Gerade ein paar Tage ist es her, dass die Bierkultur in Belgien von der UNESCO als immaterielles Kulturerbe anerkannt worden ist, und nun stehen wir in einer der winzigen Gassen Hà Nộis, mitten im Trubel der Radfahrer, Mopedfahrer und Fußgänger, die sich rund um die Uhr durch die Straßen schieben, im Zickzack oder in weichen Wellenbewegungen um die Hindernisse herum fließen, um Familien, die ihr Abendessen auf der Straße kochen, um Händler, die Haushaltsutensilien oder Delikatessen direkt aus ihrem Fahrradkorb verkaufen, oder um findige Handwerker, die Mopeds reparieren, Schuhe putzen, Schlüssel nachmachen oder Haare schneiden. Ein unaufhörlicher Strom von Menschen, laut, bunt, schmutzig. Weit weg von der Kultur Belgiens.
Und mittendrin plötzlich das beleuchtete Schild: Le Petit Bruxelles. Since 2003 in Hanoi. Belgian Bar Restaurant.
„Die werden hier doch nicht…“, schießt mir ein ketzerischer Gedanke durch den Kopf. „… belgisches Bier ausschenken?“ Doch da fällt mein Blick schon auf die Kreidetafel rechts neben der Leuchtreklame: Belgian Beer: Leffe, Duvel, Rochefort, Bush, Kriek, Chimay, Kasteel.
Wir zögern keinen Moment. Für ein leckeres Tagesabschlussbier ist noch Zeit, und was bietet bessere Möglichkeit, nach einem langen und anstrengenden Tag im Trubel Hà Nộis die Seele wieder runter zu fahren, als ein gutes, aromatisches belgisches Bier. Gerne etwas Hochprozentiges, denn es geht nicht mehr darum, den Durst zu löschen, sondern in winzigen Schlucken die Aromen zu genießen, zu spüren, wie die Wangen sich langsam röten und sich tiefe Entspannung breit macht.
Das Restaurant ist ansprechend und gemütlich, und, ja, vom Stil her könnte es sich auch irgendwo in Belgien befinden. Relativ schlicht, man vermisst lediglich die typische Jugendstil-Ornamentik, die so viele belgische Biercafés auszeichnet. Aber ein Bild vom Manneken Pis hängt an der Wand, ebenso eines vom Atomium, und natürlich auch eine Tafel mit gesammelten Etiketten von Früchtebieren. Und links neben der Theke ein prall gefüllter Kühlschrank mit belgischen Starkbieren. Eher die international bekannten Sorten, keine Nischenbiere, aber immerhin. Schließlich sind wir viele, viele tausend Kilometer von Belgien entfernt.
Wir bestellen uns ein Rochefort 8° und ein Bush Amber, und an einer winzigen Kleinigkeit merken wir jetzt doch, dass wir nicht in Belgien sind: Beide Biere werden mit einem neutralen Glas serviert. Ein schöner Pokal und zum Bierstil passend, das schon, aber der gute Brauch, der ein gutes Stück der Bierkultur Belgiens ausmacht, nämlich, dass jedes Bier in seinem individuellen Glas serviert wird, der fehlt hier doch.
Ganz objektiv macht es natürlich keinen Unterschied – weder geschmacklich noch in den Aromen. Der weit geöffnete Pokal erlaubt es den Aromen, sich zu entfalten, und ob er mit einem Brauereilogo bedruckt ist oder nichts, spielt sicherlich keine Rolle. Aber dem Auge fällt es auf.
Beide Biere sind ein wenig zu kalt, was aber insofern nicht wirklich schlimm ist, als dass sie sich bei den angenehmen Temperaturen von knapp 25° recht rasch aufwärmen und dann ihre komplexe Aromatik entfalten. Das Bush präsentiert sich fruchtig und süßlich, das Rochefort etwas hopfiger und kantiger. Beider aber sehr komplex, einerseits fordernd, nämlich Aufmerksamkeit und Konzentration, andererseits aber auch freigiebig in ihrer Aromenvielfalt.
Wir sind zufrieden – ein etwas untypisches Biererlebnis, hier in Südostasien, weit weg von Mitteleuropa, aber deswegen nicht minder schön. Bierkultur Belgiens!
Le Petit Bruxelles bietet belgische Biere und belgische Küche mitten in Hà Nội. Es ist täglich über die Mittagszeit und ab 17:00 Uhr bis in den späten Abend geöffnet; kein Ruhetag. Es liegt in einer kleinen Gasse direkt hinter der St. Joseph Kathedrale westlich des Sees Hoàn Kiếm, von diesem fünf Minuten zu Fuß entfernt.
Le Petit Bruxelles
1 Ấu Triệu
Hoàn Kiếm
10000 Hà Nội
Vietnam
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