Die Tschechen und ihr Bier. Wohl nichts ist in diesem Land so heilig wie das Bier. Ob gelegentlich durchaus schon mal zum Frühstück, ob als Begleiter einer Mahlzeit, ob als Treibstoff für mehr oder weniger philosophische Diskussionen am Abend – Bier ist immer dabei. Wenn sich zwei Tschechen treffen, gibt es kein Fragen oder gar Diskutieren, was man denn trinken möchte, sondern es ist selbstverständlich, dass gemeinsam ein Bier getrunken wird. Und meistens nichts nur eins. Daheim – aber noch viel lieber in der Kneipe, in einer kleinen Gastwirtschaft, einer Hospůdka.
Eine solche Hospůdka muss nicht viel hermachen, da ist man nicht sehr anspruchsvoll. Ein paar Tische, ein paar Stühle, eine Zapfanlage und eine fleißige Bedienung, die das Bier rasch und gut gezapft an den Tisch bringt. Viel mehr muss es auf dem Dorf nicht sein. Die Gemütlichkeit stellt sich dann von selbst ein, wenn alle Tische besetzt sind, der Lärm von zahlreichen Gesprächen und Diskussionen den Raum füllt, das Bier in Strömen fließt.
Aber es muss lecker sein. Das ist Grundvoraussetzung. Alles andere würden die Gäste ihrem Wirt, ihrer Wirtin verzeihen, aber das Bier muss gut sein!
Und so findet man überbordend dekorierte, geradezu barocke Schwemmen der Gemütlichkeit dann eher in den Touristenhochburgen des Landes, wohingegen auf dem Dorf ein eher nüchterner Stil vorherrscht. Wobei eher nüchtern nicht ungemütlich bedeuten muss, sondern einfach nur eine gewisse Schlichtheit und Zweckmäßigkeit. Lieber auf aufwändigen Schicki-Micki-Kram zu verzichten als den Bierpreis unnötig zu erhöhen, lautet die Devise.
Und was das für Vorteile hat, sieht man derzeit im ganzen Land. Überall in den kleinen Städten, manchmal sogar in winzigen Dörfern, entstehen kleine Gasthausbrauereien. Fast jede Woche liest man von einer Neueröffnung irgendwo, und oft sind es einfache, aber mit Liebe betriebene Kneipen, in denen neuerdings ein kleines Sudwerk zur Einrichtung gehört.
Die Hradní Pivovar Hustopeče ist so eine kleine Neugründung. Erst 2015 wurde sie eröffnet. Nicht im Zentrum der kleinen Stadt Hustopeče, auch nicht an der Hauptdurchgangsstraße, sondern in einer der kleineren Straßen, die die Wohngebiete und Nachbardörfer erschließen. Wäre nicht schon der Schriftzug Pivovar – Hospůdka – Zahrádka (Brauerei – Schänke – Biergarten) an der kleinen Mauer zu lesen, nichts würde das Gebäude von den benachbarten Wohnhäusern unterscheiden.
Wir stellen unser Auto ab und gehen durch die Einfahrt. Dort, wo bei den Nachbarhäusern der Weg zur Garage führt, öffnet sich hier ein kleiner Hinterhof, in dem unter einem kleinen Vordach die Biergarnituren stehen und auf besseres Wetter warten. Es ist März, noch ist es zu kalt, um draußen zu sitzen, aber es sieht trotzdem schon einladend aus. Ein großer Sandkasten für die Kinder, große Wandtafeln, um mit Kreide darauf malen zu können – hier kann sich die ganze Familie wohlfühlen.
Direkt davor steht ein kleiner Anhänger mit dampfendem, aromatisch riechendem Treber. Aha, hier ist also gerade gebraut worden!
Wir öffnen die Tür zur eigentlichen Hospůdka und uns schlägt warme, dampfgesättigte Luft entgegen. Im Schankraum sind es bestimmt 27°, und die Luftfeuchtigkeit beträgt irgendwo knapp unter 100%. An der hinteren Wand ein kleines Edelstahlsudwerk und ein schwitzender Brauer, der fleißig putzt, spült, aufräumt, reinigt. Entgegen der romantischen Vorstellung vom Brauerleben besteht ein Sud nicht daraus, dass man gemütlich in der Maische rührt, sondern 80% der Zeit und der Arbeit sind Putzen und Reinigen, der Rest ist Aufräumen und Saubermachen. Brauen tut eher die Technik.
Während wir uns ein Plätzchen suchen und ich mir den Schweiß von der Stirn wische, meldet sich meine holde Ehefrau hochzufrieden: „Endlich einmal eine Gaststube, in der es kuschelig warm ist!“ Nun ja, kuschelig warm – so kann man die tropischen Verhältnisse hier auch bezeichnen.
Zum Glück ist aber der Brauvorgang vorbei, und langsam sinken die Temperatur und die Luftfeuchtigkeit auf normales mitteleuropäisches Maß ab.
Ich bestelle mir ein dreizehngrädiges Hradní Speciál – ein solides halbdunkles Alltagsbier. Ein bisschen stärker vielleicht als die Frühstücksbiere, die Zehner und Elfer, die die Tschechen durch den Tag begleiten, aber noch lange kein Starkbier. Kräftig malzig ist es, mit einer leicht erdigen Note, sehr vollmundig. Das eher elegante Glas passt so gar nicht zum Bier – hier hätte ich eher einen robusten Krug erwartet. Ähnlich kernig wie das Bier schmeckt der dazu servierte Zakladaný Hermelín, der in Öl, Gewürzen und Zwiebeln eingelegte Käse. Ich werde nachher wieder aus allen Körperöffnungen ausgasen und meine Umgebung olfaktorisch belästigen, das weiß ich jetzt schon, aber die so reaktionsfreudige Kombination aus frischem Bier, Zwiebeln und Käse schmeckt einfach unvergleichlich gut! Egal, wie kraus meine Holde ihre Nase zieht…
Der Brauer hat mittlerweile seine Arbeit beendet, das Sudwerk glänzt wieder wie neu. Und auch die Temperatur im Schankraum sinkt langsam wieder auf Normalwerte. Ich gönne mir ein zweites Bier, diesmal das Kalahari IPA 14°. Ein schönes, harzig-würziges India Pale Ale im eher englischen Stil. Völlig anders als das Speciál 13°, obwohl es im Glas fast gleich aussieht. Ein Gastbrauer habe dies hier auf der Anlage gebraut, erklärt mir die freundliche Kellnerin, und zwar der Albert aus Brno. Lustig – gerade vor einer Woche waren wir in der Schänke U Alberta eingekehrt, aber da war das Kalahari noch nicht am Hahn, und so trinke ich es stattdessen halt hier, am Ort seines Entstehens.
Als wir uns langsam wieder auf den Weg machen, sehen wir den Brauer im Hof stehen. Eine kurze Zigarettenpause, und dann geht es an die Entsorgung des Trebers – der Brautag ist offensichtlich noch lange nicht vorüber. Wir haben es genossen – eine nette, schlichte kleine Brauerei in Südmähren.
Die Hradní Pivovar Hustopeče ist täglich ab 15:00 Uhr durchgehend geöffnet; montags ist Ruhetag. Neben den selbstgebrauten Bieren werden ein paar einfache kalte Speisen angeboten. Die Hradní-Biere kann man auch in PET-Flaschen abgefüllt mitnehmen; die Gastbiere, wie das von Albert, allerdings nicht. Zu erreichen ist die Brauerei mit dem Auto in fünf Minuten von der Autobahn D2 Brno – Bratislava, parken kann man kostenfrei direkt vor dem Haus. Bis zum Bahnhof sind es drei Minuten zu Fuß, allerdings macht mir dieser nicht den Eindruck, als werde er noch von Personenzügen angefahren…
Hradní Pivovar Hustopeče
Hradní 199/2
693 01 Hustopeče
Tschechien
Hinterlasse jetzt einen Kommentar