Großformatig, größer als DIN A4. Über 300 Seiten dick. Sauschwer. Mattes, gestrichenes und hochwertiges Papier. Vollfarbig. Exzellente Druckqualität. Hervorragendes Lektorat. Dicker Kartoneinband mit metallisch-glänzendem Prägedruck. Und das Ganze für nur 25,- EUR. Ein Schnäppchen.
Und wenn es dann auch noch um das Thema Bier geht, wird nicht lange gefackelt…
Am Ende meines ausführlichen Rundgangs durch die Ausstellung Kein Bier ohne Alster. Hamburg – Brauhaus der Hanse im Museum für Hamburgische Geschichte bleibe ich einen Moment noch im Museumsshop stehen, stöbere noch ein wenig durch den Kram, der hier angeboten wird. Viel Kitsch ist dabei, aber auch viele nette Kleinigkeiten, und natürlich bergeweise Bücher. Mittendrin: Der Ausstellungskatalog. Ein gewaltiger Klotz von einem Buch, aber da mich zum einen die Ausstellung eben sehr fasziniert hat und der Katalog zum anderen ein wahres Schnäppchen zu sein scheint, denke ich nicht lange nach, bezahle und verstaue das Trumm in meinem Rucksack, ohne zu ahnen, dass ich wider Erwarten so schnell nicht ins Hotel zurückkommen und das schwere Teil den ganzen Tag mit mir rumschleppen werde.
Viele Tage später wieder daheim, kommt der Katalog erst einmal ins Regal. Zu viele andere Dinge sind im Moment wichtiger, und es dauert viele Wochen, bis ich ihn wieder hervorhole und in Ruhe durchblättere.
Ein beeindruckendes Werk, das Herausgeber Ralf Wiechmann hier zusammengestellt hat. Basierend auf den für das Museum zusammengetragenen Ausstellungsstücken skizzieren Wiechmann und die verschiedenen Autoren und Autorinnen die Geschichte des Biers in Hamburg in einem Detaillierungsgrad, der mich fasziniert. Schnell habe ich mich festgelesen und begebe mich gedanklich auf eine Reise in die Vergangenheit, beginnend – na, klar! – mit dem Bier in der Antike. Kein Bierbuch kommt ohne diesen historischen Anker aus.
Nach nur wenigen Seiten geht es dann aber rasch zum eigentlichen Thema, nämlich dem Bierbrauen im norddeutschen Raum, speziell in Hamburg. In insgesamt dreizehn Kapiteln wird der Bogen geschlagen von den Anfängen bis zur Neuzeit. Sehr detaillierte Texte und lange Listen von Fußnoten mit Quellen und Referenzen bieten mehr Information, als man beim einfachen Hintereinanderweg-Lesen aufzunehmen vermag, obwohl sie samt und sonders sehr eingängig geschrieben sind. Aufgelockert und inhaltlich ergänzt werden die Texte durch eine Vielzahl von Abbildungen, seien es Fotos der Ausstellungsstücke oder präzise Informationsgrafiken.
Zwischen den Kapiteln finden sich Abschnitte, die sich besonderen Objekten der Ausstellung widmen. Auf jeweils mehreren Doppelseiten finden sich einzelne Bilder, Kunstobjekte oder Gebrauchsgegenstände detailliert erläutert; jedem Objekt wird eine komplette Doppelseite spendiert. Die Hintergrundfarbe dieser Abschnitte ist dunkelbraun, dadurch bekommt das Buch bereits von außen, wenn man auf den Schnitt des Papiers schaut, schon eine sichtbare Gliederung. Ob es aber wirklich eine gute Idee war, für die weiße Schrift auf diesem dunkelbraunen Hintergrund relativ kleine Buchstaben zu verwenden und noch dazu eine Schrift mit Serifen, davon bin ich nicht überzeugt. Die Leserlichkeit, speziell im abendlichen Halbdunkel, wenn man es sich im Wohnzimmer mit diesem Ausstellungskatalog vielleicht einmal so richtig gemütlich machen möchte, leidet sehr. Etwas größere Buchstaben oder eine etwas klarere, serifenlose Schrift wären bei dieser Farbwahl sicherlich eher angebracht gewesen.
Aber das war es auch schon an negativer Kritik. Vom Mittelalter bis zum Kapitel über Hamburger Bierwerbung im 20. Jahrhundert – jedes Kapitel für sich ist lesenswert und faszinierend. Was allerdings auffällt (aber das ist eher der zugrundeliegenden Ausstellung anzulasten, weniger dem Katalog), ist, dass doch ein Großteil der Quellen und Objekte von außerhalb Hamburgs, vorwiegend aus dem niederländischen Raum stammt und so zwar die Bierkultur der Hanse und des Nordens sauber dokumentiert, aber nur indirekt zum eigentlichen Ausstellungsthema passt. Da war die Anzahl der echt Hamburger Objekte vielleicht doch etwas zu klein, um die Ausstellung zu füllen?
Was mir persönlich gefällt, ist, dass der Katalog nicht nur in die Vergangenheit blickt, sondern die Beschreibung der Entwicklung der Hamburger Biergeschichte bis in die Neuzeit fortsetzt. Das Kapitel über Bierwerbung enthält sogar Reklame aus dem Jahr 2015, und auch die in den letzten knapp fünf Jahren entstandenen, zahlreichen Kleinstbrauereien Hamburgs finden, wenn auch nur in äußerster Kürze, ihre Erwähnung.
Der letzte Abschnitt befasst sich mit einem speziell für die Ausstellung gebrauten Bier, einem Rauchweizenbier. Hier versteckt sich ein wenig Reklame für die Störtebeker Braumanufaktur, die als einer der Sponsoren der Ausstellung allerdings auch eine besondere Rolle spielt.
Es folgt noch ein beeindruckend langes Literaturverzeichnis. Zwanzig Seiten, zweispaltig, eng bedruckt, bieten mehr Möglichkeiten, zu lesen, zu stöbern und zu vertiefen, als ein Normalsterblicher in seiner Freizeit bewältigen kann. Viel Vergnügen dabei, mit dieser Literaturliste in die Bibliotheken der Welt abzutauchen!
Ein toller Katalog, ein spannendes Nachschlagewerk. Und auch wenn ich am Tage des Kaufs noch manches Mal über das Gewicht geflucht hatte, bin ich doch froh, dieses Werk erworben zu haben!
Ralf Wiechmann (Hrsg.)
Kein Bier ohne Alster. Hamburg – Brauhaus der Hanse
Verlag der Stiftung Historische Museen Hamburg
Hamburg, 2016
ISBN 978-3-9817452-5-2
Man beachte, es findet sich in dieser Veröffentlichung kein Hinweis auf die Verwendung von Fleetwasser. Das wird zwar immer wieder behauptet, aber nie auf Machbarkeit überprüft. Fakt ist, die Fäulnisbakterien in den Abwässern enthalten Zellgifte, die die Bierhefe absterben lässt. Fazit, wer derartiges publiziert, hat schlecht recherchiert.
Kleiner Hinweis, vier Autoren kommen aus dem Braufach.
Hallo, Gunter,
danke für Deinen Kommentar.
Ich habe, glaube ich, noch nirgends davon gelesen, dass Fleetwasser zum Brauen verwendet worden sei. Kannst Du zu „das wird zwar immer wieder behauptet“ möglicherweise eine oder mehrere Quellen nennen? Das würde mich mal interessieren.
Mit bestem Gruß,
VQ
Hallo Volker,
der Urvater dieser Behauptung ist Hofrath D. Caspar Neumann, mit seiner Veröffentlichung „Thee, Caffee, Bier, und Wein“ 1735, Leipzig, Seite , S. 242, diese Angaben wurden dann von Johann Krünitz in seiner Enzyklopädie wörtlich übernommen Fünfter Theil, 1775, in seiner Abhandlung über Bier beschreibt K ausführlich alles Notwendige über Brauwasser, entnommen aus den einschlägigen Fachbüchern einschließlich von Hinweisen aus der Hausväterliteratur, wesshalb er dann den Dr. N noch zitiert hat ist nicht nachvollziehbar. Festzuhalten ist jedenfalls, daß Krünitz in dieser Angelegenheit bis heute zitiert wird. Nicht von der Brauwissenschaft sondern von unterschiedlichen Autoren ohne Brauwissenschaftlichen Hintergrund. Hierzu drei Beispiele aus jüngster Vergangenheit. Wasser für Hamburg (Diss.) Cornelia Moeck-Schlömer, Hamburg 1998, Hamburg und sein Bier,Harald Schloz, Kulturhistoriker, Hamburg, 1. Auflage 05 / 06
400 Jahre Chemie in Hamburg, Prof. für Geschichte der Naturwissenschaften , Uni Hamb., emer.
Hallo, Gunter,
hab‘ vielen herzlichen Dank für das lange und informative Telefongespräch von heute Nachmittag. Ein Quell von spannenden Informationen und eine tolle Anregung, mich in meinem Ruhestand (der noch ein paar Jahre entfernt liegt) noch viel intensiver mit diesem Thema zu beschäftigen.
Mit bestem Gruß,
VQ