Tschechien wäre nicht Tschechien, würde die Brauerei in Vyškov in ihrer Firmenhistorie nicht darauf hinweisen, dass die Tschechen „schon immer“ Bier gebraut und auch getrunken hätten. Mindestens jedenfalls seit den Zeiten des Frühmittelalters. Und so betrachtet man das Gründungsjahr 1460 der Pivovar Vyškov denn auch lediglich als das Wiederauflebenlassen der während der Hussitenkriege erloschenen bürgerlichen Braurechte. Mit anderen Worten: Man sieht sich zwar mit 555 Jahren als eine der ältesten Brauereien Tschechiens, aber in Wirklichkeit sei man ja noch viel älter.
Die „richtige“, die offizielle Brauereigründung erfolgte allerdings erst 1680 durch den Olmützer Bischof Karl von Lichtenstein, und die Brauerei blieb unter Verwaltung der Bischöfe von Olmütz bis 1855. Danach begann eine Zeit stetigen Wechsels, mit den schwierigsten Zeiten während des Zweiten Weltkriegs und der Volkswirtschaft in den fünf Jahrzehnten danach.
Heute, am 20. April 2015, steht die Brauerei gar nicht mal schlecht da. Zwar sieht man von außen einen gewissen Verfall der Gebäude, aber die Qualität der Biere ist ordentlich und die Auswahl groß.
Wenn mir bei meinem heutigen, spontanen und ungeplanten Besuch auch kein Blick in das Innere vergönnt war, sondern ich mich auf ein paar Fassbiere im Brauereiausschank beschränken musste, so war ich doch zufrieden. Das Desítka, ein leichtes Bier mit gerade mal 10% Stammwürze, schmeckte zwar recht dünn, fast schon wässrig, aber ohne Geschmacksfehler und ohne den den Leichtbieren oftmals eigenen, leichten Oxidationsgeschmack. Džbán, ein Bier mit 11% Stammwürze, nur unwesentlich stärker, aber geschmacklich viel intensiver, ist ein schönes Feierabendbier. Eben mal schnell zwei, drei Halbe nach der Arbeit gegen den großen Durst. Das Březňák, auf Deutsch Märzen, ist mit 12% Stammwürze ein schönes, rundes, immer noch sehr süffiges Vollbier. Und das Generál, mit 14% Stammwürze schon recht kräftig, beendete schließlich die heutige Kostprobe. Etwas süßlich, sehr vollmundig – schon eher zum langsamen Genießen, nicht mehr zum Durstlöschen.
Neben diesen vier Alltagsbieren bietet die Pivovar Vyškov noch eine Reihe von spezielleren Bieren an. Zum einen gibt es noch dunkle (tmavé) Biere, sowie die Alltagsbiere in jeweils ungefilterten Versionen. Und zum anderen gibt es unter den Marken Cross und Jubiler jeweils eine Reihe von modernen Bierstilen, vom IPA über Stout bis hin zum Porter, Altbier oder Single Hop. An der Brauerei sind diese Biere allerdings nur in Flaschen erhältlich – der Fassbier-Ausschank beschränkt sich auf die vier von mir verkosteten Biere.
Nachtrag 16. August 2015: Mit ein wenig Verspätung ist es mir anlässlich des Brauereifestes auch gelungen, das Sudhaus und die Abfüllung zu besichtigen. Ein interessante Mischung aus alten Kupfergeräten und modernem Edelstahl – das Sudhaus wurde immer dann erweitert, wenn Bedarf und Geld da waren.
Wie der Brauer erzählte, werden alle Biere der Brauerei Vyškov im Dekoktionsverfahren hergestellt – daher auch die zwingende Notwendigkeit, mit drei Geräten zu fahren. Die zweifache Dekoktion ist Standard, aber seit Frühjahr 2015 hat man die neue Serie Grunt auf den Markt gebracht, drei helle Biere von 10°, 11° und 12°, die mit dreifacher Dekoktion gebraut werden.
Die Brauerei Vyškov, die ihren Firmensitz seltsamerweise in Prag hat, aber ausschließlich in Vyškov produziert, ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut zu erreichen – zum Bahnhof mit Fernbahnanschluss an Brünn sind es nur ein paar hundert Meter, und auch der Busbahnhof ist nicht viel weiter weg. Mit dem Auto kommend kann man direkt vor der Brauerei parken. Der Ausschank ist täglich ab 09:00 Uhr durchgehend geöffnet; es gibt außer Chips nichts zu essen, nur Bier. Der normale Getränkeverkauf ist ebenfalls ab 09:00 Uhr geöffnet; beim Pförtner kann man aber gegen einen eher symbolischen Preisaufschlag von einer halben Krone pro Flasche rund um die Uhr, 24 Stunden am Tag, das Bier kaufen.
Nachtrag 31. Juli 2017: Mehrere Monate wurde in den Medien spekuliert, dass die Pivovar Vyškov kurz vor der Pleite stünde und geschlossen werden würde. Und in der Tat: Am 30. Juni 2017 wurde hier der Brauereibetrieb eingestellt, wie das Portal euro.cz am heutigen Tag berichtet. Der Investor aus Prag, der die Brauerei erst vor wenigen Jahren übernommen und ein vollmundiges Versprechen abgegeben hatte, den Braubetrieb mindestens bis zum Jahr 2021 aufrechtzuerhalten, ist nach eigenen Angaben an der unzureichenden und völlig veralteten Technik gescheitert. Eine endgültige Aussage dazu werden aber wohl die Gerichte treffen müssen.
Wie es mit der Brauerei nun weitergeht? Es sieht nicht gut aus. Angesichts der überalterten Technik wird es wohl schwierig bis unmöglich sein, hier wirtschaftlich und in guter Qualität Bier zu brauen. Vorerst heißt es also: „Vyškov na suchu. Státní pivovar dovařil.“ – „Vyškov trocken. Die Staatsbrauerei hat ausgebraut.“
Pivovar Vyškov
Náměstí Čsl. Armády 116/4
682 01 Vyškov
Tschechien
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