Weihnachtsmarkt in Olmütz (Olomouc) – auf dem unteren und dem oberen Markt reiht sich eine Holzbude an die andere. Lichterschein in der Dämmerung des Sonnabends vor dem ersten Advent. Menschenmassen schieben sich zwischen den Buden hindurch. Etwa ein Viertel der Buden verkauft Handarbeiten und handwerkliche Produkte, ein weiteres Viertel Kartoffelpuffer (Bramboraky) oder Trdelníky, süße Gebäckteilchen, die auf einem runden Metallstab gebacken werden.
Und der Rest, also rund die Hälfte aller Buden, verkauft Punsch beziehungsweise Punč. Im hiesigen Verständnis Glühwein mit Wirkungsverstärker. Jede Bude hat sich auf eine eigene Sorte spezialisiert. Es gibt irischen, englischen und französischen Punsch, es gibt Olmützer, Nürnberger oder Wiener Punsch, mährischen, slowakischen, bayerischen oder böhmischen Punsch. Tiroler Punsch, Hamburger Punsch, Berliner Punsch. Besonders beliebt der finnische Punsch, bei dem der rote Glühwein solange mit klarem Wodka aufgefüllt wird, bis er die Farbe verliert. Punsch mit Ananas-, Orangen-, Johannisbeer-, Apfel- oder Maracuja-Saft. Punsch mit Bailey‘s, Whisky, Eierlikör, Rum oder Obstler. Es gibt nichts, was es nicht gibt. Keine Kombination ist zu gewagt, zu exotisch.
Mit wird vom bloßen an den Buden entlang Spazieren schon ganz schummerig, und ich male mir aus, wie morgen früh hunderte, wenn nicht gar tausende Olmützer Weihnachtsmarktbesucher einen schweren Schädel und einen kodderigen Magen haben werden.
Puh!
Wenn man nicht von dieser Vorstellung des klebrig-süßen Punschs in hundert Variationen einen ordentlichen Bierdurst bekommt, wovon dann?
Der Entschluss ist also schnell gefasst. Nach Lebkuchen, gebrannten Mandeln und sonstigem Süßkram wird auf Punč verzichtet, und wir gehen etwa 100 m die Riegrova-Straße hinunter, bis wir auf der rechten Seiten einen kleinen, unscheinbaren Eingang finden, der in einen zunächst genauso unscheinbaren Gang führt, in dem sich ein paar wenige biertrinkende Gäste verlieren.
Weiter hinten weitet sich der Gang auf und öffnet sich zu einem urgemütlichen Schankraum, der links eine zwar schmucklose, aber blitzsaubere kleine Edelstahlbrauerei beherbergt – wir stehen in der Minipivovar a Steakhouse Riegrovka.
Im Februar dieses Jahres hat sie erst eröffnet, und man sieht der Einrichtung an, dass alles noch neu ist. Und auch wenn der Schriftzug außen am Eingang, Original Beer Restaurant, gar nicht erwähnt, dass hier Bier gebraut wird – man engagiert sich sehr und produziert neben ein paar Standardsorten auch immer wieder neue Biere nach neuen Rezepturen.
Und: Man gewährt Einblick in den Gärkeller, wie wir feststellen, als wir nach unten schauen. Wir stehen nämlich auf einer massiven Glasplatte und schauen von oben auf die offenen Gärbottiche. Sahnig schaumig stehen die Kräusen auf dem Jungbier direkt unter unseren Füßen!
Eine kleine Bierkarte auf dem Tisch und eine Kreidetafel an der Theke informieren über das derzeitige Angebot – immerhin sieben verschiedene Biere.
Wir suchen uns ein gemütliches Plätzchen mit Blick auf die Sudkessel, bestellen uns typische tschechische „Diät-Teller“, also viel Fleisch und Kartoffeln in allen möglichen Formen, und studieren die Bierliste. Nicht alle werden wir heute verkosten können – aber die, von denen wir uns etwas versprechen, sollten es schon sein.
Den Anfang macht das Vienna Lager, mit 12° Stammwürze nicht zu stark. Bernsteinfarben mit einem schönen, kremigen Schaum steht es vor uns im Glas und begrüßt uns mit der in Tschechien schon fast obligatorischen Diacetyl-Note. Leicht buttrig, und so dezent wie in diesem Bier auch durchaus akzeptabel. Voller, runder und malziger Geschmack, kaum Hopfenbittere. Ein schönes Alltagsbier.
Weiter geht es mit dem Tamara 12°, benannt nach der Brauerin Tamara, die hier im Riegrovka für die Biere verantwortlich zeigt und während wir das Bier genießen auch am Sudkessel steht und arbeitet. Eine Sorte Malz (Pilsner), eine Sorte Hopfen (Saazer), dafür aber dreifach eingemaischt. Im Resultat ein schönes, herbes und auf angenehme Art den Durst löschendes schlankes Pilsner. Nichts Exotisches, aber gut trinkbar.
Als drittes probieren wir das Silná Čtyřka 13°, das kräftige Vierer. Vier Sorten helles Malz, vier Sorten Hopfen, vier verschiedene Zeitpunkte für die Hopfengabe. Eine nette Idee, das Bier so zu brauen, das Ergebnis ist aber wesentlich konventioneller, als die Beschreibung erwarten lässt. Ein solide gehopftes, leicht hopfenaromatisches Lager. Das dritte schöne Alltagsbier in Reihe – samt und sonders Biere, die niemanden verschrecken, die sich wohltuend vom Eurolager-Industriebier abheben, aber dennoch mit beiden Beinen fest auf dem Boden stehen.
Nach dem guten Essen folgt als Abschluss, gewissermaßen als flüssiges Dessert, der Oatmeal-Bock 16°. Etwas dunkler in der Farbe und mit Karamellmalz und Haferflocken gebraut. Süffig und sämig ist das Ergebnis. Vollmundig, mild, mit einem kremigen, fast schon sahnigen Schaum. Lediglich ein bisschen mehr Seidigkeit hätten wir angesichts der Verwendung von Haferflocken erwartet – vielleicht war hier der Anteil an der Schüttung etwas zu gering. Gleichwohl: Ein nahrhafter, leckerer Bock, der in der Tat den Nachtisch zum Essen gut ersetzt.
Wir ziehen Resümee: Eine angenehme Atmosphäre, freundlicher Service, gutes Essen und gut trinkbare Biere. Alltagsbiere samt und sonders, nichts also für den Craftbier-Aficionado, der den exotischen Gaumenkitzel sucht, wohl aber für den Biergenießer, der der Industriebiere überdrüssig ist, trotzdem aber ein Trinkbier haben möchte, von dem er auch einmal mehr als nur einen symbolischen Verkostungsschluck trinken kann, ohne vorschnell satt zu werden. Lob also an Brauerin Tamara.
Die Minipivovar a Steakhouse Riegrovka ist täglich ab 10:30 Uhr durchgehend geöffnet, sonnabends und sonntags erst ab 11:00 Uhr; kein Ruhetag. Zu erreichen ist sie problemlos zu Fuß – vom Rathaus aus sind es gerade einmal 150 m, und vom Bahnhof Olomouc Město aus sind es etwa 200 m.
Minipivovar a Steakhouse Riegrovka
Riegrova 22
779 00 Olomouc
Tschechien
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