So, für heute reicht’s mit dem Bier. Mein Kollege und ich sind uns einig. Der letzte Tag einer vollgepackten Woche, anstrengende Vorträge und Verhandlungen liegen hinter uns, morgen ist der Rückflug, und gerade eben haben wir schon zwei Bierbars ausgetestet. Die Vernunft sagt, Schluss für heute, zurück ins Hotel.
Wir traben an der Piazza Bellini entlang und nehmen Kurs auf‘s Hotel, als wir plötzlich den Schriftzug la stanza del gusto über der Tür zu einem Restaurant sehen. Irgendwo im Hinterkopf macht es klick. Verstohlen ziehe ich mein Telefon aus der Tasche. Ein paar schnelle Tastendrucke und Wische, und da habe ich es: La Stanza del Gusto. Eines der recht prominent platzierten Suchergebnisse, wenn man in Neapel nach gutem Bier forscht. Ich wusste es doch, irgendwo hatte ich den Namen schon gelesen.
Ich scrolle durch die Texte. „some of the most innovative food in town”, „there’s also a fine list of quality craft beers”, „die Einrichtung ist sympathisch verrückt”, „ein wirkliches Kunstobjekt”. Lange brauche ich nicht zu überlegen, im Nu sind die guten Vorsätze über Bord geworfen. Die Entscheidung steht fest: Hier gehen wir jetzt auf ein allerletztes Bier rein.
Uns empfängt ein kunterbuntes Durcheinander. Große Wandtafeln, die das Essen und die Getränke mit bunter Kreide anpreisen, viel quietschbunter Dekokram, ein paar holprig in alle möglichen Sprachen übersetzte Sinnsprüche, eine Theke mit einem wie zufällig wirkenden Durcheinander von Flaschen und Gläsern, und mittendrin zwei junge Damen, die emsig zwischen den Tischen hin und her wuseln und bedienen.
Wir finden einen freien Tisch direkt an der Theke und bekommen erst einmal eine große Flasche Wasser hingestellt. Gratis.
Die Frage nach dem Bier kommt auf, und wenn wir die wortreichen Erklärungen richtig verstanden haben, dann ist es der Koch des La Stanza del Gusto, Kuoko Mercante, der einige Biere selber in einer kleinen Brauerei in der Nähe braut. Also, her damit. Und im Nu stehen zwei leckere Biere vor uns.
Das erste, das Ma però, non si dice, ist ein Belgian Ale. Leicht estrige Aromen, ein spannender Geschmack, aber auch mit einer etwas eigenwilligen, geradezu kantigen Hefenote, wie sie ein gutes Saisonbier auszeichnet. Sehr schön. Ein leckeres Bier.
Das zweite (wir wollten ja eigentlich nur eines trinken…) ist das Mai più, ein birra rossa, also ein Rotbier. Mit 7,0% Alkohol schon in der Doppelbock-Klasse. Und genauso schmeckt es auch – wie ein malziger, kräftiger, roter Doppelbock. Und ebenfalls mit diesem leichten Hefe-Zing. Richtig gut.
Bier trinken macht hungrig, und die Blicke auf die Nachbartische gleich gar. Und der Blick über die Theke und die Regale mit all den lokal produzierten, oft sogar handgemachten Spezialitäten versetzt den guten Vorsätzen den endgültigen Todesstoß. In vollem Bewusstsein, heute Nacht mit übervollem Bauch unruhig zu schlafen und morgen früh mit schlechtem Gewissen aufzuwachen, bestelle ich mir eine Schüssel mit vier verschiedenen gebackenen Käsesorten.
Bingo. Ein Volltreffer. Die kleinen, unterschiedlich panierten Käsenuggets schmecken mehr als nur lecker. Jedes einzelne Stückchen ist eine Geschmacksexplosion. Die Kuoko-Mercante-Biere passen perfekt dazu, die raue Hefe schlägt den Bogen zwischen den kernigen Käsearomen und den eher süßlich-malzigen Geschmackserlebnissen der Biere. Ein wunderbarer Genuss!
Lange, viel zu lange, sitzen wir bei Käse und Bier, genießen die urige Atmosphäre und den freundlichen und aufmerksamen Service der beiden Damen, lassen die Blicke durch den Raum schweifen und entdecken immer wieder neue Kleinigkeiten im Sammelsurium der Dekorationen. Viele der angebotenen Spezialitäten kann man auch mitnehmen. Sei es im Einweckglas oder in der kleinen Konservendose. Vermutlich handgefüllt – ich sehe sie vor mir, die große Maschine aus meiner Kindheit, mit der bei der Hausschlachtung die Konservendose mit der frischen Wurst zugerändelt wurde. Ein großes Rad mit einer Handkurbel, Zahnräder und eine komplizierte, aber robuste Mechanik. Manchmal durfte ich als kleiner Junge mit anfassen und die schwergängige Kurbel drehen.
Aber leider, das Gewicht meines Fluggepäcks ist begrenzt, und so bleiben die Dosen und Gläser hier stehen, bleibt mir nur der Genuss vor Ort – dieser aber wird mir noch lange im Gedächtnis haften bleiben.
Schwärm!
La Stanza del Gusto ist täglich ab 11:00 Uhr durchgehend bis in den späten Abend geöffnet; kein Ruhetag. Lediglich sonntags gönnt man sich eine kleine Auszeit am Abend und schließt nach der Mittagszeit bereits um 15:30 Uhr. Neben zahlreichen selbstgemachten Spezialitäten und Leckereien aus der Region gibt es eine sehr gute Auswahl an exzellenten Spezialbieren, zum Teil ebenfalls selbst hergestellt. Zu erreichen ist das kleine bunte Lokal bequem zu Fuß in zwei Minuten von der Piazza Bellini, oder in sieben Minuten von der Metro-Station Piazza Dante, Linie L1.
La Stanza del Gusto
Via Costantinopoli 100
80 135 Napoli
Italien
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