Rýmařov, auf Deutsch Römerstadt – das klingt nach uralten Ruinen, nach historischen Stadtmauern, nach einer zweitausendjährigen Geschichte. Aber forscht man ein bisschen nach, googelt vielleicht die eine oder andere Information, dann stellt sich rasch heraus: Mit dem alten Rom, dem Imperium, das zu Beginn unserer Zeitrechnung die damals bekannte Welt beherrschte, hat Römerstadt wenig bis gar nichts zu tun. Wahrscheinlich ist das sogar ein Glück, denn bekanntermaßen waren „die alten Römer“ (so alt waren die seinerzeit eigentlich gar nicht…) dem Bier nicht gerade zugeneigt, bevorzugten den Wein und blickten verächtlich (und in völliger Verirrung, wie ich meine) auf das Bier als Barbarentrunk herab.
Rýmařov, Römerstadt, ist heute eine Kleinstadt im der Region Mährisch-Schlesien im Nordosten Tschechiens, 1351 erstmals schriftlich erwähnt, und eigentlich nur aufgrund des Schlösschens Janovice und des historischen Bahnhofsgebäudes bekannt.
„Und seiner kleinen Gasthausbrauerei“, bin ich versucht, hinzuzufügen, aber das würde nicht wirklich stimmen, denn über Rýmařov hinaus kennt eigentlich niemand die Hostinský Pivovar a Hotel Excelent.
1993 ist dieser kleine Gastronomiebetrieb mit seiner Brauerei an den Start gegangen, hat 2005 aus unbekannten Gründen das Brauen eingestellt, dies aber glücklicherweise 2008 wieder aufgenommen.
Als kleines Nachbarschaftsrestaurant mit Hotelbetrieb steht es heute ein wenig außerhalb des Stadtzentrums, aber doch recht zentral da. Pastellgrün leuchtet es von einer kleinen Anhöhe, man kann es, wenn man durch die Stadt fährt oder läuft, eigentlich gar nicht verfehlen.
Wir stellen unser Auto direkt vor dem Haus auf dem hoteleigenen Parkplatz ab und gehen direkt auf den kleinen Biergarten zu. Eine Handvoll robuste Biertischgarnituren, ein paar große Sonnenschirme spenden ein wenig Schatten. Neben der Terrasse führt ein großer Torbogen in den Innenraum.
Wir suchen uns ein Plätzchen auf der Terrasse und machen es uns bequem. Nach wenigen Minuten kommt die junge Kellnerin, und nach ein paar geradebrechten tschechischen Worten von unserer Seite strahlt sie und freut sich, ihre eigenen Englischkenntnisse endlich einmal anwenden zu können. Süß, wie sie sich bemüht und durch die Sprache stolpert, und wir haben schon viel Spaß, noch ehe wir die Bestellung aufgegeben und das erste Bier getrunken haben.
Das erste Bier, das Excelent 11% Světlý Ležák, gibt sich leider Mühe, diesen allerersten doch so positiven Eindruck erstmal etwas zu trüben. Diacetyl-überladen, fettig und buttrig kommt es daher, die Schwaden wabern geradezu über dem Bier. Nein, auch für tschechische Verhältnisse, wo Diacetyl als Aromabestandteil eines ordentlichen Biers nicht nur akzeptiert, sondern geradezu gefordert ist, ist das viel zu viel, und nur mit viel Mühe kann ich mein Glas austrinken.
Zum Glück wird zeitgleich zum deftigen Essen das zweite Bier serviert, das Excelent 13% Polotmavý Speciál, und das ist als Halbdunkles schon wesentlich besser. Eine angenehme Balance zwischen feinem Hopfenaroma, einem Hauch (nur einem Hauch!) Diactyl und einer robusten, aber nicht zu dominanten Malznote machen das Bier zu einem hervorragenden Begleiter der Mahlzeit, die, regionaltypisch, in erster Linie aus viel gebratenem Fleisch und Bergen von Kartoffeln besteht. Sättigend, robust. Vielleicht nicht das Allerbeste an einem heißen Hochsommertag, aber doch immer wieder einfach nur lecker.
Statt eines Desserts, das wäre bei dem Wetter nämlich wirklich zu viel des Guten, gönne ich mir ein Honigbier zum Abschluss, das Excelent 11% Medové Pivo. Blassgelbe Farbe, aber ein feines Honigaroma und eine deutlich spürbare Restsüße – der Honig scheint erst nach Abschluss der Gärung hinzugefügt worden zu sein und ist nicht mitvergoren worden. Sonst sind Honigbiere nicht so mein Ding, aber dieses schmeckt ausgewogen und fein, sehr ordentlich.
Einen kleinen Rundgang machen wir noch durch die Schankstube. Hinten in der Ecke ist ein Spielbereich für kleine Kinder, ein paar Gesellschaftsspiele, Malsachen, ein großer Spielteppich – hier können sich die Jüngsten austoben. Direkt daneben steht der Spielbereich für die großen Kinder: das Zwei-Geräte-Sudwerk. Schön aus Kupfer gefertigt, recht dekorativ und gepflegt, auf einem kleinen gemauerten Sockel. Rechts daneben dann die Theke, an der die vier hier produzierten Biere (es hätte noch ein zwölfgrädiges Dunkles gegeben, welches mir aber heute in der Hitze zu viel geworden wäre) ausgeschenkt werden.
Im Vorraum schließlich, dem Durchgang hinter dem großen Tor, finden sich noch ein paar Vitrinen, in denen allerlei Produkte rund ums Bier angeboten werden. Natürlich sind Gläser, Flaschen, Bierdeckel und ähnliches dabei, in der zweiten Vitrine aber auch Bierseife, Biershampoo, Bierduschgel und andere Merkwürdigkeiten.
Sicherlich kein besonderes Ausflugsziel, dessentwegen man eine mehrstündige Anreise einplanen sollte, aber wenn man an einem schönen Sommertag einfach nur einen schönen Ausflug machen möchte, so wie wir heute, dann ist die Hostinský Pivovar a Hotel Excelent sicherlich ein nettes Zwischenziel.
Die Hostinský Pivovar a Hotel Excelent ist täglich von 11:00 bis 22:00 Uhr durchgehend geöffnet, freitags und sonnabends sogar bis Mitternacht; kein Ruhetag. Zu erreichen ist die Gasthausbrauerei am besten mit dem eigenen Auto (dann gilt allerdings absolutes Alkoholverbot für den Fahrer) oder mit dem Zug; der etwa 800 m entfernte Bahnhof wird im Zwei-Stunden-Takt mit einem Lokalzug angefahren.
Hostinský Pivovar a Hotel Excelent
Pivovarská 14/16
795 01 Rýmařov
Tschechien
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