Malefitz
Wien
AUT

Noch ein wenig zerknittert nach einer viel zu langen Ballnacht in Wien stolpern wir am 20. Januar 2018 über den Meidlinger Markt. Aus einer vertrauenswürdigen, einheimischen Quelle haben wir auf unsere Frage, was wir denn am Sonnabendnachmittag noch Bieriges machen sollten, nur eine ganz kurze Nachricht auf dem Messenger bekommen – ein Wort lediglich: „Malefitz“.

Die Adresse dazu war schnell gegoogelt, und mit der U-Bahn waren wir auch blitzefix auf dem Meidlinger Markt. Einmal kreuz und einmal quer laufen wir zwischen den Buden hindurch, und dann haben wir es auch schon gefunden. Quietschbunt liegt es vor uns, orange und limonengelb. Ein wenig verwittert-zerknittert, gerade zu unserem derzeitigen Zustand passend. Wir kratzen uns am Kopf und überlegen, was uns hier wohl erwarten mag. Im Schaufenster jedenfalls werden wir auf alles vorbereitet: „Erstens: Kommt es anders, und zweitens: Als man denkt!“, steht dort, und dahinter sehen wir ein großes Regal mit Bierflaschen, ein paar Kunststoffgärtanks und ansonsten ein liebenswertes Durcheinander.

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Malefitz

Na dann – nichts wie hinein!

Wir gehen durch die Tür und stehen direkt vor einem kleinen Tisch, ein paar wackelige Stühle rundherum, zwei Gäste und zwei Kinder sitzen hier, in Spiel und Gespräch vertieft. Dahinter erspähen wir eine kleine Theke, wiederum dahinter werkelt Alexander Fitz herum – Eigentümer und wortspielerischer Namensgeber des kleinen Lädchens.

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hier steht die Zapfanlage vor der Theke, nicht dahinter

Vor der Theke – Moment mal! Vor? Ja, tatsächlich, davor, nicht dahinter! – sehen wir eine kleine Zapfanlage mit zwei Hähnen. Während ich noch neugierig schaue, fragt Alexander bereits: „Wollt‘s Ihr Euch setzen?“, und ohne eine Antwort abzuwarten, schiebt er die Stühle hin und her und bietet uns ein Bier an. Den gestopften Bock mit Orange habe er, einen Kollaborationssud von Next Level Brewing mit der Brauerei 100 Blumen; ein Bier, das zur Vienna Beer Week im November eingebraut worden sei. Und am anderen Hahn habe er von Alefried ein Super Hazy New England IPA.

Den Orangenbock hätten wir vorgestern schon im Café Lassa getrunken, erkläre ich und bestelle daher das NEIPA von Alefried. „Und Du? Auch?“, fragt Alexander meine holde Ehefrau. Etwas zögerlich kommt die Antwort, ihr steht der Sinn offensichtlich noch nicht nach Bier: „Hast Du vielleicht einen Kaffee?“

„Ich nicht, aber das ist kein Problem“, heißt es, und Alexander verschwindet durch die Eingangstür im Marktgewimmel. Eine Minute später ist er wieder da und zapft mir in Ruhe das NEIPA. Während wir uns noch ein wenig ratlos ansehen, geht die Tür erneut auf, und es kommt ein Kellner aus einem benachbarten Café. „Gnä‘ Frau, Ihr Kaffee, bittschön“, säuselt er, und meine bessere Hälfte macht große Augen. So unkompliziert geht das!

Wir zahlen den Kaffee, der nette Kellner von nebenan verschwindet wieder, und Augenblicke später sind wir ins Gespräch vertieft. Alexander erzählt vom Konzept seines kleinen Lädchens. Gute und solide gebraute Biere würde er hier seit etwas mehr als drei Jahren anbieten. Ob man die nun Craftbier nennen würde oder nicht, sei ihm im Grunde genommen Wurst; wichtig sei, dass sie gut schmeckten, sauber und ohne Geschmacksfehler gebraut seien, und er selber auch dahinterstehen würde, das jeweilige Bier auch im Angebot zu haben.

Wir kommen über das Bier und den Craftbier-Boom der letzten Jahre ins Philosophieren. Ist es eine Blase, oder eine länger andauernde Entwicklung? Was heißt überhaupt Craftbier? Wie sieht die Szene der kreativen Brauer in Österreich aus? Welche Geschäftsmodelle könne man da entwickeln?

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eine Wand voller Bier beflügelt die Diskussion

Die Diskussion mäandriert vor sich hin, und irgendwann sind wir beim Thema der Wiener Marktordnung. Eigentlich sei das Malefitz ein Bierfachgeschäft, erzählt Alexander, ein Bottle Shop also. Aber solange er die Anzahl von acht Sitzplätzen nicht überschreiten würde, dürfe er gemäß Marktordnung seine Biere auch ausschenken. Unauffällig zähle ich nach. Ja, stimmt, es sind exakt acht Sitzgelegenheiten im Malefitz. Stehen dürften hier so viele Leute, wie Platz finden, fährt Alexander fort, wird dann aber ein wenig emotional:

Man könne glauben, das sei eine einfache und verständliche Regelung, aber die Behörden würden ihm ständig durch zusätzliche Auflagen das Leben schwermachen. Unlängst erst sei bemängelt worden, dass seine Gäste auch draußen stehen und dann ihre Gläser auf dem Fenstersims des benachbarten, geschlossenen Lagergebäudes abstellen würden. Wenn das die Gäste des Würstelstandes mit ihren Papptellern machten, interessiere es keinen, aber beim Malefitz sei das immer gleich ein großes Thema…

In Windeseile sind wir am Politisieren, die nächste Runde Bier kommt auf den Tisch, und die Diskussion wogt hin und her. Nur langsam ebben die Emotionen wieder ab, und wir kommen zurück zum Bier. Ich bewundere seine Regalwand voller Biere und deutet dann auf die Plastik-Gärbehälter. Was da denn drin sei, möchte ich wissen, und Alexander berichtet von seinen Experimenten mit Sauerbieren und mit … Bieressig!

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die Gärbehälter mit Alexanders Experimenten

Er verschwindet hinter der Theke und kommt Augenblicke später wieder. „Hier, ein richtig schön malziger, kremiger und weicher Bieressig, angesetzt mit einem Stout!“ Er gießt uns ein Schnapsglas voll ein. Vorsichtig tauche ich zunächst nur die Zungenspitze ein, aber schon nach dem ersten Tropfen wage ich einen zwar kleinen, aber richtigen Schluck. Wunderbar malzig, süßlich und weich. Kräftig sauer natürlich auch, es ist ja Essig, aber die Säure ist so perfekt in eine vollmundige Malzmatrix eingebettet, dass man diesen Essig fast wie einen kleinen Aperitif oder, wahlweise, Digestif trinken könnte.

Ich wende mich dann aber doch lieber wieder meinem „richtigen“ Bier zu, einem belgischen Saison, gebraut von Dem Belgier. Raf Toté ist Belgier, lebt in Wien und braut in Korneuburg bei Bernhard Bugelmüller in dessen Biermacherei seine Biere unter der Marke Der Belgier. Seit noch nicht einmal einem Jahr ist er am Markt. Sein Saison überzeugt uns hier und heute rundherum. Ein exzellentes Bier, perfekt im Stil passend. Große Begeisterung! Wären wir mit dem Auto hier – das wäre ein Bier, um eine ganze Kiste mitzunehmen und den Freundeskreis damit zu erfreuen!

Der kleine Rucksack und die lange Fahrt mit der Bahn schließen dieses Vorhaben aber leider aus, und um so bewusster genießen wir die kleine Flasche hier im Malefitz vor Ort.

Langsam wird es Zeit, wieder aufzubrechen. Noch einmal bestaunen wir die tolle Bierauswahl, freuen uns über die unkomplizierte und einladende Atmosphäre und über die spannenden Gespräche, die wir geführt haben. So, als seien wir schon immer Stammgäste hier gewesen. Gutes Bier ist halt doch das beste Mittel zur Integration, stellen wir wieder einmal fest. Auch und ganz besonders im Umfeld eines Wiener Marktplatzes!

Der kleine Kiosk Malefitz, das Bierfachgeschäft mit Ausschank auf dem Meidlinger Markt, ist dienstags bis donnerstags von 14:00 bis 21:00 Uhr, freitags von 12:00 bis 21:00 Uhr und sonnabends von 10:00 bis 17:00 Uhr geöffnet. Zu erreichen ist der kleine Laden problemlos mit der U-Bahn, Linie U6, Haltestelle Niederhofstraße, und von dort aus zwei Minuten zu Fuß in Richtung Osten.

Nachtrag 3. August 2018: Wir haben uns mit Freunden auf dem Meidlinger Markt verabredet. Treffpunkt: Malefitz! Mit ein paar Minuten Verspätung treffen wir nicht nur ein, sondern auch auf betroffene Gesichter. „Zu!“, heißt es bedauernd mit einer undefinierten Geste ins Ungefähre.

„Zu?“ Ich kann es nicht glauben. Aber es stimmt. Die Jalousien sind heruntergezogen. Alles ist verlassen. Durch ein nicht ganz verdunkeltes Fenster kann man ins Innere spähen, sieht die Bierflaschen in den Regalen. Alles sieht aus, als müsse Alexander nur kommen, die Jalousien hochdrehen, und schon wäre alles wie vorher.

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„Zu!“

Aber leider – es ist in der Tat zu. Und das nicht nur heute, sondern auf Dauer. Schluss, aus, vorbei. Die Auflagen, die Bürokratie, die Schikanen der Marktverwaltung haben sich ausgewirkt, Alexander hat entnervt das Handtuch geworfen. Erst wenige Tage ist es her, und so hat es sich noch nicht rumgesprochen.

Schade. Wirklich schade. Um die anarchische Atmosphäre, aber auch um die guten Biere. Aus und vorbei.

Nachtrag 28. September 2018: „Aus . Trinken“ Unter diesem Motto öffnet Alexander das Malefitz heute zum letzten Mal.

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Aus . Trinken

Alle Flaschen in den Regalen und Kisten, alle Biere in Fässern und Polykegs – heute muss alles raus. Wegtrinken, und dann ist endgültig Schluss. Feierabend.

Bilder

Malefitz
Meidlinger Markt
Stand 37-40
1120 Wien
Österreich

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