Pivovar Vraník
Trnava
CZE

Wenn die Dörfer so klein werden, dass sie keine Straßennamen mehr kennen, dann weiß man, dass man tief in der Provinz angekommen ist. So zum Beispiel im Dörfchen Trnava, irgendwo hinter Zlín in den Bergen. Eine ganze Weile sind wir über kleine und kurvige, heute zum Teil auch vereiste Sträßchen gefahren, aber nun stehen wir doch vor dem Haus mit der Nummer 23: Pivovar, Penzion, Hostinec steht groß an der Giebelseite, und daneben das Wappen mit dem Pferdekopf: Vraník – Rodinný Pivovar v Trnavě.

Ein recht kleines Gebäude nur, dafür dass es Brauerei, Pension und Gastwirtschaft unter einem Dach vereint, und wir erwarten am 16. Dezember 2016 hier am Ende der Welt nichts Besonderes. Trotzdem treten wir frohgemut ein und lassen uns überraschen.

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Blick in den Schankraum

Und überrascht sind wir in der Tat. Was auf den ersten Blick wie eine kleine Allerweltskneipe wirkt, entpuppt sich als wirklich nette Brauereiwirtschaft. Eine umfangreiche Speisekarte mit allem, was deftig und rustikal ist, gerne auch in einer englischen Version für Gäste aus dem Ausland. Eine junge Dame, die fließend englisch spricht und uns bei der Auswahl der Gerichte berät. Und schließlich: Eine Liste von immerhin sieben verschiedenen Bieren, die hier vor Ort produziert werden.

Wir machen es uns gemütlich, bestellen ein wenig hiervon, ein wenig davon, und dazu ein lokal gebrautes India Pale Ale.

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das Bier sieht appetitlich aus

Das Bier kommt rasch, schön kupferfarben, nur ganz leicht opak, steht es vor uns im Glas, gekrönt von einem festen, lange haltbaren, schneeweißen Schaum. Appetitlich schaut es aus. Ein leichter Hauch Diacetyl begrüßt die Nase, bevor ich den ersten Schluck nehmen kann. Eine offensichtlich sehr tschechische Interpretation des Bierstils. Dann der erste Schluck: Rund und malzig, und erneut ein deutlich spürbares, wenn auch zum Glück nicht zu dominantes, Diacetyl-Aroma. Die Hopfencharakteristik erstaunlich dezent – etwas bitterer, etwas kräftiger zwar, als in einem normalen tschechischen Hellen, aber nicht wirklich eines IPA würdig. Zu vorsichtig, zu zurückhaltend gehopft. Ein leckeres Bier jenseits aller Stil-Konventionen, aber gewiss kein IPA. Aber es ist Kritik auf hohem Niveau, denn es ist süffig und lecker.

Und preiswert.

Und da kommen auch schon die Hauptgerichte, und uns gehen die Augen über: Was als Kleinigkeit bestellt worden war, erweist sich als gewaltige Portion. Statt eines kleinen, gefüllten Kartoffelpuffers (naplněný bramborák) kommt ein Puffer von den Ausmaßen eines Wohnzimmerteppichs, aufgerollt und prall gefüllt mit Hühnerbrust. Der kleine Bauernsalat (šopský salát) dazu kommt auf einem Riesenteller, den er locker ausfüllt. Und mein gebackener Käse (smažený hermelín) mit Pommes (hranolky) erweist sich als ein Set von drei verschiedenen, ausgewachsenen Käselaiben, paniert und gebacken und neckisch auf einem Gebirge aus Kartoffelstäbchen drapiert. Dazu ein Eimer mit Tatarka, einer Art Remoulade.

„Wer soll das alles essen?“, fragen wir uns und machen uns verzagt ans Werk. Es schmeckt ausgezeichnet, aber nach zwei Dritteln müssen wir entkräftet aufgeben. Die Bedienung lächelt verständnisvoll, als sie die Reste abräumt – wir scheinen nicht die ersten zu sein, die diese Portionen nicht geschafft haben…

Einen Verdauungskaffee gönnen wir uns noch, und dann geht es wieder los – wie immer liegen noch viele Kilometer vor uns, und die ziehen sich bei den vereisten Straßen ganz schön. Wir erstehen von jeder der sieben Biersorten noch eine PET-Flasche zum Mitnehmen.

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ein Blick noch durch die Glasscheibe in das Sudhaus

Wie in so vielen kleinen tschechischen Brauereien werden die Biere jeden Tag frisch auf PET-Flaschen gezogen und in einem kleinen Kühlschrank neben der Theke angeboten. Spätestens mit Einführung regelmäßiger Alkoholkontrollen und der 0,0-‰-Grenze hat sich dieses Verfahren fast überall eingebürgert. Man holt sich beim Essen den Appetit auf das Bier und nimmt es dann frisch gekühlt nachhause mit. Für ein paar Tage ist die PET-Flasche als Behältnis in Ordnung – lange lagern kann man das Bier darin allerdings nicht. Besser als der Wucher mit den Siphon-Flaschen in Deutschland aber, bei denen man nicht nur ein hohes Pfand bezahlen muss (was ich noch nachvollziehen könnte, auch wenn es manchmal schwierig ist, die Flaschen wieder abzugeben, weil man doch nicht so oft in die Provinz kommt), sondern sie manchmal sogar kaufen muss und dann so ein unhandliches Trumm im Keller stehen hat, ist es allemal. Nocht so eine Geldschneiderei…

Eine große Tasche mit Bier verstauen wir also sorgfältig im Kofferraum und freuen uns auf die kommenden Abende, an denen wir die leckeren Vraník-Biere verkosten werden.

Im Sommer 2014 ist die kleine Familienbrauerei Pivovar Vraník eröffnet worden und produziert seitdem auf dem 10 hl großen Zwei-Geräte-Sudwerk ein halbes Dutzend und mehr Biere. Keine exotischen Stile, aber leckere und sehr süffige Alltagsbiere für einen fairen Preis. Das Restaurant der kleinen Brauerei ist täglich von 11:00 bis 22:00 Uhr durchgehend geöffnet, an den Wochenenden auch länger; kein Ruhetag. Zu erreichen ist die Brauerei mit dem Auto problemlos, man fährt einfach immer dem Flüsschen Trnavká nach, das dem Ort auch den Namen gegeben hat. Und wenn man alle Biere verkostet hat, dann übernachtet man einfach in einem der kleinen Gästezimmer im Haus. Vermutlich gibt es auch eine Busverbindung hierher, so etwa ein oder zwei Mal am Tag…

Nachtrag 20. Juni 2018: Zusammen mit ein paar Arbeitskollegen besuchen wir die Brauerei ein weiteres Mal – ein Betriebsausflug. Man gibt sich viel Mühe mit uns. Wir besichtigen zunächst das Sudhaus mit den kupfernen Geräten. Der junge Brauer versucht, sein Wissen mit uns zu teilen, allein, es scheitert an den Sprachhürden. Unsere wenigen Brocken Tschechisch und sein rudimentäres Englisch reichen zwar, um zu verstehen, worauf er hinaus will, aber all die Details, die er gerne erzählen würde und die uns auch interessieren würde, bleiben irgendwo in der Lücke zwischen den Sprachen hängen.

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das Sudwerk

So bleibt nur, interessiert in den Kessel zu kucken, auf die eine oder andere Installation zu deuten, mit Bewegungen der Finger die Funktion eines Bauteils zu erklären und wissend zu nicken.

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offene Gärung

Wie immer faszinieren uns die offenen Gärbottiche. Die dicken, kremigen Kräusenschichten zeigen die Urtümlichkeit des Gärungsprozesses, und die immer wiederkehrenden, aber sich nie exakt wiederholenden Muster der Hefe und der Hopfenharze zeigen uns, dass hier der Brauer zur Untätigkeit verdammt ist und der Natur ihren freien, nie zu hundert Prozent kontrollierbaren Lauf lassen muss.

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im viel zu engen Lagerkeller

Ein schneller Blick noch in den viel zu kleinen Lagerkeller, wo die Tanks dicht an dicht stehen und sich der Brauer zum Umfüllen oder Abziehen durch schmale Spalte quetschen muss, und dann geht es zur Verkostung. Es wird reichlich gezwickelt, man zeigt sich großzügig; und derart in fröhlicher Atmosphäre geradezu angefixt ist es auch klar, dass Rucksäcke und Taschen nun auch reichlich mit Bierflaschen gefüllt werden. Keiner aus unserer Gruppe, der nicht mindestens zwei oder drei Biersorten verstaut, und die letzten in der Schlange haben schon fast Sorge, dass für sie nichts übrigbleibt. Aber nur fast, den eine tschechische Brauerei trocken zu trinken oder leer zu kaufen, das bringen nicht einmal die Tschechen selbst fertig.

Bilder

Pivovar Vraník
Trnava 23
763 18 Trnava u Zlína
Tschechien

2 Kommentare

    • Schick wie schick, Jörg. Die PET-Flaschen, die es hier gibt, sind üblicherweise aus recht robustem dunkelbraunem PET, was für das Bier gar nicht mal so schlecht ist. Der Chic ergibt sich dann, wenn überhaupt, aus den Etiketten…

      Großen künstlerischen Aufwand für die Flaschen zu betreiben, wäre angesichts des Einwegcharakters vermutlich auch zu viel des Guten…

      Mit bestem Gruß,

      Volker

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