Draußen eine große Leuchtreklame über mehrere Stockwerke, drinnen ein psychedelisches Farbgewitter, das sich selbst hier, in der lauten, bunten, schmutzigen, lebhaften Altstadt Hà Nộis, von der Kakophonie der Sinneseindrücke abhebt: BEER 2KU.
Und so kommt es, dass ich einmal mehr diesen Anfängerfehler begehe, diese durch nichts als durch meine eigene Charakterschwäche begründete Nachlässigkeit: Ohne nachzudenken, ohne zu recherchieren, ohne noch ein letztes Mal Cortana in meinem schlauen Telefon zu fragen, wende ich meinen Schritt der Bierreklame folgend in dieses merkwürdige Etablissement.
Viel los ist nicht, aber man sieht dem Mobiliar an, dass hier schon gewaltige Besäufnisse stattgefunden haben müssen, dass hie Partys bis in den frühen Morgen hinein gefeiert worden sind. Kleine, handbemalte Ölfässer als Tische, niedrige Holzhocker als Sitzgelegenheiten. Die Wände sind laienhaft mit Karikaturen bemalt, im Innenraum hängen überall knallbunte Wimpel, und LED-Lampen leuchten in allen Farben des Regenbogens. So ähnlich sah es Ende der siebziger Jahre in der einen oder anderen Szene-Bar meiner Jugend aus.
Wir suchen uns einen Platz im ersten Stock, direkt an der Balustrade, und können so auf den Trubel der Straße hinuntersehen. Hier in der Altstadt spielt sich das Leben der Einheimischen auf dem Bürgersteig ab. Es wird gekocht, gegessen, getrunken, gespielt. Man unterhält sich, repariert sein Moped oder macht den Abwasch. Hier werden die Kinder gewickelt, gefüttert, erzogen und vielleicht im Schutz der Dunkelheit auch gezeugt. Und wir sitzen wie im Kino und beobachten das bunte Treiben.
Der junge Kellner hält uns einen Zettel unter die Nase, die Bierkarte. Eine große Auswahl, behauptet er, aber beim genauen Hinsehen schrumpft diese doch erheblich zusammen. Was auf den ersten Blick wie eine recht ordentliche Liste aussieht, besteht zur Hälfte aus bierfremden Getränken (Wasser, Wein, und sogar eine Shisha werden angeboten), und die andere Hälfte setzt sich in erster Linie aus internationalen Industriebieren zusammen: Tiger, Sapporo, Budweiser, Tuborg, Corona, Heineken. Billige Lagerbiere, die kein Mensch bei einer Blindverkostung voneinander unterscheiden könnte.
Fast schon wollen wir abwinken, als uns in der rechten unteren Ecke des Zettels ein Angebot auffällt: Vier Biere zum Pauschalpreis. Dark, Red, Lime und Light – jeweils ein Glas für zusammen etwas mehr als fünf Euro. Na, das klingt ja gut.
Aber bei eben diesem guten Klang bleibt es dann auch. Vier Biergläser werden serviert, in zweien davon ein rötlich schimmerndes Gebräu mit roten Farbtupfern im Schaum. „No dark, two red“, entschuldigt sich der Kellner. Die nunmehr noch drei verschiedenen Biere entpuppen sich als simples, einfachstes vietnamesisches Billigbier: Bia Đại Việt. Ein dünnes, geschmacksarmes Lage mit 4,7% Alkohol. In zweien der vier Gläser ist es mit einem Schuss Himbeersirup „verfeinert“ und eingefärbt worden, in einem schwimmen zwei Limonenschnitze, und das vierte Glas enthält das Bier pur.
Begeisterung buchstabiert sich anders.
Während sich der Biergenuss also sehr in Grenzen hält, so ist der Blick auf die kleine Gasse doch spannend. Das bunte und wuselige Geschehen schlägt uns in seinen Bann, und so gelingt es uns auch, in kleinen Schlucken das Bier bis zum Ende zu bringen.
Trotz des reißerischen und vielversprechenden Namens also kein erwähnenswertes Biererlebnis. Aber ein doch irgendwie witziger Zwischenstopp. Und wer als Backpacker chronisch klamm ist und für wenig Geld sein Bier in jugendlicher Atmosphäre trinken möchte, wer mehr auf Quantität denn auf Qualität achtet und Gleichgesinnte treffen möchte, der ist hier sicherlich gut bedient.
Der Bier-Aficionado allerdings nichts.
Die sich in erster Linie an trink- und feierwütige Touristen der jüngeren Generation richtende Bierbar BEER 2KU ist täglich ab 09:00 Uhr morgens durchgehend geöffnet. Sie befindet sich mitten im Gassengewirr der Altstadt nördlich des Sees Hoàn Kiếm und ist von diesem aus in fünf Minuten zu Fuß zu erreichen.
BEER 2KU
12 Hàng Giầy
Hàng Buồm
Hoàn Kiếm
10000 Hà Nội
Vietnam
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