Es ist erst ein paar Wochen her, dass in den Social Media der Vorschlag für einen Hipster-Baukasten kursierte: Eine metallisch glänzende Schankanlage, Stahl oder Kupfer, mit einem Dutzend Zapfhähnen. Schwarze Tafeln und viel bunte Kreide. Einfache Möbel, entweder aus simplem, unbearbeitetem Holz oder aus Metall, vielleicht auch aus Euro-Paletten. Viel bunte Farbe. Betonklötze, rote Ziegel, nackte Glühlampen. Profileisen, Dachbalken, offene Lüftungsgitter. Und noch ein paar weitere Gimmicks und Deko-Artikel. Das alles mehr oder weniger geschmackvoll kombiniert, und fertig ist das neue Hipster-Lokal, die nächste Craft-Bier-Bar.
Schon von außen passt Hopside in Roms Stadtteil Ostiense ins Bild. Eine simple Betonfassade, zwei Rolltore. Könnte auf den ersten Blick auch eine Autowerkstatt beherbergen oder irgendeinen anderen Handwerksbetrieb. Zwischen den beiden Toren eine (sic!) Europalette. An die Wand gedübelt und zum Kräutergarten umfunktioniert.
Drinnen dann ein großer Thekenblock in der Mitte der kleinen Halle. Profileisen, eine Schankanlage, stählern glänzend mit einem Dutzend Zapfhähnen. Darüber die schwarzen Tafeln, auf denen mit bunter Kreide die angebotenen Biere verzeichnet sind. Von der Decke hängen nackte Glühlampen …
Ach, ich merke, es wiederholt sich. Eine Craft-Bier-Bar aus dem Baukasten also?
Nun, zumindest stilistisch kommt es hin. Nur wenige Elemente aus dem Baukasten wurden nicht verwendet. Ich sehe keine roten, grob übereinander gemauerten und unverputzten Ziegel. Und der bärtige Hipster-Barmann im karierten Hemd ist in Wirklichkeit eine junge Dame. Ohne Bart. Ohne Holzfällerhemd.
Der Abend ist noch jung, und so brauchen wir nicht lange nach einem Platz zu suchen. Schön mit Blick aus dem Fenster, gleichzeitig aber auch auf die Bar und auf die schwarzen Biertafeln. Obwohl: Mit denen ist es nicht so weit her: Die junge Dame kommt, bringt die Bierkarte und erklärt mit Blick auf die Kreidetafeln: „Was dort steht, ist nicht aktuell. Wir haben die Biere, die hier in der Karte stehen, und nicht die, die dort an der Theke angeschrieben sind.“
Aha. Merkwürdig. Keiner da, der mal eben einen Lappen nehmen und die Tafel aktualisieren kann? Keine Leiter zur Hand? Höhenangst? Legasthenie? Oder gibt es in der Crew nur einen einzigen Schönschreiber, alle anderen haben eine krakelige, unleserliche Schrift?
Egal, wir bestellen jetzt erstmal. Heute haben wir Lust auf etwas Exotisches und ordern ein glutenfreies Hoppy Blonde, das AVA von First Chop aus Manchester, und ein Hempathy von der Birrifiglio degli Archi, ein Bier mit Hanf. Blitzschnell werden sie serviert, aber unsere Begeisterung hält sich in Grenzen. Das AVA schmeckt oxidiert, nach feuchtem Karton, und das Hempathy einfach nur wie ein verdünntes Helles. Keine süßlichen Hanfaromen, nichts. Schade! Das haben wir nun von unserer Experimentierfreude…
Wir blicken uns ein wenig in der Halle um. Mit rund zwanzig Jahren Abstand scheinen wir die Ältesten in der Bar zu sein, was aber – zum Glück! – niemanden zu stören scheint. An den Nachbartischen werden Leckereien serviert. Burger zum Selbstkombinieren, beispielsweise. Anderen beim Essen zuzukucken ist meine Sache nicht, und so kann ich nicht lange widerstehen. Ich bestelle mir einen kleinen Snack, Hühnchen und Garnelen am Spieß. Ein kleiner Genuss zum Bier, nichts wirklich Großes. Aber sehr schmackhaft!
Allerdings: Der Snack macht nun wieder durstig, die nächste Runde ist fällig. Diesmal entscheiden wir uns für etwas weniger Exotisches und wählen ein American India Pala Ale, das Kerbera von Entire, und ein Tripel, das Vedo Triplo von Bibibir. Beide Biere erweisen sich als deutlich bessere Wahl. Alkoholstark und charakterstark. Typisch für ihren jeweiligen Stil.
Langsam beginnt sich die Bar zu füllen. Es ist zwar während der Woche (Mittwoch!), aber die Römer gehen trotzdem erst sehr spät aus. Ein Wunder, wie sie es schaffen, am nächsten Morgen wieder fit zur Arbeit zu erscheinen…
Am hinteren Ende der Halle sehen wir eine Stahltür mit der Aufschrift Laboratorio. Dahinter verbirgt sich das Bier-Laboratorium, wie wir auf Nachfrage erfahren. Ein ziemlich professionell ausgestatteter Raum mit einer kleinen Brauanlage. Metalltische, gekachelte Wände, Waschbecken und Lüftung, und dazu ein Sudwerk, auf dem interessierte Hausbrauer eigene Biere produzieren dürfen. Auch Bierseminar können hier stattfinden. Leider heute aber fest verschlossen, insofern muss ich mich auf die Angaben der Kellnerin und ein Bild im Internet verlassen. Sieht aber vielversprechend aus.
Unsere Kondition scheint geringer als die der anderen Gäste zu sein. Ist es der Altersunterschied, oder werden Deutsche einfach nur eher müde als Italiener? Fast sind wir schon zu müde, um darüber nachzudenken und trollen uns zurück ins Hotel. Aber nicht unzufrieden. Die ersten beiden Biere waren zwar enttäuschend, die anderen beiden aber sehr gut, das Essen lecker und der Service sehr freundlich. Und das alles in einer angenehmen Atmosphäre. Aus dem Baukasten zwar, aber auch bei Baukästen kommt es darauf an, wie man die Bausteine kombiniert.
Die 2013 gegründete Bar Hopside versteht sich als Kombination aus Gourmet-Street-Food- und Bier-Bar mit Craft-Bier-Laboratorium. Sie ist täglich ab 18:00 Uhr mit morgens um 02:00 Uhr geöffnet; sonntags schon ab 12:00 Uhr. Kein Ruhetag. Zu erreichen ist sie vom Bahnhof Ostiense in wenigen Minuten.
Hopside
Via Francesco Negri 39
00154 Roma
Italien
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