Rožnovský Pivovar
Rožnov pod Radhoštěm
CZE

Der Trend geht zum Doppelpack. Buy 1, get 1 for free. So heißt es in der Werbung, und so kann ich es offensichtlich während meiner Brauereiausflüge jetzt auch machen – immerhin wartet die Rožnovský Pivovar mit zwei Sudwerken auf, die auch tatsächlich beide betrieben werden.

Eine gute Dreiviertelstunde waren wir am 9. April 2017 durch’s Grüne gefahren. Gegen Ende folgten wir dem Lauf des kleinen Flüsschens Bečva, das sich in sanften Windungen durch die Wiesen und Hügel schlängelt, um schließlich auf dem Hof der Rožnovský Pivovar auszurollen.

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Rožnovský Pivovar

Das eindrucksvolle Gebäude hat gute zweihundertfünfzig Jahre Brauereigeschichte auf dem Buckel, hat aber auch traurige Zeiten gesehen. Bereits 1712 wurde hier Bier gebraut, und es waren so berühmte Familien wie die Žerotíns, die Fürstenbergs, die Kinskys und die Rothschilds, die ihr Geld mit der Bierproduktion machten. Ständig wurde die Produktion erweitert und verbessert, und nach und nach wurden lange und tiefe Kellergänge in den Berg Kozák direkt hinter dem Gebäude getrieben, die auch ohne maschinelle Kühlung eine kontrollierte Gärung und somit die Produktion untergärigen Biers erlaubten.

Selbst nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs wurde die Brauerei wieder aufgebaut und mit einem kupfernen Sudwerk ausgerüstet. Kaum war aber im Zuge der Verstaatlichung des Brauereiweisens in der Tschechoslowakei entschieden worden, die Brauerei in Přerov zum lokalen Zentrum des Brauens zu machen und alle anderen Brauereien der Region zu schließen, wurde das Sudwerk 1949 wieder demontiert und verschrottet. Der letzte Sud entstand im Januar 1949, die Brauerei wurde dem Verfall preisgegeben, fast 250 Jahre Brauereigeschichte endeten.

Bis sechzig Jahre später hier erneut eine Brauerei eingerichtet wurde. Am 3. Juli 2010 öffnete die Gasthausbrauerei Rožnovský Pivovar ihre Pforten, und seitdem geht es mit dem alten Gebäude wieder aufwärts.

Wir stellen das Auto auf dem Parkplatz ab und bestaunen zunächst die große Gebäudefront. Rechter Hand ein kleiner Zuckerbäcker, direkt vor uns der Eingang zu den Bierbädern, und linker Hand der Eingang in die Schwemme, in die kleine Schankstube der Brauerei. Wir lassen den Zuckerbäcker links liegen (also eigentlich rechts, aber die Metapher verlangt es anders), laufen durch den Aufenthaltsraum der Bierbäder, in denen es nach einer merkwürdigen Mischung aus aromatischen Ölen, Honig und Bier riecht, und betreten die Schankstube von hinten.

Wir laufen direkt auf die Rückseite eines kleinen, kupfernen Sudwerks zu, gehen einmal drumherum und stehen in der Schwemme. Dicke, klobige Holzmöbel, eine winzige Theke in der Ecke mit immerhin sechs verschiedenen Bieren, und durch große Glasscheiben kann man in den Gär- und Lagerbereich sehen, wo zahlreiche Tanks, Fässer und sonstige Installationen gut sichtbar sind.

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in der Schwemme: das erste Sudwerk

Wir suchen uns einen Platz, von dem aus wir das Sudwerk schön im Blick haben und bestellen uns zunächst ein Čert, ein einfaches Schwarzbier. Kräftig röstig schmeckt es, glatt, nahezu ohne Restsüße, mit einer ganz leicht metallischen Note. Recht untypisch für Tschechien, wo die Schwarzbiere doch sonst so süßlich daherkommen. Aber wir sind zufrieden.

Es dauert nicht lange, und es meldet sich der kleine Hunger. Dieser unangenehme Gesell, der sich immer dann zu Wort meldet, wenn die ersten Schlucke Bier getrunken sind, und der dann so lange herummäkelt, bis alle guten Vorsätze über Bord geworfen sind und doch wieder etwas Deftiges zu essen bestellt worden ist.

Also, „Bitteschön, die Dame, wir hätten gerne die kleine Schlachteplatte zu unserem Bier!“ Die freundliche junge Bedienung kuckt uns mit großen Kulleraugen bedauernd an. „Hm, heute leider keine Fleisch- und Wurstwaren, es tut mir leid“, bedeutet sie uns. „Wie wäre es denn mit einem leckeren Salat?“

Salat? Meine holde Ehefrau kuckt mich an, ich kucke zurück. Salat? Zum Bier?

Für einen Moment herrscht Schweigen, und die junge Dame interpretiert unsere langen Gesichter richtig. „Wir haben aber auch ein richtiges Restaurant hier in der Brauerei! Gerade um die Ecke – es ist nicht gut ausgeschildert, aber wenn Sie durch den kleinen Biergarten gehen, dann sehen Sie es schon!“

Ein richtiges Restaurant? Der kleine Hunger meldet sich wieder zu Wort, ist mittlerweile schon zum großen Hunger herangewachsen. „Restaurant!“, fordert er nachdrücklich, wie ein trotziger Dreijähriger. Im Nu ist also unser Bier ausgetrunken, die Rechnung bezahlt. Wir danken dem Mädel für den Tipp und laufen einmal um die Ecke, durch den Biergarten, und dann sehen wir das kleine gusseiserne Schild mit dem Hinweis auf das Albert Málek Restaurant. Eine kleine Treppe geht es hinunter, und wir erwarten einen rustikalen Bierkeller.

Ein dicker Vorhang vor dem Eingang, wir schieben in auf, treten hindurch und … uns fällt die Kinnlade herab. Statt eines rustikalen Bierkellers ein piekfeines Restaurant im perfekt renovierten alten Ziegelgewölbe, alles ist elegant weiß eingedeckt, eine junge Dame in feiner Livrée geleitet uns zu einem der Tische, zündet eine Kerze an.

Irritiert sehen wir uns um. Das hätten wir hier am Ende der Welt im tiefen Brauereikeller so nicht erwartet. Ich lasse meinen Blick durch den Raum schweifen und entdecke am Ende des Gewölbes … ein zweites Sudwerk. Diesmal nicht in rustikalem Kupfer, sondern dem Ambiente des Restaurants entsprechend, in elegantem Edelstahl. Ich fasse es nicht – zwei Sudwerke in einer Brauerei…

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im Restaurant: das zweite Sudwerk

Ja, es würde auf beiden Sudwerken gebraut, versichert uns die Bedienung, die mit weißen Handschuhen ein kleines Amuse Gueule aus der Küche bringt. Hier im Restaurant gebe es die eher klassischen, eleganten Biersorten, wohingegen drüben in der Schwemme auch mal rustikalere Biere produziert und ausgeschenkt würden. Sie empfiehlt uns das Rothschild, ein halbdunkles, malzbetontes Bier mit 13°. Und begleitet von diesem Bier beginnen wir einen Schmaus, den wir in dieser Qualität lange nicht mehr genossen haben.

Perfekter Service, ein ausgezeichnetes Drei-Gänge-Menü, eine wunderbare Atmosphäre, dazu der Blick auf die Brauerei am Ende des Raums – ein Spätnachmittag, an dem alles so ganz anders ist, als geplant und erwartet, und um so viel besser. Statt rustikaler Brauhausküche edle Gerichte, denen man anmerkt, dass die Köche in renommierten Sterne-Restaurants ausgebildet worden sind.

Zwei Brauereien heute also in einer, ein doppeltes Biererlebnis, und eine ungeplante, aber umso schönere Schwelgerei in feinsten Genüssen. Während wir langsam das Bečva-Tal wieder hinunter rollen, dreht meine holde Ehefrau die Visitenkarten der Brauerei und des Restaurants in den Händen. „Hier müssen wir unbedingt einmal wieder hin“, stellt sie fest. Und wer wäre ich, als dass ich ihr in diesem Punkt widersprechen würde…

Die Rožnovský Pivovar bietet auf ihrem Gelände neben den Bierbädern ein Café, eine Zuckerbäckerei, eine Bierschwemme und ein hochklassiges Restaurant. Die Schwemme ist von montags bis donnerstags ab 14:00 Uhr, freitags und sonnabends ab 12:00 Uhr und sonntags ab 10:00 Uhr durchgehend geöffnet; das Café täglich ab 10:00 Uhr. Kein Ruhetag. Das Albert Málek Restaurant ist dienstags bis donnerstags von 11:00 bis 14:00 Uhr und ab 16:00 Uhr geöffnet; freitags bis sonntags ab 11:00 Uhr durchgehend; montags ist Ruhetag. Hier, im Restaurant, ist eine Reservierung dringend empfohlen -wir hatten großes Glück, einen freien Tisch für zwei zu bekommen. Die Anfahrt ist mit dem Auto problemlos und idyllisch; alternativ geht es aber auch mit Bus und Bahn – der kombinierte Bus- und Bahnhof ist auf der anderen Seite der Bečva, etwa 600 m Fußweg entfernt.

Nachtrag 21. Juni 2018: Ein gewaltiger Sommer kündigt sich an. Seit Wochen ist es schon extrem heiß, und wie die nächsten Monate zeigen werden, wird es bis Ende September trocken und heiß bleiben, und aus dem Traumwetter wird irgendwann eine Belastung. Heute ist von dieser Belastung aber noch nichts zu spüren. Wir sind mit Arbeitskollegen unterwegs und genießen es einfach nur, dass die Sonne vom wolkenlosen Himmel strahlt, die Temperaturen sommerlich hoch sind und die Wanderung durch das Freilichtmuseum der Stadt uns einen gewaltigen Durst beschert hat. Was liegt also näher, als in der Brauerei einzukehren?

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Schaugläser mit verschiedenen Malzsorten

Der kleine Biergarten direkt am Flüsschen hat – natürlich! – geöffnet, und so sitzen wir an der Mauer, blicken über den einfachen Blumenschmuck den Wasserlauf entlang. Es ist Nachmittag, wir brauchen nicht mehr zu fahren, und so genießen wir die Biere ohne jede Reue. Das helle Dreizehner, das Rožnov 13° macht den Auftakt. Kräftig gelb, ein schöner Schaum, deutliche Hopfenaromen, ein Hauch von Diacetyl. Süffig. Viel schneller als beabsichtigt, leert sich das Glas…

Als eigentlich besser für diese Sommerhitze geeignet erweist sich das Radhošť 11°, ein etwas leichteres Helles, das allerdings unmittelbar nach dem Dreizehner ein wenig dünn, fast schon wässrig schmeckt.

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Dunkelbier mit Blumenschmuck

Wir gönnen uns eine Kleinigkeit zum Essen, und anschließend setzen wir mit dem halbdunklen Rothschild 13° und dem dunklen Čert 12° fort. Beide Biere sehr malzbetont und leicht röstig, gleichwohl ebenfalls sehr süffig. Ein Weilchen bleiben wir noch sitzen, genießen die tiefenentspannte Atmosphäre, die Sonne und natürlich die Biere. Keine großen Geschmacksexperimente, einfach nur schöne und runde, sehr süffige Biere.

Bilder

Rožnovský Pivovar
Pivovarská 6
756 61 Rožnov pod Radhoštěm
Tschechien

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