C-Craft Beer
Hà Nội
VNM

Craft-Bier – dieses Unwort, dieser Un-Begriff, der ständig neue Diskussionen lostritt.

In den Vereinigten Staaten von Amerika wird er jedes Jahr neu definiert, um nur ja die Pioniere des Craft-Bier-Wesens auch weiterhin einschließen zu können. Egal, wie kommerziell sie geworden sein mögen. Egal, wie groß ihr Jahresausstoß mittlerweile geworden ist. Ein Aus-der-Bewegung-heraus-Wachsen ist nicht vorgesehen.

In Deutschland wird diskutiert, ob nicht sowieso alle ländlichen Kleinbrauereien schon seit Jahrhunderten Craft sind, auch wenn sie denn noch so langweilige und nicht innovative Biere brauen.

Und in Hà Nội?

Da hängt mitten im Gassengewirr der Altstadt, im dicksten Trubel, ein Schild „This is craftbeer“. Keine lange Diskussion, kein Hin und Her. Das hier ist Craft-Bier. Schluss, Ende, aus!

Zweifelnd stehen wir vor der kleinen Bar C-Craft Beer. Müssen für einen Moment schmunzeln ob dieser selbstbewussten Behauptung. Bekommen dann von einer bezaubernden jungen Dame ein einlaminiertes Stück Papier in die Hand gedrückt – die Getränkekarte. Und im ersten Moment befürchten wir, erneut reinzufallen. So, wie gerade vor fünf Minuten im BEER 2KU. Mit Fruchtsirup gefärbte Biere, um die Auswahl künstlich zu vergrößern. Die bunten Bildchen zeigen Schokolade, Honig, Früchte. Oh, je!

„Früchtebiere“, flüstere ich meiner holden Ehefrau ins Ohr. Zu laut. „No Fruu Bia“, protestiert die junge Dame, „Kraaf Bia!“ und lacht uns strahlend an. Keinen Widerstand duldend drückt sie uns auf die winzigen Stühlchen, die hier vor allen Bars stehen, rückt ein Tischchen heran, stellt ein Schüsselchen mit Süßkartoffelchips vor uns und wartet auf unsere Bestellung.

Wir sehen uns die Bierkarte etwas genauer an und leisten innerlich Abbitte. In der Tat, kein Fruit-Beer, sondern solide Biere, bei denen die Bildchen lediglich die Hauptaromen illustrieren sollen. Vorsichtig bestellen wir ein Fassbier, das Brewmaster, das mit Chocolate Flavour beworben wird, und ein Flaschenbier, ein Amber Classic.

Stolz serviert die Kellnerin die Biere, und wir machen große Augen. Und nicht minder große Münder. Das Amber Classic kommt in einer Flasche mit neutralem Etikett. Ein asiatisch anmutendes Schriftzeichen in der Mitte, dazu die Beschriftung Craft Beer – limited Edition. Und ein weißer Aufkleber am Flaschenhals, mit Kugelschreiber beschriftet: AMBER. Wie bei Hausbrauers daheim. Simpel, aber eindeutig. Und was soll ich sagen? Ein rundes, malziges Bier, schön aromatisch, würzig. Die angeblich 7,0 % Alkohol sind kaum zu spüren. Ein rundum sauberer Geschmack.

Das Brewmaster, ein Special Black mit immerhin 9,0 % Alkohol, steht dem Amber qualitativ nicht nach. Kräftige Röstmalzaromen und -geschmäcker. Bitterschokolade, Kaffee, ein kräftiger Körper, alkoholische Wärme. Ein hervorragendes Imperial Stout. Klasse!

Nach wenigen Schlucken glühen unsere Wangen. Der Tag war lang gewesen und anstrengend, und gerade erst haben wir unser tägliches Quantum doch schon ausgeschöpft – mit unsäglichem Billigbier, gerade ein paar Schritte von hier. Welch ein Sakrileg. Und so sitzen wir nun hier, würden – ach! – so gerne auch die anderen Sorten noch verkosten, die Aromenvielfalt genießen. So vielversprechend ist die Bierliste geworden, die doch auf den ersten Blick so uninteressant erschien…

Für einen Moment unterhalte ich mich mit dem freundlichen Barmann an der Theke, der stolz auf die sechs Zapfhähne zeigt. Ich müsse doch noch so viel probieren, bevor ich ginge, sagt er. Alles sei selbst produziert, daheim, nur ein paar hundert Meter von hier. Und dann auf Fässer gezogen oder in Flaschen gefüllt. Kleine Papieretiketten, per Hand beschriftet, weil es doch immer wieder neue Sorten gebe, und da lohne kein individualisiertes Etikett für jeden Sud.

Wie vertraut mir diese Geschichte vorkommt – wie viele Hausbrauer haben mir so etwas Ähnliches schon erzählt. Und so ist das Haus- und Hobbybrauen offensichtlich also auch in Hà Nội angekommen. Und auch den nächsten Schritt macht man, nämlich den Verkauf des Hausbräus. Hier und heute, im C-Craft Beer. Als ganz klassisches Craft-Bier. So Craft, wie es nur Craft sein kann!

Ich blicke mich in der Bar um. Winzig klein ist sie, ganz schmal nur, aber dafür hat sie noch zwei weitere Stockwerke. Und in der Trockenzeit sitzt man sowieso stattdessen auf der Straße davor. Und trinkt sich genüsslich durch die Bierliste.

Ach, was gäbe ich darum, nun hier noch sitzen bleiben zu können, die anderen Sorten auch zu verkosten, mit dem netten Barmann noch ein wenig zu plaudern. Aber morgen früh muss ich wieder arbeiten, bin beruflich hier, und noch einmal: Ich könnte mich selbst ohrfeigen, vorher das Billigbier getrunken zu haben. Ich schwöre mir: Nie wieder Billigbier. Jedenfalls nicht, solange auch nur eine theoretische Chance besteht, noch besseres zu finden.

Und verlegen erstehe ich eine Flasche Pharaoh-Bier. Mit Scotch-Whisky. Und mit 12,0 % Alkohol. „Beer to go“, sagt der Barmann augenzwinkernd, und ich stimme ihm weitestgehend zu. Nicht wirklich „to go“, also nicht für aus der Flasche unterwegs, aber zum Mitnehmen, für den Genuss gleich im Hotelzimmer, zum Abschluss des Tages.

Wir lassen die wunderbare kleine Craft-Bier-Bar hinter uns, die noch so viel geboten hätte, stürzen uns zurück ins Gewimmel und lassen uns in Richtung Hotel treiben. Einmal mehr hat die Vernunft gesiegt. Aber das Pharaoh-Bier, das lassen wir uns noch schmecken. Als Betthupferl, gewissermaßen. Und innerlich ziehen wir den Hut vor der Kunst des unbekannten Hausbrauers, der irgendwo im Gewirr der Straßen Hà Nộis diese Biere braut und die Gäste der kleinen Bar mit diesen wunderbaren Aromen beglückt.

Die Bar C-Craft Beer ist ab dem späten Morgen bis tief in die Nacht geöffnet, nach Einbruch der Dunkelheit mit Stühlen und Tischen auf der Straße. Die angebotenen Fass- und Flaschenbiere stammen aus eigener Produktion; für die Touristen werden aber auch – leider! – ein paar Industriebiere aus der Flasche angeboten. Dazu gibt es Süßkartoffelchips, oder man greift bei einem der vielen vorbeilaufenden Straßenhändler zu und nimmt sich einen Snack. Zu erreichen ist die Bar eigentlich nur zu Fuß; es sind fünf bis sieben Minuten vom See Hoàn Kiếm.

Bilder

C-Craft Beer
45A Lương Ngọc Quyến
Hoàn Kiếm
10000 Hà Nội
Vietnam

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