur per Mund-zu-Mund-Propaganda hätten wir seinerzeit erfahren können, dass es hier, in der kleinen Nebenstraße, südlich des Zentrums ein solches Pub gibt.
Mit zwanzig Jahren Verspätung haben wir diese Perle also entdeckt. Pani Małgosia erzählt weiter, wie schwierig es gewesen sei, regionale Biere zu bekommen, und mit wie viel Liebe und Detailversessenheit ihr Mann die Sammlung von Biermemorabilia an den Wänden und der Decke pflegen würde. Ab und zu kämen auch heute noch Gäste, die von ihren Reisen exotische Bierdeckel oder seltene Kronkorken mitbrächten.
Heute ist es natürlich viel einfacher, exotische Biere anzubieten, und es wäre ein Leichtes, das Doppelte oder Dreifache der lediglich fünf Zapfhähne zu bespielen. Aber, der Raum ist nun einmal so klein, wie er ist, und da sei für mehr als fünf Hähne eben kein Platz. Man wolle ja auch noch ein bisschen Raum für die winzige Küche lassen, denn dass es zum Bier auch etwas Gutes zum Essen geben müsse, sei doch wohl selbstverständlich!
Bier und Essen, das sind die Stichworte, und endlich entscheiden wir uns. Und zwar für das Huncwot American India Pale Ale aus der Brauerei Pracownia Piwa. Und dazu ein Bierbrettchen, ein Holzbrett voller Bier- und Käsewürfelchen. Perfekte Kombination.
mit Łukasz Kojro
Langsam beginnt das Pub sich zu füllen. Pani Małgosia verkrümelt sich hinter die Theke, ist jetzt an den Zapfhähnen gut beschäftigt. Die Pub-Crawler der Warsaw Beer Week treffen ein. Heute Abend ist Łukasz Kojro im Gorączka Złota zu Gast, der in seiner Brauerei Palatum das Bier zur Beer Week gebraut hat, das Warsaw APA. Dieses Bier verbindet die zwölf Pubs der Beer Week, wird eine Woche lang in allen zwölf Bars ausgeschenkt.
Der kleine Schankraum ist rappelvoll und auch vor der Tür an den kleinen Tischchen auf dem Bürgersteig gibt es keinen Platz mehr. Als Łukasz endlich kommt, wird er gleich belagert. Nur wenig Gelegenheit bleibt mir, mit ihm ein paar Worte zu wechseln, vom letzten gemeinsamen Verkosten zu erzählen, das nächste Treffen zu planen und, vor allem, abzusprechen, dass ich bei meinem nächsten Warschau-Besuch unbedingt seine Brauerei Palatum besuchen muss.
Meine holde Ehefrau und ich gönnen uns noch ein gemütliches Abschlussbier, während Łukasz von Hausbrauern, Bierfreaks, Fans und Kollegen umlagert wird. Hinter der Theke im Regal stehen zwei Dutzend leere Craftbier-Flaschen, als dreidimensionale Getränkekarte, gewissermaßen. Wir deuten auf das Jumbo, das Imperial Black India Pale Ale von Pinta, und Pani Małgosia verschwindet irgendwo in einem winzigen Hinterraum, wo die vollen Flaschen im Kühlschrank stehen. Man hört Geklimper, und nach kurzer Zeit steht das Bier vor uns.
Hut ab, wie sie aus zu wenig Platz das Beste macht. Fünf Zapfhähne, viele, viele Flaschenbiere, eine kleine, aber gute Küche, und das alles auf einer Quadratmeterzahl, die vom Warschauer Bahnhofsklo deutlich übertroffen wird.
Voll ist es hier, viele junge Leute, Bierliebhaber, aber auch Ältere, die mit der Bar groß geworden sind. Und: Völlig un-hipstermäßig. Ausrufezeichen! Oder besser, deren drei: !!!
Das Pub Gorączka Złota ist montags bis freitags ab 14:00 Uhr, sonnabends ab 17:00 Uhr durchgehend bis in die Nacht geöffnet. Sonntags ist Ruhetag, aber Pani Małgosia testet gerade, ob es sich lohnt, einen Sonntag im Monat und dann mit einem besonderen Speiseangebot zu öffnen. Zu erreichen ist das Pub am besten mit der Straßenbahn, Linien 4, 13, 15, 17, 18, 20 und 35, Haltestelle Hoża.
Pub Gorączka Złota
ulica Wilcza 29
00-544 Warszawa
Polen
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