OSSEGG Praha – Pivovar & Restaurace
Praha
CZE

Gestern noch bin ich in Jihlava zum ersten Mal seit langer Zeit von einer tschechischen Brauerei enttäuscht worden – die Brauerei Radniční Restaurace a Pivovar konnte weder mit dem Essen noch mit ihren Bieren wirklich überzeugen. So stehen wir heute in Prag vor der Brauerei OSSEGG Praha – Pivovar & Restaurace, und als Konsequenz des gestrigen Erlebnisses will sich irgendwie die ungetrübte, unvoreingenommene Begeisterung, vor einer mir noch unbekannten Brauerei zu stehen, noch nicht einstellen. Werden wir ein zweites Mal enttäuscht?

Das Gebäude gibt von außen nichts her. Ein Zweckbau, hinter dessen Fassade sich alles mögliche befinden könnte. Büros einer Versicherung? Ein Hotel? Teile der Stadtverwaltung? Oder gar ein Bordell? Lediglich im Erdgeschoss ein paar Schaufenster, schwarz umrahmt, und auf diesen schwarzen Rahmen der Schriftzug Pivovar.

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die Fassade ist noch recht unauffällig

Wir gehen hinein und sehen uns um. Eine kleine Schanktheke, rechts davon geht es drei, vier Stufen hoch in einen hellen, schlichten Gastraum. Es ist früher Nachmittag, nur ein paar Tische sind besetzt, und so finden wir problemlos ein schönes Plätzchen mit Blick auf die Straße.

Eine junge Kellnerin und ihr ebenso junger Kollege wetteifern, wer uns denn bedienen darf – der junge Mann setzt sich durch, denn sein Englisch ist besser als das der Kollegin. Was aber nicht heißt, dass sie nicht doch immer wieder bei uns am Tisch vorbeikommt und wissen möchte, ob alles in Ordnung sei.

Vier Biere offeriert die Bierkarte, die auch jedes von ihnen ausführlich beschreibt. Sehr schön. Ein Testbrettchen mit vier Gläsern gibt es auch, und so ist die Bestellung rasch klar.

Minuten später stehen die Gläser vor uns, frisch gezapft. Während wir das erste Bier verkosten – das Ruthard 11°, ein 4,5% leichtes, leicht rötlich schimmerndes Ale mit leicht fruchtigem Aroma und feiner Bittere, dessen Name an den ersten Zisterzienser-Abt im Kloster in Osek erinnert – blättern wir durch die Speisekarte. Ein großes Kotelett mit Salat sticht uns ins Auge. Ob wir uns das wohl teilen könnten, fragen wir die Bedienung und ernten ein freundliches Kopfnicken: „Klar, kein Problem. Aber dann nehmt Ihr doch bestimmt eine Suppe vorweg, auch zum Teilen, oder?“

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vier frisch gezapfte Biere

Warum nicht, und wir überbrücken die Wartezeit auf die Suppe mit dem zweiten Bier. Philipp 12° nennt es sich, nach einem Münsteraner Abt, der irgendwann in den vergangenen Jahrhunderten an das Kloster Osek gekommen war. Ein erfrischendes, recht hoch gespundetes Lagerbier. Klassisch hell, spritzig, ein schönes Alltagsbier gegen den Durst mit 4,8% Alkohol.

Der Teller mit der Suppe kommt. Ach was, erstens ist es kein Teller, sondern eine riesige Schüssel, und zweitens ist es keine Suppe, sondern ein deftiger Eintopf. Was hier als Vorsuppe angeboten wird, ersetzt locker eine Hauptmahlzeit. Und sie schmeckt. Hm, wunderbar. So, wie ein deftiger Eintopf an einem eiskalten Wintertag schmecken sollte. Und genauso nahrhaft.

Da ist es wichtig, nachzuspülen, und so greifen wir zum dritten Bier, dem Balthasar 13°, einem dunklen, fast schwarzen Lagerbier mit 5,4% Alkohol. Rund, vollmundig und malzig – ein typischer Vertreter des klassischen dunklen Lagerbiers, das hier in Tschechien so beliebt ist. Benannt ist es nach dem Leiter des Oseker Klosters im 15. Jahrhundert.

Eigentlich sind wir jetzt schon gut satt, und drei hervorragende Biere hatten wir auch schon. Das ist mehr als in manch anderer Brauerei. Der Hauptgang kommt allerdings noch: Ein gewaltiges paniertes Kotelett. Herrlich aromatisch, fein gewürzt, mit knuspriger Panade. Allerdings ein Riesentrumm, und wir sind erleichtert, dass wir von vornherein nur ein Kotelett mit zwei Tellern bestellt haben. Eifrig säbeln wir an dem Fleisch herum und genießen jeden einzelnen Bissen.

Gut, dass wir noch ein letztes Bier haben, mit dem wir dieses gewaltige Mahl beschließen können. Das Laurentius 13° – Laurentius hatte das Kloster in Osek nach dem Brand 1641 wieder aufgebaut – ist ein vollmundiges, aber gleichzeitig kräftig und aromatisch gehopftes Lagerbier mit 5,3% Alkohol. Herrliche Aromen tanzen auf der Zunge, die Kohlensäure moussiert im Mund, und schon nach den ersten Schlucken bilden wir uns ein, dass die kräftige Bittere jetzt auch hervorragend bei der Verdauung helfen wird.

Zufrieden lehnen wir uns zurück. Das war doch einmal ein schöner Brauereibesuch.

Moment mal, Brauereibesuch? Wo ist denn eigentlich das Sudwerk? Oder wird hier nur das Bier aus dem Mutterhaus, der Pivovar Ossegg in Osek ausgeschenkt? Wir fragen die junge Dame, und sie weist nur lächelnd auf die Treppe in den Keller.

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ein großer Schankraum im Tiefgeschoss

Neugierig stiefeln wir hinunter, und bereits nach wenigen Stufen gehen uns die Augen über. Wir sehen einen großen Schanksaal, deutlich größer als der im Erdgeschoss. Aber damit nicht genug. Linker Hand an der Wand eine Galerie mit Gemälden der Äbte aus dem Zisterzienserkloster Osek, und gegenüber, rechter Hand ein perfekt poliertes und mit seinem Glanz fast schon die Augen blendendes Edelstahlsudwerk vom Feinsten.

Wir kommen aus dem Staunen nicht heraus. Hier hat jemand richtig Geld in die Hand genommen und eine edle Brauerei installiert. Und zwar nicht nur, um darauf zu brauen, sondern auch, um etwas darzustellen. Die Installationen unterhalb der Geräte sind durch dicke Glasscheiben einsehbar, und auf den Scheiben steht detailliert der Brauprozess beschrieben. Jeder Besucher kann sich hier seine eigene Brauereiführung gestalten und lernt den gesamten Vorgang von Anfang bis Ende im Detail kennen. Das einzige, was ihm nicht möglich ist, ist, eine Zwickelprobe aus dem Lagertank zu ziehen. Aber dafür gibt es ja oben das Bierbrettchen – dort sind die Biere genauso frisch und lecker.

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was für ein beeindruckend präsentiertes Sudwerk

Beeindruckt steigen wir die Treppe wieder hoch. Das war doch jetzt wirklich mal ein Volltreffer, der insbesondere die gestrige Enttäuschung wieder wettmacht. Wer hätte das gedacht, angesichts der grauen, wenig einladenden Fassade dieses Gebäudes?

Die Brauerei OSSEGG Praha – Pivovar & Restaurace hat am 30. Juli 2018 erst eröffnet und war zu diesem Zeitpunkt die 41. (in Worten: einundvierzigste!) Brauerei der Stadt – der Prager Brauerei-Boom hält unverändert an, und man müsste die Stadt mindestens einmal im Quartal besuchen, um hier am Ball bleiben zu können. Die Brauerei ist täglich von 11:00 bis 23:00 Uhr durchgehend geöffnet; kein Ruhetag. Von der Haltestelle Náměstí Míru der Metrolinie A sind es drei Minuten zu Fuß – perfekte Erreichbarkeit!

Bilder

OSSEGG Praha – Pivovar & Restaurace
Římská 2135/45
120 00 Praha
Tschechien

4 Kommentare

  1. Dear Mr. Quante,
    thank you very much for your kind words. In fact, we would like to give each of our customers the same experience you have gained. Whenever you will go around our brewery, do not hesitate to contact me and we will arrange tastings directly from our CC tanks to make your visit complete.
    Kind regards,
    David Borovský
    Managing Director
    OSSEGG Pivovary s.r.o.
    +420 777 228 954

    • Thank you so much, Pane Davide, for your kind reaction.

      Let me once again assure you, that this was one of the best brewery visits I had recently, and that we were excited to find this pearl amongs the Prague breweries. Whenever we will be back in Prague, I will contact you in advance and would really be glad to get an even better insight in your brewery.

      Děkuji moc, with best regards,

      VQ

      • Viele Grüße aus Osek sozusagen der Mutterbrauerei. Das Philipp Bier ist nach dem aktuellen Pfarrer(gebürtig aus der Nähe von Münster) in Osek benannt,der die Idee hatte die alte Kloster Brauerei wieder aufzubauen.

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